Freitag, 29. Juli 2016

England-Tripp 1: Das Positive

Nein, der Titel ist kein Schreibfehler. Wenn wir schon englische Lehnwörter auf -p mit Doppel-P schreiben, dann doch bitte konsequent, und kommen Sie mir nicht damit, dass «Stopp» von «stoppen» käme, das ist nämlich umgekehrt. Also schreibe ich ab jetzt mit hämischem Vergnügen «Tripp».

Aber ich wollte Ihnen eben von meinem Tripp nach England erzählen: Ich war eine Woche in Nottingham, das ist ein idealer Ausgangspunkt für Touren durch die East Midlands und eine tolle Stadt. Und wenn Sie sich jetzt überlegen, woher Sie den Namen kennen, genau, Robin Hood, der begegnet Ihnen dort auf Schritt und Tritt, allerdings ist die Stadt ein wenig grösser, als Sie sie vom Kevin Kostner-Film kennen, genauer gesagt ca. 300.000 Einwohner.

Was ich in den East Midlands gesucht habe? Nein, ich wollte nicht den Brexit live erleben, da war nichts zu spüren, allerdings kann ich jetzt die Leute da ein wenig besser verstehen. Da ist nämlich schon einiges im Argen, man spürt, dass es vielen Leuten finanziell nicht gut geht und wenn dann jemand kommt und schreit «Raus aus der EU» dann glauben das einfach viele. Vielleicht wird sich die Region auch gerade deshalb aufrappeln. Das ist so, wie wenn Sie Schmerzen im Knie haben und keiner findet raus, warum und Ihnen fällt ein Buch in die Hand, in dem klar dargelegt wird, dass man immer auf Nahrung verzichten muss, die mit dem gleichen Buchstaben wie das schmerzende Körperteil anfängt. Und dann essen Sie kein Kaninchen, keine Karotten und Kastanien, keinen Käse, Kefir und Kebab mehr und – es geht Ihnen besser. Placebo-Effekt nennt man das. Oder es geht Ihnen nicht besser. Dann hat der Placebo-Effekt versagt.
Warten wir also ab, eventuell bekommen die East Midlands einen ganz neuen Schwung.

Merken Sie, dass mein Ton über England ganz anders ist als noch vor ein paar Posts? Nun ja, ich habe da sehr böse Sachen geschrieben und muss nun doch ein wenig zurückrudern. Ja, viele Dinge waren dort faszinierend gut und einige nicht so schlecht, wie man sagt. Lassen Sie mich also zunächst ein wenig über die von mir entdeckten Qualitäten plaudern.

Erstens
Ich habe in der Woche, in der ich dort weilte, keinen einzigen schlechten Strassenmusiker, keine einzige schlechte Strassenmusikerin gesehen und gehört. In Leicester (sprich: Lester), wo ich eigentlich den Grafen treffen wollte, der natürlich wieder einmal zu Schiff nach Frankreich war und sich entschuldigen liess, stand ich eine halbe Stunde bei einer Sängerin, der selbst Bohlen um den Hals fallen würde, sie hatte Stimme, Charme, Feeling und eine unglaublich gute Laune, und die Art, wie sie während des Playback-Intros noch eine Kippe drehte, das hatte einfach Stil. Als sie dann «Jammin'» anstimmte, zuckte ich zusammen, denn neben mir standen echte Rastas, die aber sofort begeistert waren, alles mitsangen, tanzten und applaudierten, selbst wenn man abzieht, dass stoned alles ein wenig besser klingt, will das doch etwas heissen.
Sie finden das mit den «buskers», wie sie auf Englisch heissen, nichts Besonderes? Dann laufen Sie doch mal durch Basel oder Freiburg und hören sich den Mist an. Keine(r) von denen kann singen, keine(r) einen Rhythmus halten und die Knöpfe an ihrer Gitarre halten sie offensichtlich für reine Dekoration. Viele gehen wahrscheinlich nach mehreren Morddrohungen der Nachbarn einfach zum Üben auf die Strasse. Da ist eine Woche gute Streetmusic doch etwas Tolles.

Zweitens
Der Britische Humor ist ja sprichwörtlich, ihn aber immer wieder direkt zu erleben, ist etwas Spannendes. Ja, die Engländer sind witzig, aber auf einen ganz eigene, skurrile Weise, immer ein wenig um drei Ecken, immer an der Grenze des Blödelns, manchmal makaber und manchmal für Kontinentler einfach nicht zu begreifen.
«Haben Sie keinen 5 Pfund-Schein?», fragt mich der Busfahrer vom East Midland Airport nach Nottingham City und als ich verneine, bricht er in schallendes Gelächter aus. «Es gibt doch gar keinen, kann jemand dem jungen Mann (sic! sic!) mal erklären, dass es keine 5er-Note gibt?» Nun, das ist so ein Joke, den ich auch gelegentlich mache, á la «hab grad keine 3 Franken-Münze», aber es kommt nun noch besser, denn der nächste Fahrgast zahlt mit einem Fünfpfundschein. Schräg, nicht?
Zwei Minuten später steigt eine Mutter mit Tochter ein. «Wie alt bist du?», fragt der Driver. «Zehn», sagt sie. Worauf der Driver erwidert: «Falsch, man erwartet von dir, dass du «unter 5» sagst, dann wäre die Fahrt nämlich gratis. Der Fahrer stellt die Frage also noch einmal und bekommt die gleiche Antwort, die junge Dame ist einfach zu ehrlich…
Ebenso unmöglich wäre bei uns das folgende Schild an einem Kaffee&Gebäck-Stand: Unsere Johannisbeeren haben nichts Schlimmes getan, dennoch haben wir sie zwei Stunden lang bei grösster Hitze kleingekocht. In der Schweiz würde jedem und jeder die Lust auf dieses Gebäck vergehen, wenn man es boschesk mit Hitze und Qual assoziiert. An diesem Stand waren die Beeren-Schnecken schon lange ausverkauft.

Drittens
Ich habe in Newstead Abbey, dem Wohnsitz von Lord Byron, ein Palace mit Park und Wald, der so (Klischee-)britisch war, dass einem das Herz aufging, Museumswächter(innen) erlebt, die eine Ahnung hatten, sie konnten fast den kompletten «Harold» aufsagen, wussten die Schuhgrösse von allen Affären des jungen Wilden (waren viele!) und kannten jedes Möbelstück im Haus (auch viele!). Bei uns rennen die Wächter bei einer Frage entweder zum Schild und lesen einem vor, oder sie empfehlen einem den Museumskatalog. Modernerweise googeln sie auch, als ob man selbst dazu zu blöd wäre.

So viel für heute mit den wonderful things, am Dienstag geht es um die acceptable. 




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