Dienstag, 2. August 2016

England-Tripp 2: Das Gewöhnungsbedürftige

Zu den Dingen, die nicht wirklich toll sind, an die man sich aber in England gewöhnt, gehören das Essen, der Verkehr und die Sauberkeit, und über diese drei will ich heute ein wenig plaudern.

Es ist ein Ammenmärchen, dass in England alles gekocht wird, ein Ammenmärchen, das wir vor allem durch die Asterix-Comics eingetrichtert bekommen haben («Wildschwein gekocht mit Minzsauce!!!»), aber man darf nicht vergessen, dass diese Bildergeschichten von Franzosen gestaltet wurden. In den East Midlands jedenfalls wird nur das Gemüse matschig gekocht, das Fleisch – und es gibt immer und viel Fleisch – wird gebraten, in Fett, Öl und Butter, sodass einem manchmal die City von Nott’m (so sagen die da) wie eine einzige grosse Bratpfanne vorkommt. Es ist erstaunlich, wie die Einheimischen damit umgehen können, aber einfach zu erklären: Bis 30 geht man ins Fitness-Studio, wie an den 100000 Muskelbergen, die einem entgegenlaufen, zu sehen ist, die meisten davon allover-tätowiert, ab 30 wird man dann fett, auch deutlich an jeder Strassenecke zu sehen. Wie ernährt man sich also richtig in diesen Gefilden? Ja, es ist möglich, und ich muss sagen, dass ich die Woche gut gegessen und mich gut ernährt habe.

Das «English Breakfast» ist ein Muss, vor allem – ich bin Schwabe – wenn es im Übernachtungspreis inbegriffen ist. Also schlägt man sich um 8.30 den Bauch mit Spiegelei, Speck, Bratkartoffeln und (das Beste vom Besten, und das meine ich ernst) Baked Beans voll und hat erst mal gegessen. Das Vorteil an diesem Z’Morge ist, dass das Fett und das Öl und die Butter noch frisch sind, gewechselt werden sie nämlich nur einmal am Tag. Zum Lunch gibt es ein Sandwich, das können sie, das ist in England erfunden und man ist quasi im «Mutterland des Belegten Brotes». Hindern muss man den Gastronomen nur daran, einem Fritten oder Chips dazuzulegen, darf er beides nicht hinzufügen, macht er eine Salatgarnitur. Zur Zwischenmahlzeit isst man Obst vom Markt  (zum Z’Vieri für die Schweizer) die Teezeit lässt ein Kaffeetrinker wie ich aus, dies aber sei übrigens nebenbei bemerkt: Es gibt überall inzwischen einen hervorragenden Espresso, wer hätte das vor 30 Jahren gedacht. Nun kommt das Schwierigste, das Abendessen; zu warnen ist jetzt vor jedem Fleisch-Hauptgang, wenn Sie z.B. ein «Hunter Chicken» bestellen, dann bekommen Sie ein in Speck eingemummtes Hühnchen, in dick Fett, Öl oder Butter gebraten, serviert mit ebenso triefenden Pommes, abgesehen davon, dass Öl, Fett oder Butter inzwischen 15 Stunden alt sind. Ordern Sie daher einen Salat mit Hühnchen, dann und nur dann ist das Federvieh nämlich grilliert, und man serviert Ihnen einen deliziösen Teller mit diversen Wildsalaten, Beeren, Tomaten, Croutons und Chicken, dass selbiges am Spiesschen ist und noch zerteilt werden muss, ist eine lokale Spinnerei, aber Nebensache. Sie haben nun so wenig Kalorien eingeworfen, dass zuhause noch ein paar Schlummer-Chocolate-Chips-Cookies und ein Glas Rotwein gehen…

Als ich East Midland Airport ankam, stand da sofort ein Bus bereit, der SKYLINK, der einen für 5 Pfund zur Nott’m Bus Station brachte und den ich natürlich auch sofort bestieg. Er stand in einer Haltebucht, also konnte man nichts falsch machen, das war übrigens der mit dem British-Humour-Driver. Von der Busstation nahm ich mir ein Taxi und checkte im «Stage Hotel» ein. Nach dem Einräumen und einer Dusche wollte ich nun doch das örtliche Bussystem erkunden und begab mich zur 200 Meter entfernten Bushaltestelle. Ich erinnerte mich kurz, wo die City liegt und stellte mich hin und dann passierte das, was immer auf der Insel passiert, der Bus Richtung Innenstadt fuhr auf der anderen Seite vorbei, scheinbar grinsend, aber wahrscheinlich schien mir das nur so, denn Busse grinsen nicht. Meine Ortskenntnis war richtig gewesen, aber ich hatte den Linksverkehr vergessen. Gut, wenn man nicht völlig doof ist, gewöhnt man sich daran und macht diesen Ich-stehe-an-der-falschen-Halteseite-Trick nur einmal. «We drive on the right side and you on the left side.» Dies sagte ich vor 35 Jahren zu einem Briten, der süffisant replizierte: «We are driving on the right side and you on the wrong side.» Alles ist also so, wie man es kennt. Das Überqueren von Strassen allerdings braucht Training, hier muss man sich stets das Kindergartenverslein verkehrt herum aufsagen:
Schau rechts
Schau links
Schau geradeaus
Dann kommst du sicher stets nach Haus.
Würde man von einem Auto, das unerwartet aus der falschen (also für das Motorfahrzeug aus der richtigen) Richtung auf die Hörner genommen und quer über den Kühler auf die Strasse geschleudert, bekäme man in England zwar eine kostenlose Spitalbehandlung, aber ausprobieren muss man das sicher nicht.

Zum letzten Punkt ist zu sagen, dass das Hotel, die Toiletten in den Pubs, dass die Züge und die Bahnsteige nicht wirklich sauber waren. Allerdings: Wenn man in der Schweiz wohnt, liegen die Massstäbe sehr, sehr hoch. Ein Eidgenosse kann überall auf der Welt entweder nonchalant die Schultern zucken und diverse Flusen und Flecken einfach übersehen oder sich die Ferien dadurch versauen, dass er stets «Hier muss mal eine Grundreinigung her» seufzt. Ich tendiere immer – obwohl (noch) kein Eidgenosse – zur ersten Möglichkeit. Mein Hotelzimmer wurde eigentlich nie richtig geputzt, ich frug mich jeden Tag, was die vier russischen Zimmermädchen, die um 9.00 begannen und um 16.00 aufhörten, eigentlich den ganzen Tag machten, putzen war es nicht, es waren 40 Zimmer. Aber wie gesagt, wenn man in der Schweiz wohnt…

So, jetzt habe ich ein wenig über die Dinge geplaudert, die gewöhnungsbedürftig, aber OK waren. Und zusammen mit den Sachen vom Freitag ergeben sie ein Bild, das mein Urteil von neulich revidiert:
Schade, Tommies, dass ihr geht! Wir werden euch vermissen.  

Am Freitag kommt noch ein Post mit einer Warnung.



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