Dienstag, 16. Juli 2019

Der Blödsinn der Beweglichen Ferientage


Stellen Sie sich vor, Sie kommen kurz vor Schluss einer Wanderung, die eigentlich am Pimpeler Bahnhof enden sollte, durch Wubbeln. Dort lockt ein kastanienbegartentes Beizlein mit frischem Bier und ganz ansehnlichen Butterbrezeln. Wie schön wäre es, wenn man dort verweilen und die letzte Strecke mit einem Bus zurücklegen könnte! Und siehe: Es fährt tatsächlich ein Bus und sie studieren eine Weile den Fahrplan:

356 Wubbeln Zentrum – Pimpeln Postplatz

Montag bis Freitag
Samstag
Sonntag
7  10
7
7
8  11
8
8
9  12 (a) (S)
9
9
10  15 (a) (S)
10 15 (a)
10
11
11
11
12
12
12  10 (a) (b)
13
13
13
14
14
14
15  15 (a) (S)
15
15
16  15 (a) (S)
16 17 (a)
16
17
17
17
18
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18
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19
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(a) fährt nur bis Pimpeln Bahnhof (b) Mai – September (S) nicht in den Schulferien

Sie sind – nein, eigentlich nicht wirklich erstaunt ob dieses Papieres, Sie haben solche schon viele Male in Deutschland gesehen, aber ein wenig wundern Sie sich schon, zum erneuten Male. Warum wird nicht die Durchfahrt zum Postplatz als Ausnahme angegeben statt der Bahnhofsfahrt, die ja nun wirklich die Regel ist? Warum fahren die Menschen nur im Sommer zum nächsten Bahnhof und nicht im Herbst und im Winter? Und was macht ein Tourist, der überhaupt nicht weiss, ob in Wubbeln oder Pimpeln Schule ist?
Sie aber haben Glück: Sie sind zwar Wandertouristen, wissen aber von Freunden in der betreffenden Landeshauptstadt, dass deren Kinder Schule haben, es ist Werktag und genau 14.00. Und Sie wollen ja auch nur zum Bahnhof und dann mit dem Regionalzug weiter. Sie geniessen also einen kühlen Weisswein und einen Tapas-Teller (die Beiz serviert nämlich noch viel mehr als Butterbrezeln und Bier…) und stehen dann – natürlich nach dem Bezahlen – um 15.05 an der Haltestelle.
Und warten.
Und warten.
Und warten.
Und warten.
Und warten.
Um ca. 15.55 entdeckt Sie der Wirt und macht Ihnen klar, dass heute keine Schule ist und so machen Sie sich doch zu Fuss auf den Weg zum Bahnhof Pimpeln.

Sie sind Opfer eines Beweglichen Ferientages geworden. Der Beweglichen Ferientag ist eine typisch deutsche Erfindung und hat als einziges Ziel, möglichst viel Verwirrung und Chaos zu stiften. Einen Beweglichen Ferientag kann die Schule frei nach eigenem Gutdünken irgendwo hinlegen, z. B. – wie es heisst – um «lokales Brauchtum» zu berücksichtigen. Eigentlich eine schöne Idee, aber dann müsste gewährleistet sein, dass am Beweglichen Ferientag, der auf das Guggerl-Gaggerl-Fest gelegt wird, auch alle Schülerinnen und Schüler am Guggerl-Gaggerl-Fest teilnehmen. Und nicht etwa in die Grossstadt fahren und shoppen gehen.

Besonders nett wird es mit den Tagen, wenn Sie mehrere Kinder an verschiedenen Schulen haben, bei drei Kindern und den fünf Beweglichen Ferientagen, die jede Schule frei setzen darf, ergibt sich eine Fülle an Kombinationen, und wehe, Sie finden den Zettel nicht mehr, auf dem Sie notiert haben:

Anna: 12.10.; 13.1.; 14.1.; 7.5.; 6.6.;
Michael: 11.11.; 12.11.; 14.1; 7.5.; 8.6.
Salomon: 1.12.; 6.12.; 6.5.; 7.5.; 3.6.

Haben Sie es bemerkt? Am 7.5. könnte die Familie einen Ausflug machen. Sonst nie.

Bewegliche Ferientage gehören zu den vielen Dingen, die in Deutschland nach dem Motto «Warum einfach, wenn es auch kompliziert geht!» gemanagt werden und sie reihen sich schön in die Liste ein, die von den Steuererklärungen angeführt und von den Baugesetzen abgeschlossen wird.
Bayern hat übrigens Anfang der 90er Jahre die Beweglichen Ferientage eingeführt und auf das Schuljahr 2005/2006 wieder abgeschafft.

Manchmal sind die Weissblauen ganz vernünftig.

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