Der Deutsche
spaltet gerne. Er spaltet Holz und Schädel, er spaltet Haare und Vereine. Im
Süden hatte das früher übrigens einen ganz praktischen Grund, der Hof wurde
nicht dem Ältesten vererbt, sondern zwischen den Söhnen (Töchter wurden
verheiratet) aufgeteilt, weshalb jeder Kataster aussah wie eine
Patchworkdecke. Man spaltete aber nicht nur Land, die Spaltung der beiden
grossen Kirchen geschah auf deutschem Boden und ein Bonner brachte die
Abspaltung von Melodieteilen, die motivisch-thematische Arbeit zur Perfektion
(gelernt hatte er sie bei seinem österreichischen Lehrer). Und wer hat die
Kernspaltung entwickelt? Na sehen Sie.
Legendär ist
die Spalterei bei den Linken in den Jahren 1968-1972. In den wilden Zeiten
hatte ein junger Rebell in Berlin die Auswahl von gefühlten 1000
Splittergruppen, und dabei sind die nichtpolitischen Gemeinschaften wie die
«Umherschweifenden Haschrebellen» gar nicht mitgezählt. Es gab Marxisten, Leninisten,
Trotzkisten, Stalinisten, Maoisten, es gab kommunistische, sozialistische,
anarchistische und hippieistische Gruppen, alle von sich endlos überzeugt –
sehen Sie die Parallele zum WAHREN EVANGELIUM? – und untereinander spinnefeind.
Natürlich waren in keiner der Gruppen Arbeiter, für die kämpfte man zwar, sie
hätten bei der Diskussion über den Unterschied des orthodox-maoistischen und
des liberal-leninistischen Gedankengutes nur gestört.
Wecker
dichtete damals:Alle lieg’n sie richtig / Alle ham sie recht
Jeder hat’s erfunden / Jeder liebt Bert Brecht
Jeder liebt auch Heine / Und wie schon betont:
Alle lieg’n sie richtig / Keiner wird verschont
um nach dem letzten Singen dieses Refrains anzufügen:
Und mein Onkel lacht sich eins, denn das weiss auch er:
Gegen diese Linke hat er es nicht schwer.
Scheisse.
Der Deutsche
spaltet gerne. Und besonders bald kommt die Spaltung, wenn sich eine Kirche,
Partei, eine Gruppe oder Gruppierung als «Sammelbecken» bezeichnet. Das ist
auch logisch, denn ein solches Becken sammelt ja Leute, die eigentlich völlig
verschieden ticken, aber sich an einem Punkt getroffen haben. Nach dem Motto:
Heute sehen wir erst einmal das Gemeinsame, die Unterschiede kommen morgen
dran.
Und wie sie dann drankommen!
Nun beginnt
ja der Prozess bei der AfD, diesem Sammelbecken für Volksdeutsche,
Unzufriedene, für Nationalisten und Rechtskonservative, aber leider auch für
Ex-Nazis, Holocaustleugner und Judenhasser, für Rassisten und Populisten, für
Protestwähler und Protestgewählte. Und wie in jedem Sammelbecken ist man nun im
Morgen angekommen. Und stellt nun fest, dass man sich in einigen Fragen doch
ein wenig uneins ist: Soll man nur die Grenzen verriegeln? Oder alle Ausländer
heimschicken? Oder alle gleich umbringen? Sind wir wieder stolz, Deutsche zu
sein, obwohl es Auschwitz gab? Oder sind wir stolz Deutsche zu sein, weil es
Auschwitz NICHT gab? Wie braun wollen wir sein? Eher so beige oder richtig
schwarzbraun wie die Haselnuss? So hässlichbraun? Kackbraun?
Die erste
Spaltung ist schon da: Nach guter religiöser Tradition hat sich die Fraktion im
Stuttgarter Schwarzquader (ich meine im Landtag) in zwei Teile gespalten, die
Alternative für Deutschland und die Alternative für Baden-Württemberg. Es
werden nun schon Wetten abgeschlossen, ob bald die Alternative für Baden und
die Alternative für Württemberg entstehen. Ganz grosse Parteipessimisten sehen
sogar in Zukunft die Alternative für Nordbaden, die Alternative für Südbaden,
die Alternative für Nordwürttemberg und die Alternative für Südwürttemberg-Hohenzollern.
(Sie sehen übrigens auch an der ständigen Nennung der Uraltfürstentümer wie
Hohenzollern, Nassau, Anhalt und Lippe, was für ein Spaltkopf der deutsche
Michel ist…)
Der Deutsche
spaltet gerne.
Und dieses
Mal, nur dieses Mal frohlocke ich. Denn was kann die AfD uns Besseres
bescheren, als sich selbst kaputtzumachen? Sich selbst aufzulösen? Sich solange
zu entzweien, bis jeder Splitter die Grösse erreicht hat, bei der man sich
einig ist, nämlich die Einzelperson?Und so singen wir fröhlich:
Alle lieg’n sie richtig / Alle sind das Volk
Jeder hat’s erfunden / Jeder will Erfolg
Jeder will auch Wähler / Und wie schon betont:
Alle lieg’n sie richtig / Keiner wird verschont
Und mein Neffe lacht sich eins, denn das weiss auch er:
Gegen diese Rechte hat er es nicht schwer.
Halleluja!
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