Freitag, 20. November 2015

Wahlposse in den Schwyzer Bergen



Die Gemeinde Burgiswil-Hoggingen (SZ) hat eine ganz spezielle Gegebenheit. Gemeindepräsident oder Gemeindepräsidentin werden auf zwei Jahre gewählt, und zwar teilen sich stets zwei Personen das Amt, wobei eine(r) aus dem katholischen und eine(r) aus dem mennonitischen Teil des Ortes kommen muss. Diese Spezialität entstand 1985 beim Zusammenschluss des katholischen Dorfes Burgiswil mit dem Täuferdorf Hoggingen. Da die Bevölkerungsanteile 48% Papisten und 52 % Täufer betragen, die Präsidien aber mit 2/3-Mehrheit bestimmt werden müssen, schicken die Gruppen jeweils Leute ins Rennen, die von allen anerkannt und akzeptiert werden, also keine Extremos, keine Hardliner und Sturköpfe.
(Wenn Sie sich nun fragen, warum es in Burgiswil-Hoggingen keine normalen Protestanten, keine Atheisten, keine Agnostiker, keine Existenzialisten oder andere Philosophisten gibt, die Gemeinde liegt so in den Bergen, ist so von Schnee und Eis, von Lawinen und Geröll bedroht, dass man einfach einen festen und fundamentalen Glauben braucht, um dort zu überleben. Muslime würden auch gut passen, aber es gehört einfach nicht zur Schweizer Willkommenskultur für Flüchtlinge, sie nach Burgiswil-Hoggingen, sie in Eis und Schnee, in Lawinen und Geröll zu schicken.)

Aber wir waren bei den Wahlen.
Während die Täufer die letzten Jahre stets den gleichen Mann aufstellten, den Mittellehrer Josef Mandel, um die 60, gütig, weisshaarig, schnauzbärtig, einen besonnenen und klugen Typ, der bei allen gleichmässig beliebt ist und immer mit 95% gewählt wurde, lief es bei den Romanhängern nicht so rund, ja man könnte das Ganze als Schwyzer Posse bezeichnen.
2012 brachte der katholische Teil Ruedi Blugger ins Spiel, der eher ein Hard- als ein Softliner ist, erzkatholisch, Anhänger der Lefèvre-Bewegung, also Freund der lateinischen und nicht der landessprachlichen Messe, ein Typ, bei dem man das Gefühl hat, er sei schon mit dem Kruzifix in der Hand auf die Welt gekommen und habe mehr mit Rosenkränzen als mit Fussbällen gespielt. Der mennonitische Teil allerdings wollte ihm eine Chance geben, sollte er jetzt doch mal zeigen, dass er auch konziliant und kommunikativ sein kann.
Er war es nicht.
Die zwei Jahre waren für Mandel die Hölle, so sehr die Hölle, dass klar war: Blugger geht nicht noch einmal eine Amtsperiode.
Als dann 2014 aber die Katholiken doch wieder Blugger aufstellten, geschah etwas Eigenartiges. Bei Auszählung der Stimmen sah man, dass 70% auf Eduard Dedikat-Murfs gefallen waren, einen Reformkatholiken, Mitglied bei „Kirche von unten“, einen Taizé-Gänger und Ökumeniker, der aber gar nicht wirklich aufgestellt gewesen war. Scheinbar hatte es eine Verschwörung gegeben.
Der Priester von Sankt Johann reagierte sofort: Er enthob Dedikat-Murfs sofort aller Kirchenämter und verweigerte ihm die Kommunion.
So wurde ab 2014 Burgiswil-Hoggingen von einem Mennoniten und einem quasi Religionslosen geleitet.

Für 2016 nun gab es den idealen katholischen Kandidaten: Urs Wickler, Chef der Schreinerei, ein Mensch, der mit allen kann und auch die Zustimmung der ganzen Bevölkerung geniesst, er hatte nur einen kleinen Nachteil:
ER WOLLTE NICHT.

Nun stellten die Bewohner von Burgiswil-Hoggingen sich die entscheidende Frage:
Dürfte man Menschen zum Wohle aller zwingen?
Könnte man z.B. einen jungen Menschen, der ein begabter Kicker ist, in den Fussballclub prügeln, damit der FCBH endlich eine Liga weiter kommt? Dürfte man Teenager in die Kantonsschule schicken, obwohl sie nicht wollen, damit sie nicht so unterfordert sind? Dürfte man Leute in Positionen und Bereiche delegieren, notfalls mit gezückter Pistole?
Könnte man nicht einfach sagen, dass Ämter anzunehmen Pflicht ist?

Burgiswil-Hoggingen erwog eine Weile eine Aktion gegen Wickler. Boykott wurde diskutiert, verschiedene Mobbingstrategien durchgespielt, man überlegte, ob man ihm tote Ratten vors Haus legen oder seinen Hund vergiften sollte, man dachte über Farb- und Puddingbeutelwerfen und das Kappen seiner Stromleitung nach.
Schliesslich aber kam man zu dem Schluss: Wer nicht will, will nicht.
(Eine deutsche Kabarettistin fragte sich neulich, warum Aussenstehende nicht für ein Paar die Scheidung einreichen können. „Einfach, um das ganze Elend nicht mehr sehen zu müssen.“ Aber auch hier gilt: Wer nicht will, will nicht.)

Nun geht also die Schwyzer Posse in die nächste Runde, denn die Katholiken haben eine Reihe von blassen, unfähigen, uncharismatischen und langweiligen Kandidaten in der engeren Auswahl. Gut, einer wird es werden und wird sich ein Jahr mit Lawinen und Geröll und Eis und Schnee herumschlagen.
Solange Mandel im Amt bleibt, kann eh nix passieren.

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