Stellen Sie
sich vor, Sie kommen kurz vor Schluss einer Wanderung, die eigentlich am
Pimpeler Bahnhof enden sollte, durch Wubbeln. Dort lockt ein
kastanienbegartentes Beizlein mit frischem Bier und ganz ansehnlichen
Butterbrezeln. Wie schön wäre es, wenn man dort verweilen und die letzte
Strecke mit einem Bus zurücklegen könnte! Und siehe: Es fährt tatsächlich ein
Bus und sie studieren eine Weile den Fahrplan:
356
Wubbeln Zentrum – Pimpeln Postplatz
Montag bis Freitag
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Samstag
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Sonntag
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7 10
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7
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7
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8 11
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8
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8
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9 12 (a) (S)
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9
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9
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10 15 (a) (S)
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10 15 (a)
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10
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11
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11
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11
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12
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12
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12 10 (a) (b)
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13
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13
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13
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14
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14
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14
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15 15 (a) (S)
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15
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15
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16 15 (a) (S)
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16 17 (a)
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16
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17
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17
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17
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18
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18
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18
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19
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19
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19
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(a) fährt
nur bis Pimpeln Bahnhof (b) Mai – September (S) nicht in den Schulferien
Sie sind –
nein, eigentlich nicht wirklich erstaunt ob dieses Papieres, Sie haben solche
schon viele Male in Deutschland gesehen, aber ein wenig wundern Sie sich schon,
zum erneuten Male. Warum wird nicht die Durchfahrt zum Postplatz als Ausnahme
angegeben statt der Bahnhofsfahrt, die ja nun wirklich die Regel ist? Warum
fahren die Menschen nur im Sommer zum nächsten Bahnhof und nicht im Herbst und
im Winter? Und was macht ein Tourist, der überhaupt nicht weiss, ob in Wubbeln
oder Pimpeln Schule ist?
Sie aber
haben Glück: Sie sind zwar Wandertouristen, wissen aber von Freunden in der
betreffenden Landeshauptstadt, dass deren Kinder Schule haben, es ist Werktag
und genau 14.00. Und Sie wollen ja auch nur zum Bahnhof und dann mit dem
Regionalzug weiter. Sie geniessen also einen kühlen Weisswein und einen
Tapas-Teller (die Beiz serviert nämlich noch viel mehr als Butterbrezeln und
Bier…) und stehen dann – natürlich nach dem Bezahlen – um 15.05 an der
Haltestelle.
Und warten.
Und warten.
Und warten.
Und warten.
Und warten.
Um ca. 15.55
entdeckt Sie der Wirt und macht Ihnen klar, dass heute keine Schule ist und so
machen Sie sich doch zu Fuss auf den Weg zum Bahnhof Pimpeln.
Sie sind
Opfer eines Beweglichen Ferientages geworden. Der Beweglichen
Ferientag ist eine typisch deutsche Erfindung und hat als einziges Ziel,
möglichst viel Verwirrung und Chaos zu stiften. Einen Beweglichen Ferientag kann
die Schule frei nach eigenem Gutdünken irgendwo hinlegen, z. B. – wie es heisst
– um «lokales Brauchtum» zu berücksichtigen. Eigentlich eine schöne Idee, aber
dann müsste gewährleistet sein, dass am Beweglichen Ferientag, der auf
das Guggerl-Gaggerl-Fest gelegt wird, auch alle Schülerinnen und Schüler am
Guggerl-Gaggerl-Fest teilnehmen. Und nicht etwa in die Grossstadt fahren und
shoppen gehen.
Besonders
nett wird es mit den Tagen, wenn Sie mehrere Kinder an verschiedenen Schulen haben,
bei drei Kindern und den fünf Beweglichen Ferientagen, die jede Schule
frei setzen darf, ergibt sich eine Fülle an Kombinationen, und wehe, Sie finden
den Zettel nicht mehr, auf dem Sie notiert haben:
Anna: 12.10.; 13.1.; 14.1.; 7.5.;
6.6.;
Michael: 11.11.; 12.11.; 14.1; 7.5.;
8.6.
Salomon: 1.12.; 6.12.; 6.5.; 7.5.;
3.6.
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Haben Sie es
bemerkt? Am 7.5. könnte die Familie einen Ausflug machen. Sonst nie.
Bewegliche
Ferientage gehören zu den vielen Dingen, die in Deutschland nach dem Motto
«Warum einfach, wenn es auch kompliziert geht!» gemanagt werden und sie reihen
sich schön in die Liste ein, die von den Steuererklärungen angeführt und von
den Baugesetzen abgeschlossen wird.
Bayern hat
übrigens Anfang der 90er Jahre die Beweglichen Ferientage eingeführt und
auf das Schuljahr 2005/2006 wieder abgeschafft.
Manchmal sind die Weissblauen ganz vernünftig.
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