Liebe
Onliner, wir machen jetzt mal Studien, machen Sie mit?
Gut.
Studie 1
Kochen Sie
also bitte eine Gemüsesuppe, ja, so einen richtigen Eintopf mit Sellerie,
Zuchetti, mit Rüben und Kartoffeln, eine Suppe mit Paprika, Lauch und Zwiebeln.
Ganz
wichtig: Stoppen Sie bitte die Zeit vom Rüsten bis zum Weichgekochtsein.
Notieren Sie
diese.
Schütten Sie
jetzt ein Pfund Salz in den Topf und rühren kräftig um.
Stoppen Sie
auch hier die Zeit und schreiben Sie auf.
Vergleichen
Sie die Zeiten.
Studie2
Schreiben
Sie bitte einen Text, Sie sind frei ob fiktional oder nichtfiktional, frei im
Inhalt oder der Aussage, Sie können eine Novelle mit Dingsymbol oder eine
Kalendergeschichte verfassen, Sie können einen Essay oder eine Reportage
machen, wichtig nur: 1 Seite, Schriftgrösse 11.
Ganz
wichtig: Stoppen Sie bitte die Zeit vom ersten Anschlag bis zum
Schlusswort.
Notieren Sie
diese.
Markieren
Sie nun den Text und drücken auf «delete».
Stoppen Sie
auch hier die Zeit und schreiben Sie auf.
Vergleichen Sie
die Zeiten.
Studie 3
Bauen Sie
wie in alten Kinderzeiten ein Bauwerk aus Holzklötzchen. Vielleicht den
Eiffelturm. Oder das Weisse Haus. Oder auch die Verbotene Stadt, die Alhambra oder
den Kölner Dom. Gut, wenn Sie wollen auch die Elbphilharmonie oder den
Flughafen Berlin-Brandenburg.
Wieder ganz
wichtig: Stoppen Sie bitte die Bauzeit. (Bei den beiden letztgenannten
Bauwerken unendlich)
Notieren Sie
diese.
Bringen Sie
nun das Gebäude mit einem Handwischen zum Einsturz.
Stoppen Sie
auch hier die Zeit und schreiben Sie auf.
Vergleichen
Sie die Zeiten.
Machen Sie
noch das Gleiche mit Papierfliegerfaltung und Zerknüllung, mit Holzbauen und
Zerhacken, machen Sie es mit Buchen und Stornieren, mit Tonfiguren formen und
Zermatschen und was Ihnen sonst noch so einfällt.
Und nun machen
wir eine Metastudie:
In wie vielen
Fällen ist die Zeit 2 grösser als die Zeit 1 und in wie vielen Fällen ist es
umgekehrt? Ich könnte wetten, um viel Geld wetten, dass es in den meisten
Fällen umgekehrt ist. Die Metastudie erbrächte dann also:
Konstruktive
Vorgänge dauern länger als destruktive.
Jetzt
könnten Sie mit Fug und Recht einwenden, dass dies ja eine Binsenweisheit sei,
eine allgemeine Tatsache, ein Faktum, das jedem Kind schon klar sei, aber das
ist bei Studien, bei Metastudien und Meta-Meta-Studien (die Auswertung von unzähligen
Metastudien) ja immer so.
Wenn es aber
eine Binsenweisheit ist, warum handelt dann die Welt zurzeit genau andersrum?
Nehmen Sie
doch mal nur internationale Beziehungen.
Da haben
sich die Staaten Zupristan und Yrkastan in einem 10jährigen, mühevollen Prozess
an einander angenähert, was kein Kinderspiel war angesichts der drei blutigen
Kriege, die die beiden Steppennationen 1911-1912, 1945-1950 und 1999-2003 gegen einander führten. Da sind erst einmal auf unterster Ebene Telefonate geführt
worden, Briefe geschrieben, da gab es geheime Treffen, in denen zwischen
Mittelbeamten erst einmal Vertrauen geschaffen wurde, da wurde 2010 die
Visumpflicht abgeschafft und 2011 Botschafter eingesetzt, da gab es Erklärungen
und Erlasse, gab es Ankündigungen und Postulate, da wurde der Boden für ein
Treffen der Staatschef im Jahre 2016 bereitet, ein Treffen, das die keimende
Freundschaft befördern und besiegeln sollte.
Sollte.
Sollte.
Sollte, den
Hrman Gotschiyk, der Präsident von Zubristan, war bei seiner live übertragenen
Neujahrsansprache noch so restalkoholisiert, dass er Yrkastan als
«Schweinenest», die Yrkasen als «dumm, faul und hässlich» und Uminsch Oggsit,
den Präsidenten von Yrkastan als «schwanzlosen Idioten» und «fettleibigen
Wixer» bezeichnete. (Beleidigungen, die übrigens nicht nur fies, sondern auch
eine Contradictio in adiecto sind.)
Sofort
froren die Beziehungen wieder fest, die Botschafter wurden zurückbestellt, es
wurde die Visumpflicht wieder eingeführt und auf beiden Seiten 35 neue Panzer
geordert.
Konstruktive
Vorgänge dauern länger als destruktive.
Warum denken
dann aber ein Trump, ein Erdogan, warum denken ein Orban oder wer auch immer
nicht daran? Internationale Beziehungen sind wie Glas, wie Seide, wie Papier,
man läuft auf hauchdünnem Eis, auf schmalem Draht. Schnell kaputt, in vielen
Jahren aufgebaut.
Mit dem
Brexit, dem Frexit, dem Östrexit und dem Spexit, und was immer sonst noch so
kommt, kriegt man die Gemeinschaft sehr schnell wieder kaputt, dann sind die
Zölle wieder da und die Visa, dann zersplittert der Raum wieder in viele kleine
Puzzleteile.
Würde es
nicht etwas bringen, wenn man, bevor man alles kaputtmacht, sich überlegt, wie
lange man für den Aufbau gebraucht hat?
Die Suppe
ist schneller versalzen als gekocht, die Bauklötze sind schneller
eingeschmissen wie aufgebaut, der Text ist schneller gelöscht als geschrieben
und die Truhe schneller zerhackt als geleimt.
Weiss jedes
Kind.
Warum sitzen
dann überall in der Welt Menschen mit einem IQ von 30-40, mit einem Horizont
von der Küche bis zum Klo, Menschen, die den Kopf nur haben, dass es in den
Hals nicht reinregnet, Menschen, denen – wie Einstein sagte – auch ein
Rückenmark genügt hätte, die diese Binsenweisheit nicht checken?
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