Immer wieder
ärgert man sich, weil man Dinge zugesagt hat, die man eigentlich nicht hätte
zusagen sollen. Aber manchmal kann man nicht nein sagen und das entpuppt sich
dann als schwerwiegender Fehler. Es war ein Fehler, der Nachbarin zu
versprechen, auf Lutzi aufzupassen, jener Katze, die einem dann am zweiten Tag
ca. 56 Kratzwunden zufügte, es war ein
Fehler, zuzusagen die Arbeit «Dimension der Metaebenen im Werk Karl
Jaspers» Korrektur zu lesen, eine Arbeit, die schon ob ihrer Länge von 765
Seiten einem die Tränen in den Kopf treibt, es war ein Fehler, die Kinder der
Nachbarin mit ins Hallenbad zu nehmen und es war ein Fehler, zu der Bitte «rede
du doch mal mit ihm» Ja zu sagen.
Und ich habe
auch wieder einen solchen Fehler gemacht, ich habe Marcel und Judith
versprochen, auf ihrer Hochzeit den Programmteil zu organisieren und zu leiten,
also die Funktion zu übernehmen, die in England der Trauzeuge, der Best Man
macht und die in der Schweiz «Tätschmeister» heisst. Und so stand unten auf den
Einladungen, kleingedruckt:
Beiträge bitte bei Rolf (079 243 66 55)
anmelden
Und so sitze
ich vor einer Liste, die jeden vernünftigen Menschen an den Rand des Wahnsinns
treibt:
Lustiges
Lied für die Braut «All you need is Marcel» (Britta und Birgit) 10’
Rede des Brautvaters
20’
Rede des
Bräutigamvaters 15’
Lustiges
Lied für die Braut auf die Melodie «Ein Vogel wollte Hochzeit machen» (Inga und
Ingrid) 10’
Sketch «Das
Frühstücksei» (Hanna und Hubert) 7’
Sketch «Das
Frühstücksei» (Helga und Hans) 7’
Sketch «Das
Frühstücksei» (Hanno und Hannelore) 7’
Spiel «Wer
kann was besser?» / mit Hammer und Kochlöffel (Benno) 20’
Lustiges
Lied für den Bräutigam «Judith ist die Beste» (Gerd und Geri) 25’ (!!!!)
Lied mit
Allen «Love is all around you” / mit Bewegungen (Sara) 30’ (!!!!)
Baum
präsentieren, an dem man Einladungen für die Brautleute abpflücken kann (Horst)
10’
Michi,
Göttibub von Marcel, spielt Blockflöte 15’
Ella,
Göttimaidli von Marcel, spielt Geige 15’
Felix,
Göttibub von Judith, spielt Klavier 15’
Mona,
Göttimaidli von Judith, spielt Trompete 15’
Kanon mit
allen (Dieter) 10’
Quiz über
die Brautleute (Dieter) 15’
Gedicht
(Sabine) 10’
Gedicht
(Dora) 10’
Gedicht
(Ulrike) 10’
Gedicht
(Werner) 10’
Gedicht
(Frank) 10’
Allein die
Zeiten lassen mir schon den Schweiss auf der Stirne stehen, aber das ist das
geringste Problem, 5 Stunden lassen sich irgendwo auftreiben, das grösste
Problem ist, das keiner, aber auch keiner der Beiträge irgendwie originell oder
einfallsreich ist. Alles schon gesehen, alles schon gehört, auf jeder Hochzeit
das gleiche Lied. Ich habe schon 34 mal das
«Wer-ist-schneller-im-Bad-Mann-hebt-Hammer-Frau-hebt-Löffel-alle-lachen-Spiel»
gesehen, ich habe schon 57 mal «Ich lade die beiden zum Kaffee ein» vom
Bäumchen gepflückt und ich verstehe nicht, warum immer, immer, immer und ewig,
immer und überall der Ei-Sketch gespielt werden muss, Loriot hat noch viele
andere «Szenen einer Ehe» geschrieben, warum denn nicht mal «Wie findest du
mein Kleid?» oder «Feierabend», der Sketch, in dem der Mann einfach nur
dasitzen will.
Auf keiner
Hochzeit habe ich eine witzige und schöne Rede gehört, sind die beiden Väter
Handwerker, dann ist das Gelaber wenigstens kurz, hier aber sind beide Väter
Lehrer (der von ihr Deutsch, Geschichte und Geographie, der von ihm Englisch,
Deutsch und Staatskunde) und beide werden mit einem Goethe-Zitat anfangen, das
kann ich schon voraussagen. Und dann die Gedichte! Haben Sie auf einer Hochzeit
schon einmal ein Gedicht gehört, bei dem Reim und Versmass stimmten? Ich nicht.
Ich gehe nun
ganz radikal vor, lasse mir Proben der Texte schicken, wähle das am wenigsten
schreckliche Gedicht aus (Dora) und streiche die anderen. Ebenso verfahre ich
mit den lustigen Liedern. Den Kids schicke ich ein Arrangement der Kleinen
Nachtmusik für Geige, Blockflöte, Klavier und Trompete und besteche sie mit 8
Kilogramm Schokolade, doch zusammen zu spielen. Bei den Loriot-Eiern lose ich
aus; den beiden Vätern gebe ich je ein Zitat vor, von dem sie ausgehen müssen,
in der Hoffnung, ihnen fällt nichts ein. (Ihr Vater: «Die Wahrheit ist dem
Menschen zumutbar» von der Kaschnitz, sein Vater: «Religion ist Opium des Volkes»
von Lenin)
Tage später
erreicht mich eine erneute Einladung per PDF
Unten lese
ich:
Beiträge bitte bei Tobi (079 766 55 22)
anmelden / NICHT MEHR BEI ROLF!
Gut, ich
werde fernbleiben, aber ich will dann auch keine Klagen hören.
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