Freitag, 28. Juni 2019

Hitze als Generalausrede


Was gibt es Schöneres, als bei diesen Temperaturen in einem Bistro am Fluss zu sitzen und ein kühles Glas Weisswein zu trinken? Genau. In einem Bistro am Fluss sitzen und zwei Gläser Weisswein trinken. Und weil man ja auch ein wenig Hunger hat, isst man noch einen Salat dazu, aber irgendwann muss ich dann doch heim und es geht ans Bezahlen. Die Rechnung ist einfach: Ein Glas Weisswein kostet 10,50.- und der Salat 18.-, alles nicht ganz billig, aber im Bistro mit Blick auf den Fluss muss man eben nicht nur das Bistro, sondern auch den Blick auf den Fluss bezahlen. Auf jeden Fall ergibt sich die klare Summe von 40.-, als ich aber die Rechnung sehe, bin ich ob der darauf stehenden 43,70.- doch erstaunt. Die Servierdame rechnet noch einmal nach, und nachdem sie noch einmal nachgerechnet hat, muss sie mir Recht geben. Sie entschuldigt sich mit dem schönen Satz:
«Es ist zu heiss zum Denken, und erst recht zum Rechnen.»

Ich nehme ein Taxi nach Hause. Der Taxichauffeur überfährt 7 Male den Mittelstreifen, würgt 3 Male den Motor ab und macht bei jeder Ampel eine Vollbremsung. Ich bin selber lange nicht Auto gefahren, aber ich war ein ordentlicher, wenn auch kein genialer Autofahrer, sodass ich bei Fahrern doch einen gewissen Anspruch habe. Und das ist mir jetzt doch zu viel. «Sind Sie betrunken oder haben Sie Drogen genommen?» «Wieso?» «Na ja, nach 7 Mittelstreifenüberfahrungen, 3 Abwürgungen und 8 Ampelvollbremsungen fragte ich mich gerade, ob Sie den Fahrausweis haben, da wir in diesem Land aber ziemlich streng sind, nehme ich an, Sie haben ihn, wenn Sie aber den Führerschein besitzen, dann haben Sie 2,1 Promille oder Sie sind auf Koks, Speed, Cannabis oder Heroin.» Und jetzt kommt der schöne Satz:
«Es ist zu heiss, um konzentriert zu fahren.»

Der Chauffeur setzt mich wohlbehalten – und das muss nun hier wirklich extra betont werden – zu Hause ab. Als ich die Haustür öffne, schlägt mir ein Gestank von epischem Ausmass entgegen. Es riecht, als hätte jemand einen Misthaufen im Treppenhaus aufgebaut, oder als hätte die Putzfrau mit Gülle geputzt. Es müffelt wie im Erdferkelgehege des örtlichen Zoos oder im Kuhstall meines Göttis. Ich betrete das Treppenhaus und sofort löst sich das Rätsel: Herr Mulder vom 4. Stock kommt die Stufen hinunter. Ich halte mir demonstrativ die Nase zu und stöhne: «Herr Mulder! Sie stinken. Sie stinken wie ein Misthaufen, als hätten Sie mit Gülle geduscht, sie müffeln wie ein Erdferkel im Zoo oder eine Kuh von meinem Götti.» Er zuckt mit den Schultern und spricht den schönen Satz:
«Die Hitze! Da lohnt das Duschen gar nicht.»

Die Hitze.
Zugegeben, es ist heiss, Temperaturen um die 38° Celsius, teilweise bis 40° sind hoch. Aber können Sie uns als Generalausrede taugen?
Die Schüler weigern sich den Test zu schreiben, weil es zu heiss ist, jenen Test, den der Lehrer gar nicht vorbereitet hat, weil es zu heiss ist. Der Autofahrer muss im Schatten parkieren, weil das Auto sonst zu heiss wird und die Polizistin schreibt ihn nicht auf, weil sie bei der Hitze keinen Stift halten kann. Und wenn jemand mit einem Hitzschlag ins Spital kommt, wird er oder sie dann überhaupt behandelt, bei der grossen Hitze?

Wenn Temperaturen um die 39° jegliches Denken, handeln, jegliches Tun und Wollen, wenn sie jegliche intellektuelle und praktische Handlung verunmöglichen, dann muss man sich fragen, warum in anderen, südlicheren Ländern nicht ab Mai das gesamte öffentliche Leben zusammenbricht. Tut es nämlich nicht.
In Sizilien werden Mails geschrieben.
Auf Kreta werden Autos repariert.
In Marokko werden Dinge verkauft.
Und in Ägypten gehen Schülerinnen und Schüler in die Schule.

Einziger Unterschied: Die allerheissesten, allertropischsten, die brutalstwarmen und kochenden, die siedenden und brühigen, äquatorialen Mittagsstunden werden ausgenommen. Von 13.00 bis 16.00 zieht man sich in abgedunkelte, kühle Räume zurück und döst.
Siesta nennt man das.
Und das sollte man bei uns auch einführen, wenn die Temperaturen solche Höhen erreichen.
Vielleicht gestaffelt:
bis 33° Celsius                   13.00 – 14.00
bis 37° Celsius                   12.30 – 15.00
bis 42° Celsius                   12.30 – 16.00
Wäre doch nett.

Um mich von dem Rechnungsschock, dem Taxischock und dem Gestank-Schock zu erholen, giesse ich mir noch einen Whiskey ein, setze mich vor den Fernseher und schaue Nachrichten. Und bin erstaunt zu hören:
«Guten Abend, liebe Zuschauerinnen und Zuschauer. Wegen der Hitze gibt es heute keine Politik, keine Wirtschaft, keine Kultur und keinen Sport. Der Wetterbericht für morgen:

Heiss.

Sehr heiss.»




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