PARKBANK
ZERSTÖRT
Bei
Baumfällarbeiten in Gaarden wurde gestern eine Parkbank durch herabfallende Äste
fast völlig zerstört, zum Glück hatten die Arbeiter die Zone gut abgesperrt.
Die Parkbänke werden immer wieder von Prostituierten genutzt, die dort auf ihre
Freier warten.
(aus den
News auf den Bus-Bildschirmen der Kieler Verkehrsbetriebe)
Habe ich
nicht erfunden, ehrlich.
Ich habe den
ganzen Tag in Kiel über diese Botschaft nachgedacht: Was wollten uns die Macher
dieses Textes – ich wage es nicht, bei diesen Flachbild-News von Journalisten
zu reden – damit sagen wollen? Wollten Sie damit andeuten, dass die Kieler
Forstwarte schlampig und fahrig arbeiten (weil da Sachen kaputtgehen) oder eben
gerade umsichtig und klug (weil man absperrt)? Wollten sie damit andeuten, dass
die Nutte Nadaschja einer grossen Gefahr entgangen ist (es sind schon Literaten
durch herabfallende Äste getötet worden) oder wollten sie eben dieses
Dem-Tod-von-Schaufel-gesprungen-sein bedauern? Wollten Sie schreiben, dass es
schlimm sei, dass jetzt Nutten im Stehen auf ihre Klienten warten müssen (tun
das nicht die meisten?) oder wollten sie sagen, dass es den Damen Nadaschja,
Xenika, Lola und Fargolla ganz Recht geschieht? War das ein Aufruf zur
Zerstörung der Parkinfrastruktur, damit sich Rotlicht wieder in die Innenstadt
kommt? Aber hatte man nicht eher die Puffs auf die grüne Wiese verlegt? (In
München steht ein Hofbräuhaus, doch Freudenhäuser müssen raus… …und draussen
vor der grossen Stadt steh’n die Nutten sich die Füsse platt…)
Wahrscheinlich
ist die Lösung viel einfacher: Die völlig, total, aber wirklich extrem banale
Nachricht wird mit dem pikanten Hinweis auf die Damen der Halbwelt ein
bisschen, ein wenig, 7,1 % spannender gemacht, sie wäre sonst wirklich zu öde.
Solche 4
Zeilen-News waren früher auf den letzten Seiten von Tageszeitungen unter dem
schönen Titel «Vermischtes». Heute bekommt man sie im Bus oder im Tram
vorgespielt, und da haben sie den grossen Nachteil, dass man sie nicht wie in
Zeitungen früher überblättern kann.
Rolf Dobelli
warnt in seinem Denkfehler-Buch ausdrücklich vor dem Lesen dieser Nachrichten.
Im Interview sagt der Zürcher Autor:
«Keine News.
Ich weiss nicht, was läuft in der Welt. Wenn ich die Inhalte auswählen könnte,
würde ich sehr gerne Zeitungen abonnieren. Zum Beispiel das Feuilleton der FAZ,
die Wissenschaftsbeilage der NZZ. Aber reine News brauche ich nicht. Das ist
wie Zucker fürs Hirn. Ich habe nichts gegen Zeitungen und nichts gegen gut
recherchierte Storys. Aber ich habe etwas gegen den leeren Newslärm. Ich lebe
seit einem Jahr ohne Newskonsum und es geht mir blendend, ich habe noch nie
etwas Wichtiges verpasst.»
Aber gehen
wir noch ein Stück weiter. Welche dieser News macht sie eher betroffen?
FAHRERIN
VERLETZT
Am
letzten Samstag wurde in (Dorf nahe bei Ihrem Wohnort einsetzen) eine 45jährige
Autofahrerin bei einem Selbstunfall verletzt und musste ins Spital gebracht
werden.
FAHRERIN
VERLETZT
Am
letzten Samstag wurde in San Pobilios (Paraguay) eine 45jährige Autofahrerin bei einem
Selbstunfall verletzt und musste ins Spital gebracht werden.
Das erste
geht näher, gell? Dabei ist das vollkommen zynisch: Die hiesige Fahrerin ist
wahrscheinlich total versorgt, sie hat eine Krankenversicherung, sie hat
Lohnfortzahlung, selbst wenn sie invalid würde – was natürlich schrecklich wäre
– würden irgendwelche Gelder gezahlt.
Maria
Domingues, die verunfallte Frau in Paraguay hat nichts von alledem, für sie
bedeutet der sechswöchige Spitalaufenthalt den Ruin. Da sie in dieser Zeit
nicht als Zimmermädchen arbeiten kann und das Spital einen gewissen Anteil der
Kosten verlangt, ist sie wirtschaftlich am Ende.
Dennoch geht
uns die erste Geschichte näher, einfach weil sie aus der Nähe kommt.
Und
vielleicht ist das auch eine Erklärung der Kiel-Story: Sie interessiert uns,
weil
·
wir die Forstarbeiter kennen
·
wir die zerstörte Parkbank kennen (kannten)
·
wir schon auf der Bank gesessen haben
·
wir die Damen Nadaschja, Xenika, Lola und
Fargolla kennen und sie eben auf dieser Parkbank angesprochen haben
Ich muss
Schluss machen, der Mann schräge gegenüber im IC 7 hat mir eben die Zunge
herausgestreckt. Ich werde im eine knallen. Vielleicht schafft eine handfeste
Prügelei im Frühzug es ja in die Bus/Tram-News.
GLOSSIST
SCHLÄGT MITREISENDEM ZAHN AUS.
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