Dienstag, 16. Oktober 2018

Das schreckliche "Bunte Programm" bei einer Hochzeit


Immer wieder ärgert man sich, weil man Dinge zugesagt hat, die man eigentlich nicht hätte zusagen sollen. Aber manchmal kann man nicht nein sagen und das entpuppt sich dann als schwerwiegender Fehler. Es war ein Fehler, der Nachbarin zu versprechen, auf Lutzi aufzupassen, jener Katze, die einem dann am zweiten Tag ca. 56 Kratzwunden zufügte, es war ein  Fehler, zuzusagen die Arbeit «Dimension der Metaebenen im Werk Karl Jaspers» Korrektur zu lesen, eine Arbeit, die schon ob ihrer Länge von 765 Seiten einem die Tränen in den Kopf treibt, es war ein Fehler, die Kinder der Nachbarin mit ins Hallenbad zu nehmen und es war ein Fehler, zu der Bitte «rede du doch mal mit ihm» Ja zu sagen.

Und ich habe auch wieder einen solchen Fehler gemacht, ich habe Marcel und Judith versprochen, auf ihrer Hochzeit den Programmteil zu organisieren und zu leiten, also die Funktion zu übernehmen, die in England der Trauzeuge, der Best Man macht und die in der Schweiz «Tätschmeister» heisst. Und so stand unten auf den Einladungen, kleingedruckt:
Beiträge bitte bei Rolf (079 243 66 55) anmelden
Und so sitze ich vor einer Liste, die jeden vernünftigen Menschen an den Rand des Wahnsinns treibt: 

Lustiges Lied für die Braut «All you need is Marcel» (Britta und Birgit) 10’
Rede des Brautvaters 20’
Rede des Bräutigamvaters 15’
Lustiges Lied für die Braut auf die Melodie «Ein Vogel wollte Hochzeit machen» (Inga und Ingrid) 10’
Sketch «Das Frühstücksei» (Hanna und Hubert) 7’
Sketch «Das Frühstücksei» (Helga und Hans) 7’
Sketch «Das Frühstücksei» (Hanno und Hannelore) 7’
Spiel «Wer kann was besser?» / mit Hammer und Kochlöffel (Benno) 20’
Lustiges Lied für den Bräutigam «Judith ist die Beste» (Gerd und Geri) 25’ (!!!!)
Lied mit Allen «Love is all around you” / mit Bewegungen (Sara) 30’ (!!!!)
Baum präsentieren, an dem man Einladungen für die Brautleute abpflücken kann (Horst) 10’
Michi, Göttibub von Marcel, spielt Blockflöte 15’
Ella, Göttimaidli von Marcel, spielt Geige 15’
Felix, Göttibub von Judith, spielt Klavier 15’
Mona, Göttimaidli von Judith, spielt Trompete 15’
Kanon mit allen (Dieter) 10’
Quiz über die Brautleute (Dieter) 15’
Gedicht (Sabine) 10’
Gedicht (Dora) 10’
Gedicht (Ulrike) 10’
Gedicht (Werner) 10’
Gedicht (Frank) 10’

Allein die Zeiten lassen mir schon den Schweiss auf der Stirne stehen, aber das ist das geringste Problem, 5 Stunden lassen sich irgendwo auftreiben, das grösste Problem ist, das keiner, aber auch keiner der Beiträge irgendwie originell oder einfallsreich ist. Alles schon gesehen, alles schon gehört, auf jeder Hochzeit das gleiche Lied. Ich habe schon 34 mal das «Wer-ist-schneller-im-Bad-Mann-hebt-Hammer-Frau-hebt-Löffel-alle-lachen-Spiel» gesehen, ich habe schon 57 mal «Ich lade die beiden zum Kaffee ein» vom Bäumchen gepflückt und ich verstehe nicht, warum immer, immer, immer und ewig, immer und überall der Ei-Sketch gespielt werden muss, Loriot hat noch viele andere «Szenen einer Ehe» geschrieben, warum denn nicht mal «Wie findest du mein Kleid?» oder «Feierabend», der Sketch, in dem der Mann einfach nur dasitzen will.
Auf keiner Hochzeit habe ich eine witzige und schöne Rede gehört, sind die beiden Väter Handwerker, dann ist das Gelaber wenigstens kurz, hier aber sind beide Väter Lehrer (der von ihr Deutsch, Geschichte und Geographie, der von ihm Englisch, Deutsch und Staatskunde) und beide werden mit einem Goethe-Zitat anfangen, das kann ich schon voraussagen. Und dann die Gedichte! Haben Sie auf einer Hochzeit schon einmal ein Gedicht gehört, bei dem Reim und Versmass stimmten? Ich nicht.

Ich gehe nun ganz radikal vor, lasse mir Proben der Texte schicken, wähle das am wenigsten schreckliche Gedicht aus (Dora) und streiche die anderen. Ebenso verfahre ich mit den lustigen Liedern. Den Kids schicke ich ein Arrangement der Kleinen Nachtmusik für Geige, Blockflöte, Klavier und Trompete und besteche sie mit 8 Kilogramm Schokolade, doch zusammen zu spielen. Bei den Loriot-Eiern lose ich aus; den beiden Vätern gebe ich je ein Zitat vor, von dem sie ausgehen müssen, in der Hoffnung, ihnen fällt nichts ein. (Ihr Vater: «Die Wahrheit ist dem Menschen zumutbar» von der Kaschnitz, sein Vater: «Religion ist Opium des Volkes» von Lenin)

Tage später erreicht mich eine erneute Einladung per PDF
Unten lese ich:
Beiträge bitte bei Tobi (079 766 55 22) anmelden / NICHT MEHR BEI ROLF!

Gut, ich werde fernbleiben, aber ich will dann auch keine Klagen hören.
   








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