Im letzten der Posts, die eine Frucht
meiner Englandreise darstellen, möchte ich eine klare, eindeutige und scharfe
Warnung aussprechen. Und diese klare, scharfe und eindeutige Warnung lautet:
Lassen Sie die Finger von Englischer Geschichte!
Ich war, wie ich berichtete, in
Leicester und habe dort eine Weile andächtig am Grabe König Richards des
Dritten gestanden. Da ich – trotz manches Shakespeare-Abends – immer noch zu
wenig Ahnung von dieser Zeit habe, fing ich im Hotel an zu googeln und wurde
auch bei Wikipedia fündig. Allerdings machte mein armes Gehirn irgendwann
solche Bocksprünge, solche Wendungen, solche Ruckungen, Zuckungen und
Kapriolen, dass ich es schnell wieder aufgab.
Hier eine kleine Kostprobe:
Richard
wurde auf Schloss Fotheringhay als jüngster von acht Söhnen
(von denen vier überlebten) des Richard Plantagenet, 3. Duke
of York, und dessen Gemahlin Cecily
Neville geboren. Als Angehöriger der seit 300 Jahren regierenden Dynastie
Plantagenet hatte sein Vater gewichtige Ansprüche auf den englischen Thron, den
zu dieser Zeit König Heinrich VI. aus dem Haus Lancaster, einer anderen Linie des
Hauses Plantagenet, innehatte.
Richards
Vater und sein älterer Bruder Edmund, Earl of Rutland, fielen während der
Rosenkriege in der Schlacht von Wakefield, als er noch ein Junge war.
Richard wurde der Obhut Richard Nevilles, des Earl of
Warwick, unterstellt. Warwick gilt in der englischen Geschichtsschreibung als
„Königsmacher“, da er erheblichen Einfluss auf den Fortgang der Rosenkriege
ausübte. Er half 1461, Heinrich VI. zu stürzen und ihn durch Richards ältesten
Bruder Eduard IV. zu ersetzen.
Während
Eduards Herrschaft bewies Richard als Duke of Gloucester seine Loyalität. Vor allem in
der Spätphase der Rosenkriege zeigte er große Fähigkeiten als Heerführer. Als
Heinrich VI. kurzzeitig wieder auf den Thron gelangte, floh Richard im Oktober
1470 gemeinsam mit Eduard ins Exil nach Brügge in Flandern. Der mittlere Bruder der
beiden, George Plantagenet, 1. Duke of
Clarence, verbündete sich dagegen mit Warwick, der inzwischen auf die Seite der
Lancasters gewechselt war. Am 14. März 1471 kehrte Richard im Gefolge Eduards
IV. nach England zurück. Beim Marsch auf London trafen sie sich mit Clarence,
der Eduards Vergebung fand und sich wieder dem Haus York anschloss. Kurz darauf
schlug Eduard das Haus Lancaster endgültig. Der gefangene und geistig labile
Heinrich VI. wurde ermordet.
Sofort
begannen neue Auseinandersetzungen, diesmal zwischen den Brüdern George von
Clarence und Richard von Gloucester…
Haben Sie noch irgendetwas behalten? Nein, gell?
Ist auch nicht möglich. Bitte denken Sie jetzt nicht, dass es einfacher wäre,
wenn Sie (wie bei der echten Wiki) auf die unterstrichenen Wörter klicken
könnten (im Netz sind sie blau). Denn jeder Klick bringt Sie wieder auf einen
ähnlichen Artikel, wieder mit 100 Namen von Dukes, Earls und Kings, wieder mit
irgendwelchen Cester-Orten und Shire-Landschaften und Sie kommen aus dem
Labyrinth nie mehr raus. Wie eine Schlingpflanze verzweigt sich das Ganze bis
zur Besinnungslosigkeit.
Die Geschichte Englands ist so unglaublich
unbegreifbar, weil sie scheinbar so geradlinig ist. Auf der Insel gab es keinen
Dreißigjährigen Krieg, Bonaparte teilte hier keine Länder neu ein, die Briten
waren nie besetzt und immer Monarchie. Ja, seit dem 10. Jahrhundert reiht sich
Königin und König an Königin und König, reiht sich Königshaus an Königshaus.
Scheinbar.
In Wirklichkeit sieht es nämlich ganz anders
aus. Da reiht sich nicht House of X an House of Y, da sind die beiden die liebe
lange Zeit irgendwie beide da, bekämpfen sich, bekriegen sich, meucheln, töten,
killen die jeweiligen Kontrahenten, da werden Gifte gemischt und Schwerter
gewetzt, da werden Kanonen bekugelt und Schiesspülver (sic) zubereitet, dass es nur
so eine Freude ist. Da gibt es nicht EINE Amtszeit von König Z dem Fünften, da
fängt er mal so an und wird dann abgesetzt und erobert wieder den Thron und
wird dann wieder mal verbannt und kommt ein drittes Mal an die Macht, und jetzt
haben die Andershausigen genug und schlagen ihm diesmal den Kopf ab.
Nicht zuletzt war König Richard III der letzte
Monarch, der in der Schlacht starb. Und denken Sie bitte nicht, die anderen
seien im Bett gestorben. Gab es auch, durchaus, aber die normalen Ursachen für
das Ableben eines Kings waren Dolch, Gift und Kopfkissen.
Die Geschichte Englands ist eine immerwährende
Tatort-Folge, ein permanentes „Aktenzeichen XY ungelöst“.
Also lassen Sie die Finger davon.
Wirklich!
Ich kann Sie nur warnen.
Sie googlen sonst ihre ganzen Ferien in London,
Nott’m oder York und haben nichts behalten. Ausser dem Gefühl, dass der
Englische Adel immer nur am Meucheln war.
Was ja auch stimmt.
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