Dienstag, 14. Februar 2017

Kaputt geht immer leichter



Liebe Onliner, wir machen jetzt mal Studien, machen Sie mit?
Gut.

Studie 1
Kochen Sie also bitte eine Gemüsesuppe, ja, so einen richtigen Eintopf mit Sellerie, Zuchetti, mit Rüben und Kartoffeln, eine Suppe mit Paprika, Lauch und Zwiebeln.
Ganz wichtig: Stoppen Sie bitte die Zeit vom Rüsten bis zum Weichgekochtsein.
Notieren Sie diese.
Schütten Sie jetzt ein Pfund Salz in den Topf und rühren kräftig um.
Stoppen Sie auch hier die Zeit und schreiben Sie auf.
Vergleichen Sie die Zeiten.

Studie2
Schreiben Sie bitte einen Text, Sie sind frei ob fiktional oder nichtfiktional, frei im Inhalt oder der Aussage, Sie können eine Novelle mit Dingsymbol oder eine Kalendergeschichte verfassen, Sie können einen Essay oder eine Reportage machen, wichtig nur: 1 Seite, Schriftgrösse 11.
Ganz wichtig: Stoppen Sie bitte die Zeit vom ersten Anschlag bis zum Schlusswort. 
Notieren Sie diese.
Markieren Sie nun den Text und drücken auf «delete».
Stoppen Sie auch hier die Zeit und schreiben Sie auf.
Vergleichen Sie die Zeiten.

Studie 3
Bauen Sie wie in alten Kinderzeiten ein Bauwerk aus Holzklötzchen. Vielleicht den Eiffelturm. Oder das Weisse Haus. Oder auch die Verbotene Stadt, die Alhambra oder den Kölner Dom. Gut, wenn Sie wollen auch die Elbphilharmonie oder den Flughafen Berlin-Brandenburg.
Wieder ganz wichtig: Stoppen Sie bitte die Bauzeit. (Bei den beiden letztgenannten Bauwerken unendlich)
Notieren Sie diese.
Bringen Sie nun das Gebäude mit einem Handwischen zum Einsturz.
Stoppen Sie auch hier die Zeit und schreiben Sie auf.
Vergleichen Sie die Zeiten.

Machen Sie noch das Gleiche mit Papierfliegerfaltung und Zerknüllung, mit Holzbauen und Zerhacken, machen Sie es mit Buchen und Stornieren, mit Tonfiguren formen und Zermatschen und was Ihnen sonst noch so einfällt.

Und nun machen wir eine Metastudie:
In wie vielen Fällen ist die Zeit 2 grösser als die Zeit 1 und in wie vielen Fällen ist es umgekehrt? Ich könnte wetten, um viel Geld wetten, dass es in den meisten Fällen umgekehrt ist. Die Metastudie erbrächte dann also:
Konstruktive Vorgänge dauern länger als destruktive.

Jetzt könnten Sie mit Fug und Recht einwenden, dass dies ja eine Binsenweisheit sei, eine allgemeine Tatsache, ein Faktum, das jedem Kind schon klar sei, aber das ist bei Studien, bei Metastudien und Meta-Meta-Studien (die Auswertung von unzähligen Metastudien) ja immer so.
Wenn es aber eine Binsenweisheit ist, warum handelt dann die Welt zurzeit genau andersrum?

Nehmen Sie doch mal nur internationale Beziehungen.
Da haben sich die Staaten Zupristan und Yrkastan in einem 10jährigen, mühevollen Prozess an einander angenähert, was kein Kinderspiel war angesichts der drei blutigen Kriege, die die beiden Steppennationen 1911-1912, 1945-1950 und 1999-2003 gegen einander führten. Da sind erst einmal auf unterster Ebene Telefonate geführt worden, Briefe geschrieben, da gab es geheime Treffen, in denen zwischen Mittelbeamten erst einmal Vertrauen geschaffen wurde, da wurde 2010 die Visumpflicht abgeschafft und 2011 Botschafter eingesetzt, da gab es Erklärungen und Erlasse, gab es Ankündigungen und Postulate, da wurde der Boden für ein Treffen der Staatschef im Jahre 2016 bereitet, ein Treffen, das die keimende Freundschaft befördern und besiegeln sollte.
Sollte.
Sollte.
Sollte, den Hrman Gotschiyk, der Präsident von Zubristan, war bei seiner live übertragenen Neujahrsansprache noch so restalkoholisiert, dass er Yrkastan als «Schweinenest», die Yrkasen als «dumm, faul und hässlich» und Uminsch Oggsit, den Präsidenten von Yrkastan als «schwanzlosen Idioten» und «fettleibigen Wixer» bezeichnete. (Beleidigungen, die übrigens nicht nur fies, sondern auch eine Contradictio in adiecto sind.)
Sofort froren die Beziehungen wieder fest, die Botschafter wurden zurückbestellt, es wurde die Visumpflicht wieder eingeführt und auf beiden Seiten 35 neue Panzer geordert.

Konstruktive Vorgänge dauern länger als destruktive.
Warum denken dann aber ein Trump, ein Erdogan, warum denken ein Orban oder wer auch immer nicht daran? Internationale Beziehungen sind wie Glas, wie Seide, wie Papier, man läuft auf hauchdünnem Eis, auf schmalem Draht. Schnell kaputt, in vielen Jahren aufgebaut.
Mit dem Brexit, dem Frexit, dem Östrexit und dem Spexit, und was immer sonst noch so kommt, kriegt man die Gemeinschaft sehr schnell wieder kaputt, dann sind die Zölle wieder da und die Visa, dann zersplittert der Raum wieder in viele kleine Puzzleteile.
Würde es nicht etwas bringen, wenn man, bevor man alles kaputtmacht, sich überlegt, wie lange man für den Aufbau gebraucht hat?

Die Suppe ist schneller versalzen als gekocht, die Bauklötze sind schneller eingeschmissen wie aufgebaut, der Text ist schneller gelöscht als geschrieben und die Truhe schneller zerhackt als geleimt.
Weiss jedes Kind.
Warum sitzen dann überall in der Welt Menschen mit einem IQ von 30-40, mit einem Horizont von der Küche bis zum Klo, Menschen, die den Kopf nur haben, dass es in den Hals nicht reinregnet, Menschen, denen – wie Einstein sagte – auch ein Rückenmark genügt hätte, die diese Binsenweisheit nicht checken?





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