Holger geht
gerne schwimmen. Er zieht jeden Tag seine Bahnen und verbringt im Sommer viel
Zeit an den Schweizer Seen und im Gartenbad. Im Gartenbad hat Holger ein
Kästchen gemietet, in dem sich Duschgel, Sonnencreme, Schwimmbrille und
Handtuch befinden. Und zwei Badehosen, eine rot, eine schwarz, eine zweite
deshalb, weil ja die eine mal kaputt gehen könnte. Für seine Hallenbadzeit,
sowie für seine Reisen an die Seen hat Holger zuhause noch einmal zwei
Badehosen, eine schwarz, eine blau. So weit, so gut. Nun hätte Holger
eigentlich gerne Badepants in pfiffigeren Farben, und die sind rar. Badeshorts
gibt es in jeder knalligen Farbe und in jedem knalligen Design, bei Pants muss
man da suchen. Holger entdeckt nun in der MANOR® eine Badehose in einem
wunderbaren Grün. Dieser Kauf ist nun eigentlich überflüssig, denn mehr als
vier Badehosen (1 x Kästli + 1 x Ersatz, 1 x daheim + 1 x Ersatz) braucht er
wirklich nicht. Aber er kauft das grüne Teil. Und nun bricht ein Damm: Bei
O-MEN!® entdeckt er im Internet Badepants in Pink, Violett, in Hellblau und Weiss,
in schönsten Mustern wie Streifen, Punkten und Flecken. Und er kauft gleich 6
Stück.
Muss man
dezidiert erwähnen, dass Holger nach zwei Jahren 40 Badepants besitzt und ein
Ende nicht in Sicht ist?
Für Martha ist
das Wichtigste bei ihren Speisen Salz und Pfeffer. Sie liebt es, Salz auf ihr
Frühstücksei zu streuen und auf ihre Spaghetti Pfeffer zu mahlen und so sind
Salzstreuer und Pfeffermühle zwei der bedeutendsten Gegenstände in ihrem
Haushalt. Da es sein könnte, dass Streuer und Mühle einmal kaputtgehen könnten,
beschliesst Martha, sich ein zweites Paar zu kaufen. Im Haushaltsgeschäft
Muller&Muller sieht die Gute eine ganze Batterie der S&P-Paare: Im
Bauhausstil, im 70er-, 80er-, 90er-Design, es gibt welche in Tierform, in
geometrischer Form, welche in Rot, in schlichtem weiss oder in schlichtem
Schwarz. Und Martha kauft drei Paare des Dänischen Designers Hullebrod, der mit
seiner Würfelform ein klassisches Muster geschaffen hat, eines in Grau, eines
in Weiss und eines in Grün. Und natürlich bricht auch hier ein Damm: Nach fünf
Jahren besitzt Martha 50 Pfeffermühlen und 50 Salzstreuer und ein Ende ist in
nicht in Sicht…
Holger und
Martha bestätigen auf wunderbare Weise den von Heimrich Düddel formulierten sogenannten
Ersten Lehrsatz der Kollektologie, einer relativ jungen Unterdisziplin der
Soziologie, den ich wörtlich zitieren möchte:
Erster
Lehrsatz
Von jedem
Gegenstand gibt es eine vernünftige Anzahl x. Mit dem Überschreiten von x
beginnt das Sammeln. Da x+1 genauso unvernünftig ist wie zum Beispiel x+20, ist
dem Sammeln kein logisches Ende gesetzt.
Heimrich
Düddel, Grundzüge der Kollektologie, Hamburg 2003, S. 20
Besser kann
man das nicht formulieren. Warum soll Holger sich die 41. Badehose verweigern?
Er würde damit ja auch die Käufe ab der 5. Badehose für nutz- und sinnlos
erklären. Warum soll Martha sich die 52. S&P-Paarung versagen? Schon die
dritte war ja reines Sammeln.
Das
Spannende ist nun, wo x liegt. Hier kann wahrscheinlich kein exakter Wert
ermittelt werden, denn hier kommen psychologische und soziologische Werte mit
ins Spiel. Was ist x bei Unterhosen? Hier kann ein Wert durchaus zwischen 30
und 40 liegen, man kommt ja nicht immer zum Waschen, ein frische pro Tag will
man ja schon tragen und manchmal ist man auch länger auf Reisen. Bei Autos
liegt der Wert für mich bei 1. Auch wer drei Ferraris besitzt, kann jeweils nur
einen lenken.
Ist nun
unsere Sammelwut niemals zu bremsen? Doch, zum Glück erreicht die Anzahl der
Stücke irgendwann eine Grenze, sie wird im Zweiten Lehrsatz beschrieben:
Zweiter
Lehrsatz
Der Wert
Y ist die Anzahl, die als Grenzwert erreicht wird und die Sammlung abschliesst.
Y kann aus folgenden Faktoren resultieren: Platz, Geld und Verfügbarkeit.
Heimrich Düddel, Grundzüge der Kollektologie, a.a.O.
S. 34
Auch hier
hat Düddel wieder in allen Punkten recht:
Gewisse
Sammlerobjekte brauchen Platz, wer also Ferraris sammelt, wer antike
Bauernschränke sammelt, wer Gartenzäune, Abfalleimer, wer Eisenbahnwaggons oder
Leichenwagen, wer Telefonzellen, Menhire oder Biedermeier-Sekretäre anhäuft,
stösst irgendwann an eine Grenze des Raumes, die Zahl y wird erreicht.
Wer nun
wieder Diamanten, Goldschmuck oder echte Perlen, ebenso wer Gallé-Vasen oder
Fabergé-Objekte sammelt, muss entweder Milliardär sein, oder er oder sie wird
irgendwann die Zahl y erreichen.
Bei
bestimmten Sammlerstücken gibt es schlicht und einfach zu wenig, weil sie nicht
verkauft werden oder nicht verkauft werden dürfen. Wie viele Kruzifixe aus dem
10. Jahrhundert erreichen die Auktionshäuser? Wie viele Monet-Originale sind im
Handel? Wie gross ist die Möglichkeit an eine römische Statue aus dem 2.
Jahrhundert vor Christus zu bekommen? Alles sehr, sehr, sehr, sehr gering; auch
hier sind wir bald bei y.
Wir sehen
also, dass auch das eifrigste Sammeln an eine Grenze stossen kann.
Aber nicht
so schnell:
Holger ist
gerade auf den Internethändler SWIMFUN® gestossen, der wunderschöne Modelle in
Schwarz/Gelb, Khaki und Anthrazit hat.
Martha hat
in der Webergasse ein Lädchen entdeckt, das S&P-Paare im Look des Fin de
Siècle anbietet…
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