Freitag, 8. Juli 2016

Brexit I: Wir lassen euch ziehen

Der Brexit ist also da. Gut, lassen wir die Engländer ziehen, ohne sie wird eh alles besser. Waren sie nicht stets die Querulanten, die sich mehr um sich sorgten als um den Rest der Gemeinschaft? Wie oft haben sie Beschlüsse torpediert, weil die Insel anders wollte als das Festland! Nein, ohne sie wird es leichter, es wird überall rechts gefahren, das Niveau des Essens in der EU steigt schlagartig und das Niveau des Fussballs auch, das mag Ihnen jetzt komisch vorkommen, aber wer sich von einem Land besiegen lässt, das genauso viele potentielle Stürmer, Verteidiger und Torwarte wie Mannheim hat, na ja…
Nein, lassen wir die Engländer gehen, wobei die Betonung auf Engländer liegt, die Schotten und die Iren wollen ja dabeibleiben, das wird auch noch ein grosser Spass das alles.

Eigentlich sollten jetzt alle gehen dürfen, die gehen wollen, machen wir das doch in einem Aufwasch. Und wenn z.B. Portugal oder Italien oder Dänemark auch nicht mehr will, dann sagen wir einfach Tschüss und machen weiter, Kandidaten hat es genug. Dann sind halt die Ukraine, Belorussland und Syrien in der EU und Holland oder Belgien nicht, was soll’s.
Lassen wir die Unwilligen ziehen.

Dennoch stellt sich die Frage, warum auf einmal alle gehen wollen, ich erfinde das ja nicht, Wilders und Le Pen und die AFD sitzen ja schon in den Startlöchern. Die Antwort ist so einfach wie die Frage schwierig ist: Die EU hat ein Imageproblem. Und zwar ein Imageproblem von einem Ausmass, das ungefähr mit dem Abstand Marianengraben – Mount Everest beschrieben werden kann. Es ist riesig, es ist überdimensional, es ist gewaltig und wuchtig, es ist ellenlang und tonnenschwer. Sollte es in Brüssel eine PR-Abteilung geben, dann sollte sie geschlossen in die Frühpension ziehen und auf den Kapverden Strandliegen vermieten. Oder in Grönland Robben jagen. Diese Menschen haben so versagt, wie die Englische Elf.

Machen wir doch mal einen kleinen Test. Ich sage Ihnen einen Satz und Sie sagen mir, wie der auf Sie wirkt:
Die Region Molise gab bekannt, dass ab 1.10.2016 es nicht mehr gestattet sein wird, Gemüse auf Häuserwände zu werfen. Damit setze man eine EU-Richtlinie von 2015 um.
So.
Spüren Sie mal in sich hinein.
Gell, irgendwo in Ihnen brodelt es? Scheiss-EU, denken Sie, ständig müssen die uns dreinreden, ständig alles verbieten, wenn ich das Wort «EU-Richtlinie» schon höre, dreht sich mir der Magen um. Dabei müssten wir doch andersherum denken. Die Richtlinie ist ja überaus sinnvoll, weil man erstens nicht mit Nahrungsmittel schmeissen sollte und weil man zweitens auch keine Hauswände beschmutzt. Unsere Gedanken müssten, wenn irgendeine Logik dahinter wäre, Anti-Molise und nicht Anti-EU sein, denn dass irgendwo an der Italienischen Ostküste das Bewerfen von Fassaden mit Zuchetti, Pomodori, mit Melanzane und Funghi  erlaubt ist, ist ja höchst pervers.
(Bevor Sie jetzt sofort einen Flug nach Campobasso buchen: Das Exempel ist fiktiv!)

Wir sehen also, dass auch durchaus sinnvolle Richtlinien, Normen und Gesetze, die aus Brüssel kommen, erst einmal mit Grübeln und Stirnrunzeln aufgenommen werden.
Natürlich gibt es da diese Dokumente, in denen seitenlang beschrieben wird, wie lang eine Gurke, wie krumm eine Banane und wie süss eine Erdbeere sein darf. Aber mal ganz ehrlich: Ist das nicht eher ein Armutszeugnis für die Märkte als für die EU? Wenn die EU in einer Richtlinie formuliert
Milchreis enthält die Anteile Milch und Reis
Dann doch nur deshalb, weil es Leute gibt, die eben Milchreis verkaufen, der seinen Namen nicht ganz zu Recht trägt. Für Firmen, die aus getrockneten Maden, Wasser, aus den Farbstoffen F567, F2346 und aus diversen künstlichen Aromen einen Sudel zusammenbrauen, der den Namen Milchreis nie im Leben verdient, muss man eben sagen, dass getrocknete Maden kein Reis und weisses Wasser keine Milch ist.

Bei der Personalität haben unsere PR-Leute, die auf die Kapverden, Grönland oder dahin, wo der Pfeffer wächst, gehören, nun auch völlig versagt. Die Politiker in Brüssel sind eine anonyme Masse geblieben. Stimmt nicht? Dann sagen Sie mir doch mal, wie Frau Mogherini aussieht. Ich weiss es nämlich nicht. Ist sie blond, brünett, schwarz oder rothaarig, gross oder klein, trägt sie eher Birkenstock oder Pumps und welche Kleidergrösse? Das Gleiche könnte man von Juncker fragen. Gut, er ist sicher dem Namen nach eher gross, grauharig und trägt Anzüge und Krawatten, aber ein Gesicht, ein Antlitz, Augen, einen Mund, eine Nase habe ich auch hier nicht im Kopf.
Warum kann die PR-Truppe nicht mal ein nettes Familienbild machen und das in die Zeitungen setzen? EU-Prominenz beim Picknick. Oder nett um den Sitzungstisch gruppiert. Oder beim Zugfahren. Oder beim Sonnenbaden. Was weiss ich, ich bin ja kein PRler, aber die sollten doch ein wenig Phantasie haben.
Vielleicht sollten die Damen und Herren auch eine Tournee machen und sich in den Mitgliedsländern mal vorstellen. So nach dem Motto: «EU-Bürger fragen – EU-Politiker antworten», wäre doch auch ganz nett.

Der Brexit ist also da. Über Nacht ist die Union nicht mehr das, was sie einmal war. Und, wie gesagt, wir trauern schlechtem Essen, schlechtem Wetter, schlechtem Fussball, Verkehr auf der falschen Seite, einem veralteten Rechtssystem und einem überalterten Staatsoberhaupt nicht nach. Aber wenn die EU bleiben soll, muss sie ihr Image aufpolieren. Mit Klarstellungen, Persönlichkeiten und einem netten Slogan:
DU BIST EU.


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