Dienstag, 30. Oktober 2018

Wasser vom Himmel? ... Wie hiess das noch gleich?


Als ich am Samstag aus dem Hause wollte, fiel auf einmal Wasser vom Himmel.
Wasser vom Himmel?
Ich erschrak fürchterlich, das musste der Jüngste Tag sein, das Jüngste Gericht, stand nicht im Propheten Frojim Und es wird Wasser vom Himmel stürzen und Feuchte aus der Höhe; es werden die Schleusen geöffnet werden und die Sturzbäche herabkommen (Frojim 12, 34+35)? Ich dachte also an die Apokalypse, ich dachte an die Endzeit, ich dachte an Armageddon und Ragnarök, ich dachte an die Götterdämmerung und das Ende des Kalenders, ich überlegte, wie es mit meinem Sündenregister und meinem Karma aussieht, ich erwog, noch geschwind den Zeugen Jehovas oder den Amish, den Methodisten oder den Salafisten beizutreten, bis mir einfiel, dass ich das Phänomen unendlich lange her schon einmal erlebt hatte. Ich hatte, das fiel mir auf einmal ein, sogar den Namen für dieses Ereignis gekannt; nun hatte ich ihn vergessen.
Es war irgendetwas mit zwei E.
Nebel? Nein, Nebel war Bodendunst und den hatte es aber morgen gehabt, aber die Feuchtigkeit war von unten nach oben gestiegen und nicht umgekehrt.
Wesen? Leben? Hebel?
Delle? Schwelle?
Leber?
Ein G war in der Mitte, das wusste ich plötzlich wieder.
Regel? Pegel? Flegel?
Heger? Feger?
…………………………..
Regen! Heureka! Das Phänomen hiess Regen! Das mir das entfallen war! Aber es hatte ja so lange nicht geregnet, dass ich einerseits in völlige Panik gefallen war und an den Propheten Frojim und an das Armageddon gedacht hatte und andererseits den Namen vergessen gehabt hatte.

Was tut man aber, wenn es regnet? Der letzte Regen war so lange her, dass auch diese Info meinem Hirn entwichen war. Es musste etwas geben, denn es konnte ja nicht sein, dass man völlig durchnässt am Ziele ankommt. Ich hielt meine Aktentasche über meinen Kopf und überlegte. Es gab da, so kam eine Erinnerung langsam aus den Tiefen meiner grauen Zellen zum Vorschein, einen Gegenstand, den man irgendwie aufspannen konnte und der mit seinem Stoff wie ein Zelt über den Kopf gehalten wurde.
Regenbaldachin? Nein, so hiess das nicht.
Regenzelt? Nein, auch nicht.
Regenschutz? Regenplane? Regenstoff?
Regentuch?
………………………..
Regenschirm! Natürlich, ein Regenschirm wäre jetzt von Nutzen, und plötzlich wusste ich auch, dass ich einen besass. Ich stürmte also ins Haus, um meinen Regenschirm zu suchen. Wo aber befindet sich eine Sache, die man gefühlte Äonen, die man Jahrzehnte und Jahrhunderte, die man Ewigkeiten nicht benutzt hat? Sicher nicht an der Garderobe, das wäre zu einfach, auch nicht im Flurschrank und nicht an der Türe. Irgendwo versteckt.

Ich durchforstete und durchkämmte meine Wohnung wie die Frau im Evangelium, die ihre Münze sucht, und ich fand einige längst verloren geglaubte Dinge:
- den Mitgliedsausweis der Gesellschaft zur Förderung der Philosophie Wittgensteins
-  den Haltebolzen für meine Küchenmaschine
-  die Fotos von den Azoren (Papierfotos! Wie lange war das her?)
-  meine grün-weisse Badehose, in der ich so sexy aussehe
-  meine Velopumpe
 - drei Tuben Haargel Marke Zumblid® - die gab es nicht mehr in der Drogerie
-  meinen Reisepass
Einen Regenschirm fand ich nicht.
So musste ich wohl oder übel ohne Schutz aus dem Haus und wurde gehörig nass.

Es ist aber schon interessant, dass wir uns an Zustände so gewöhnen, dass wir uns einen anderen gar nicht mehr vorstellen können. Nach sechs Wochen Ferien haben wir vergessen, zu welcher Uhrzeit wir normalerweise aufstanden, haben unseren Wecker verlegt und wissen nicht mehr, welches Tram wir nehmen müssen. Nach längerer Krankheit können wir uns gar nicht mehr vorstellen, zwei Stunden auf den Beinen zu sein.
Und wenn es eben so lange nicht geregnet hat, wie es jetzt der Fall war, dann ist ein Regentag ausserhalb aller Phantasie und ausserhalb aller Vorstellungskraft.
Ja, wir haben vergessen, wie Wasser vom Himmel heisst.
Und wir finden unseren Regenschirm nicht mehr.

Mussten Sie am Wochenende nicht auch suchen?

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