Freitag, 12. August 2016

Wie fälsche ich meinen Lebenslauf?

Wie fälsche ich meinen Lebenslauf? Oder besser: Wie fälsche ich korrekt meinen Lebenslauf?
Diese Frage beschäftigt Bernd, der, nachdem er die letzten sechs Jahre vom Erbe seiner Tante in einem Quasi-Bohème-Status lebte und nun doch nach einer Arbeit sehen muss. Anders formuliert: Seit 2012 hat Bernie die 200.000.- durchgesoffen und durchgekifft und steht jetzt vor der folgenschweren Entscheidung Arbeit oder Untergang, wobei er doch Arbeit wählt. Wie fälsche ich nun korrekt, das ist ja eigentlich ein Widerspruch, meint aber, wie fälsche ich so, dass ich noch ungefähr im Legalen bleibe.
Bernd beginnt:
Geboren am 3.6.1986
Das ist einerseits unverfänglich, andererseits auch wahr. Und nachprüfbar, also sollte man hier nicht schwindeln. Ausserdem ist eine Geburt auch etwas Unverfängliches. Und für das Schreiben einer Vita unerlässlich, denn wer sollte sonst schreiben. Scribo ergo sum, frei nach Descartes.
Besuch der Grundschule und des Gymnasiums
Auch hier nichts einzuwenden, denn es wird ja einfach die physische Anwesenheit in einer Lehranstalt verlangt. Und die ist eh bis zum 9. Schuljahr gesetzlich vorgeschrieben. Psychische Anwesenheit, die Bernd nur in 10% der Fälle zeigte, steht in einem Curriculum nicht zur Diskussion.
Mitarbeit in der Schülerzeitung
Glatte Lüge. Aber einfach nicht nachprüfbar.
2004 Abitur
Über diesen heiklen Punkt hat Bernd lange nachgedacht. «Abitur» legt ja irgendwie nahe, dass in seiner Schublade ein Zettel mit der Hochschulreife liegt. Das tut er nämlich nicht, weil Bernie durchgefallen ist, das lag einerseits an den blöden Prüfungsfragen und andererseits an dem THC, das permanent in seinem Schädel schwirrte. Aber «Abitur» kann ja auch einfach die Examenszeit heissen, man sagt ja, in B-W ist gerade wieder «Abitur». Und an den Tests hat unser Held ja teilgenommen.
2004-2006 Weltreise
Das macht sich gut, das klingt nach Humboldt und Goethe und Darwin und anderen, es hat dazu noch den Vorteil wahr zu sein. Dass Bernie das zweite Jahr seines Globustripps (sic) in einem Nigerianischen Gefängnis wegen unerlaubten Drogenbesitzes zubrachte, ist geschenkt.
2006-2012: Studium in Göttingen (Germanistik, Philosophie, Geschichte, Religionswissenschaften, Italienisch und Theaterwissenschaften)
Beachtlich. Fakt ist, unser Guter war für alles einmal eingeschrieben, und mehr heisst Studium in einer Vita auch nicht.
Während des Studiums Freier Mitarbeiter beim NDR und am Stadttheater
Bernd könnte im Nachhinein seine Chefs küssen, dass sie ihm, der einerseits in der NDR-Kantine jobbte und am Theater Karten abriss, stets einen regulären Vertrag verweigerten. So kann er den «Freien Mitarbeiter» ohne Zögern hinkritzeln.
2006 Master
Das wäre jetzt wirklich zu dreist, denn in keinem seiner Fächer hat Bernd je an irgendeiner Prüfung teilgenommen.
seit 2012 freischaffender Autor und Essayist, diverse Veröffentlichungen, 2008 «Meditazioni filosofici» in der Editione Garibaldi, L’Aquila
Sehr, sehr euphemistisch. Da er 2012 die 200.000.- erbte, hat er eigentlich nichts gemacht, ausser kiffen und saufen. Aber man kann ja das «frei» bei «freischaffend» etwas mehr betonen als das «schaffend», weil dort ja das Verb «schaffen=arbeiten» drinsteckt, und gearbeitet hat Bernie nun wirklich nicht wirklich. Veröffentlichungen? Er hat sich nun doch genügend mit z.B. Habermas beschäftigt, um einem Kritiker den Begriff der Öffentlichkeit heftig um die Ohren zu hauen. Denn eigentlich ist es schon eine Art der «Veröffentlichung» etwas in einer Kneipe herumzubrüllen, und das hat Bernd, 40% seiner Zeit betrunken, oft getan. Und natürlich hat er ständig in Facebook gepostet, das ist ja inzwischen durchaus Literatur, immerhin HAT eine Wienerin mit gesammelten Posts den Publikumspreis beim Bachmann-Wettbewerb eingeheimst.
Das mit dem Buch ist ein genialer Trick! Natürlich gab es weder Buch noch Verlag, aber wer sich wundert, dass er nix findet, kommt natürlich bald drauf, dass da 2009 ja in den Abruzzen etwas war: Das Erdbeben! Alles kaputt! Alles im Schutt, Verlag und alle restlichen Bände des Werkes…
Bernd sitz nun sehr zufrieden über seinem Curriculum.
Das ist alles schon sehr beachtlich. Vielleicht wäre er in einem Theaterbetrieb, in einem Verlag oder beim Funk gar nicht richtig. Er sollte in die Politik. Genau! Das ist es! Sein Geld langt noch ein Jahr, bis dahin also Partei suchen und ab in Bundestag.
Zufrieden lehnt sich Bernie zurück und zündet sich einen Joint an. 
Um dann später den «Master» noch hinzuschreiben, denn in Berlin nimmt man es nicht so genau, ob ein Abschluss auch wirklich erfolgte, da sitzen Hinz und Kunz und behaupten, sie seien Akademiker.









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