Donnerstag, 12. November 2015

Herbstreise VI: Das Fazit ist ein I-Ging

Es ist immer schwierig, eine längere Textreihe zusammenzufassen, aber ich möchte das dennoch heute probieren, also lassen Sie uns doch jedem Post einen Satz zuordnen und sehen, was sich ergibt:

HERBSTREISE
Tücher können verloren gehen. Auf Gepäck muss man achten. Nonnen haben ein Recht auf Aussicht. Vieles ist doppelt auszusagen. Belege sind zu gross. Alte Gasthöfe sind besser als neue.

Aber…
Das ist ja ein…
Ich bin völlig begeistert.
Jetzt müssen wir nur ein Stäbchen-Muster erfinden und das Ganze anders schreiben, dann haben wir:
Ein I-Ging!

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HERBSTREISE
Tücher können verloren gehen. Auf Gepäck muss man achten. Nonnen haben ein Recht auf Aussicht. Vieles ist doppelt auszusagen. Belege sind zu gross. Alte Gasthöfe sind besser als neue.

Ich weiss gar nicht, ob die Anzahl der komischen Striche stimmt, ich weiss auch nicht, ob man überhaupt ein neues I-Ging erfinden darf, aber ich finde es grossartig.

Sie nicht? Sie halten I-Ging für Quatsch? Sie halten womöglich auch Pendeln und Tarot für Unsinn?
Nun lassen Sie mich mal ganz klar sagen: Alle diese Techniken sind die besten Erfindungen.
Und zwar nicht, weil da irgendeine kosmische Macht am Werk ist oder die Götter des Hindu-, Shinto-, Buddh- oder Konfuzianismus mitspielen. Sondern weil die Zeit, in der Sie das Pendeln pendeln lassen oder die Stäbchen oder Münzen werfen oder die Karten vor sich auf den Tisch legen und betrachten, eine Zeit des Zur-Ruhe-Kommens und des Nachdenkens ist.

Wenn zum Beispiel ein Aussenminister sich überlegt, ob er bestimmten Flüchtlingen nur noch ein sechsmonatiges Bleiberecht geben, einen Zaun bauen oder die Flüchtlinge am besten gerade
an der Grenze abknallen soll, dann ist es doch besser als dieses Brainstorming gleich vor Journalisten zu betreiben, sich erst einmal in Ruhe hinzusetzen und zu I-Gingen. Und wenn er dann so da sitzt und die Stäbchen wirft und bündelt und legt und bündelt und nochmal wirft, dann kommt er vielleicht darauf, dass das alles keine so wahnsinnig guten Ideen sind.

Wenn zum Beispiel ein Sportschef sich überlegt, ob man die nächste WM, EM, die nächste National- oder Regionalmeisterschaft einfach dem Meistbietenden geben soll, egal ob das Land oder Stadt die logistischen, geografischen oder verkehrstechnischen Möglichkeiten hat, dann ist es doch besser als sofort eine Rundmail zu schreiben erst einmal das Tarot zu machen. Und wenn er dann den ENGEL DER STÄBE an den TOD und den RITTER MIT DEM SCHMUSETUCH legt und sie eine Stunde betrachtet und dabei nachdenkt, dann kommt er vielleicht auf die Idee, dass das Ganze doch anders laufen sollte.

Unsere Zeit ist eine Zeit der unüberlegten Schnellschüsse. Politiker, CEOs und Funktionäre handeln nach dem Tagesplan: 8.00 Idee, 8.15 Idee verbreiten, 8.30-12.00 Shitstorm wegen Idee einstecken, 12.00-13.00 Mittagspause 13.15 offizielle Rücknahme der Idee, 13.30-16.00 grösseren Shitstorm wegen Überforderung und Diffusität einstecken, 16.15 Rücktrittsforderung zurückweisen, 16.30 Rücktrittsforderung zurückweisen, 16.45 Rücktritt, 17.00-… Sinnloses Betrinken

Wäre da der Tagesplan 8.00 Idee, 8.15 Pendeln, 9.15 Tarot, 10.15 I-Ging, 11.30 Verwerfen der Idee, 12.00-13.00 Mittagspause, Nachmittag zur freien Verfügung nicht eindeutig besser?

Wer übrigens das Kartenrumgelege, Stäbchengewerfe und Rumgependele nicht so mag, kann auch Ikebana machen, das meditative Blumenstecken erfüllt den gleichen Zweck als Nachdenk-Oase.
Und man hat am Ende einen hübschen Blumenstrauss im Zimmer stehen.

Mit diesem etwas hexerischen Plädoyer für Nachdenkzeit endet auch die Hexalogie (ich entschuldige mich für dieses blöde Wortspiel) der  

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HERBSTREISE
Tücher können verloren gehen. Auf Gepäck muss man achten. Nonnen haben ein Recht auf Aussicht. Vieles ist doppelt auszusagen. Belege sind zu gross. Alte Gasthöfe sind besser als neue.

 

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