Ich stehe
vor einem Werbeplakat eines Internet-Kaufhauses; wäre es ein Gemälde, müsste es
den Titel Glückliche Familie unter dem
Tannenbaum tragen. Das Plakat erfüllt so ziemliche alle Klischees, die wir
von einem Weihnachtswerbeplakat erwarten, in einer geschmackvollen Wohnung ist
ein nicht üppig, sondern geschmackvoll dekorierter Tannenbaum aufgestellt,
unter dem geschmackvoll eingepackte Päckchen lagern. Vor dem geschmackvollen
Ensemble Wand-Baum-Geschenke hat sich die Familie malerisch gelagert, der Mann
zu einer 500 Franken-Jeans ein schickes weisses Hemd und (man will ja auch
Lässigkeit zeigen) einen Dreitagebart. Die Frau ist ein wenig edler gestylt,
Kleines Schwarzes und Perlenkette. Vor den glücklichen Eltern sind ihre
glücklichen Kinder zu sehen, das Mädchen im entzückenden weissen Kleidchen und
der Bub in einem roten Strickpulli.
Und jetzt,
nun, in diesem Moment, beim genaueren Hinsehen wird einem die Modernität, wird
einem die umwerfende Liberalität der Werbung bewusst. Nun, jetzt, beim exakten
Gucken und beim genauen Studium ahnt man die gesellschaftliche Umwälzung, in
der wir uns befinden, denn:
Der Bub ist
jünger als das Mädchen.
Bislang galt
nämlich bei allen Familiendarstellungen die Regel «Vater – Mutter (jünger als
Vater) – Knabe – Mädchen (jünger als Knabe)». Die Herstellung von zwei
Nachkommen, die beide Geschlechter abdecken und bei der der männliche Nachkomme
1-2 Jahre älter, ist wird als «Choix
du Roi» bezeichnet. Ein König musste nämlich schauen, dass er a) einen
Thronfolger hat und b) eine Tochter, die er an einen Regenten eines
Nachbarreiches, mit dem man gute und freundschaftliche Beziehungen wünschte,
verheiraten konnte.
Und nun
dies.
Ein Umbruch,
eine Revolution, eine fundamentale Neuerung, der Bub darf auch jünger als das
Mädchen sein.
Merken Sie,
wie viel emanzipatorisches Denken in einem solchen Weihnachtsplakat steckt?
Hier werden alte Regeln auf den Kopf gestellt, hier werden Gesetze gebrochen,
hier wird der Frau, hier wird dem weiblichen Geschlecht endlich zu seinem Recht
verholfen.
Nun gibt es
natürlich die Ewignörgler, gibt es die Dauermotzer, nun existieren die
Progressivspinner, denen das nicht weit genug geht. Jene Leute, die den Werten
einer christlich-abendländischen Kultur generell an den Kragen wollen.
Menschen, die es wagen, ganz frech die folgenden Fragen zu stellen:
Warum Vater
und Mutter und nicht zwei Männer oder zwei Frauen?
Warum
überhaupt zwei und nicht nur ein(e) Erwachsene(r)?
Warum gerade
zwei Kinder und warum eigene? Und nicht ein paar adoptierte, am besten noch
aussereuropäisch?
Das Stellen
solcher Fragen wird immer mit dem gleichen Sermon begründet, nämlich mit dem
Argument das die Viererfamilie mit Choix du Roi (oder umgedrehter Königswahl)
nicht mehr der gesellschaftlichen Realität entspreche.
Aber ich
bitte Sie!
Es geht doch
drum, eine glückliche Gemeinschaft unter dem Weihnachtsbaum darzustellen. Und
man muss ganz klar sagen, dass alle im letzten Jahrhundert aufgekommenen
Parallelformen keine glücklichen Gemeinschaften hervorgebracht haben.
Zwei Männer
können miteinander nicht glücklich werden, hier fehlt doch völlig das Sanfte,
das Liebliche, hier fehlt das Ewige, Ruhende und Seiende.
Zwei Frauen
können miteinander nicht glücklich werden, hier fehlt doch völlig das
Strebende, das Tuende, hier fehlt der Ehrgeiz, der Blick nach vorne, die Kraft.
Alleinerziehende
sind per se nicht glücklich.
Und mal ganz ehrlich: Wollen Sie wirklich ein Plakat angucken, auf dem zwei Schwuchteln sich mit gespreizten Fingern zuprosten? Wollen Sie ein Plakat, auf dem zwei Kampflesben sich Werkzeug und Motorradklamotten schenken? Wollen Sie einer unglücklichen, einsamen Frau mit ihrer verwahrlosten Brut zusehen? Wollen Sie schwarze oder gelbe Kinder unter dem Tannenbaum?
Ich nicht.
Nein, hören wir auf, immer das Verrückteste zu fordern. Freuen wir uns über die fortschrittliche und emanzipatorische Kraft, die in diesem Plakat liegt: Ein uraltes Gebot ist aufgehoben, ein Gesetz ist ausser Kraft, der Junge darf jünger, das Mädchen darf älter sein.
Das ist doch schon extrem viel.
In diesem Sinne: MERRY CHRISTMAS!!!!
Das ist doch schon extrem viel.
In diesem Sinne: MERRY CHRISTMAS!!!!
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