Freitag, 7. Juni 2019

Ab dem fünften Gegenstand sind Sie Sammler(in)


Holger geht gerne schwimmen. Er zieht jeden Tag seine Bahnen und verbringt im Sommer viel Zeit an den Schweizer Seen und im Gartenbad. Im Gartenbad hat Holger ein Kästchen gemietet, in dem sich Duschgel, Sonnencreme, Schwimmbrille und Handtuch befinden. Und zwei Badehosen, eine rot, eine schwarz, eine zweite deshalb, weil ja die eine mal kaputt gehen könnte. Für seine Hallenbadzeit, sowie für seine Reisen an die Seen hat Holger zuhause noch einmal zwei Badehosen, eine schwarz, eine blau. So weit, so gut. Nun hätte Holger eigentlich gerne Badepants in pfiffigeren Farben, und die sind rar. Badeshorts gibt es in jeder knalligen Farbe und in jedem knalligen Design, bei Pants muss man da suchen. Holger entdeckt nun in der MANOR® eine Badehose in einem wunderbaren Grün. Dieser Kauf ist nun eigentlich überflüssig, denn mehr als vier Badehosen (1 x Kästli + 1 x Ersatz, 1 x daheim + 1 x Ersatz) braucht er wirklich nicht. Aber er kauft das grüne Teil. Und nun bricht ein Damm: Bei O-MEN!® entdeckt er im Internet Badepants in Pink, Violett, in Hellblau und Weiss, in schönsten Mustern wie Streifen, Punkten und Flecken. Und er kauft gleich 6 Stück.
Muss man dezidiert erwähnen, dass Holger nach zwei Jahren 40 Badepants besitzt und ein Ende nicht in Sicht ist?

Für Martha ist das Wichtigste bei ihren Speisen Salz und Pfeffer. Sie liebt es, Salz auf ihr Frühstücksei zu streuen und auf ihre Spaghetti Pfeffer zu mahlen und so sind Salzstreuer und Pfeffermühle zwei der bedeutendsten Gegenstände in ihrem Haushalt. Da es sein könnte, dass Streuer und Mühle einmal kaputtgehen könnten, beschliesst Martha, sich ein zweites Paar zu kaufen. Im Haushaltsgeschäft Muller&Muller sieht die Gute eine ganze Batterie der S&P-Paare: Im Bauhausstil, im 70er-, 80er-, 90er-Design, es gibt welche in Tierform, in geometrischer Form, welche in Rot, in schlichtem weiss oder in schlichtem Schwarz. Und Martha kauft drei Paare des Dänischen Designers Hullebrod, der mit seiner Würfelform ein klassisches Muster geschaffen hat, eines in Grau, eines in Weiss und eines in Grün. Und natürlich bricht auch hier ein Damm: Nach fünf Jahren besitzt Martha 50 Pfeffermühlen und 50 Salzstreuer und ein Ende ist in nicht in Sicht…

Holger und Martha bestätigen auf wunderbare Weise den von Heimrich Düddel formulierten sogenannten Ersten Lehrsatz der Kollektologie, einer relativ jungen Unterdisziplin der Soziologie, den ich wörtlich zitieren möchte:
Erster Lehrsatz
Von jedem Gegenstand gibt es eine vernünftige Anzahl x. Mit dem Überschreiten von x beginnt das Sammeln. Da x+1 genauso unvernünftig ist wie zum Beispiel x+20, ist dem Sammeln kein logisches Ende gesetzt.
Heimrich Düddel, Grundzüge der Kollektologie, Hamburg 2003, S. 20

Besser kann man das nicht formulieren. Warum soll Holger sich die 41. Badehose verweigern? Er würde damit ja auch die Käufe ab der 5. Badehose für nutz- und sinnlos erklären. Warum soll Martha sich die 52. S&P-Paarung versagen? Schon die dritte war ja reines Sammeln.
Das Spannende ist nun, wo x liegt. Hier kann wahrscheinlich kein exakter Wert ermittelt werden, denn hier kommen psychologische und soziologische Werte mit ins Spiel. Was ist x bei Unterhosen? Hier kann ein Wert durchaus zwischen 30 und 40 liegen, man kommt ja nicht immer zum Waschen, ein frische pro Tag will man ja schon tragen und manchmal ist man auch länger auf Reisen. Bei Autos liegt der Wert für mich bei 1. Auch wer drei Ferraris besitzt, kann jeweils nur einen lenken.

Ist nun unsere Sammelwut niemals zu bremsen? Doch, zum Glück erreicht die Anzahl der Stücke irgendwann eine Grenze, sie wird im Zweiten Lehrsatz beschrieben:
Zweiter Lehrsatz
Der Wert Y ist die Anzahl, die als Grenzwert erreicht wird und die Sammlung abschliesst. Y kann aus folgenden Faktoren resultieren: Platz, Geld und Verfügbarkeit.
 Heimrich Düddel, Grundzüge der Kollektologie, a.a.O. S. 34

Auch hier hat Düddel wieder in allen Punkten recht:
Gewisse Sammlerobjekte brauchen Platz, wer also Ferraris sammelt, wer antike Bauernschränke sammelt, wer Gartenzäune, Abfalleimer, wer Eisenbahnwaggons oder Leichenwagen, wer Telefonzellen, Menhire oder Biedermeier-Sekretäre anhäuft, stösst irgendwann an eine Grenze des Raumes, die Zahl y wird erreicht.
Wer nun wieder Diamanten, Goldschmuck oder echte Perlen, ebenso wer Gallé-Vasen oder Fabergé-Objekte sammelt, muss entweder Milliardär sein, oder er oder sie wird irgendwann die Zahl y erreichen.
Bei bestimmten Sammlerstücken gibt es schlicht und einfach zu wenig, weil sie nicht verkauft werden oder nicht verkauft werden dürfen. Wie viele Kruzifixe aus dem 10. Jahrhundert erreichen die Auktionshäuser? Wie viele Monet-Originale sind im Handel? Wie gross ist die Möglichkeit an eine römische Statue aus dem 2. Jahrhundert vor Christus zu bekommen? Alles sehr, sehr, sehr, sehr gering; auch hier sind wir bald bei y.
Wir sehen also, dass auch das eifrigste Sammeln an eine Grenze stossen kann.

Aber nicht so schnell:
Holger ist gerade auf den Internethändler SWIMFUN® gestossen, der wunderschöne Modelle in Schwarz/Gelb, Khaki und Anthrazit hat.
Martha hat in der Webergasse ein Lädchen entdeckt, das S&P-Paare im Look des Fin de Siècle anbietet…   



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