Im letzten Jahr war dies Miró und ROT, ROT waren die Plakate
und Flyer, ROT war der Teppich, der zum alten Stadthaus führte, ROT waren die
überlebensgrossen, affenhässlichen Blumenpötte, die man auf Platz und rund um
den Meeresherrscher platziert hatte.
Dieses Jahr war es Nolde und BLAU. Augenschmerzend BLAU
waren die Hinweise, Werbetafeln und Aushänge, BLAU war die Treppe, BLAU waren
die Strandkörbe, die den Sand zierten, den man um das Renaissancekunstwerk
gestreut hatte – für diese Massnahme gehört ein Kurator schlicht und einfach
geköpft, zumal es nichts, gar nichts mit Nolde zu tun hat, ausser das Stichwort
norddeutsch, aber na ja.
Die Retrospektive stand unter dem Motto Der ungezähmte Strom der Farbe, was natürlich auch schon ein
Schwachsinn ist, denn ich erwarte ja von einem Maler, dass er die Farbe zähmt,
ungezähmte Farbe kriegt auch meine Katze hin, wenn sie einen Lacktopf
umschmeisst oder jedes Kind, wenn man ihm genügend Zeit und Material lässt.
Spannend war aber, was da als Text unter der Headline Der ungezähmte Strom der Farbe stand: Auch auf die widersprüchliche
Rolle des Künstlers im Dritten Reich – er sei verfemt gewesen, obwohl er gewisse
Sympathien gehegt habe – werde eingegangen.
Nun läuteten bei mir ganz leise die Alarmglocken (ja, auch
Alarmglocken können leise läuten) und ich ging ein wenig an die Recherche, vor
allem, weil ich neulich in den Raddatz-Tagebüchern (Pflichtlektüre, liebe Leserinnen
und Leser!) schon sehr viel sehr Übles über den guten Emil gelesen hatte. Die
Faktenlage ist relativ klar: Herr N. war glühender Nazi, NSDAP-Mitglied ab
1934, Verfechter einer germanisch-nordischen Kunst, er war Antisemit, Hetzer
z.B. gegen Liebermann (zu dem übrigens die Strandkörbe gut gepasst hätten) und
er war ein Protegé von Goebbels und Speer. Einen kleinen Schönheitsfleck gab es
allerdings, weil der Führer die Bilder nicht mochte, er fand sie zu abstrakt,
zu wild, zu klecksig, mit einem Wort: entartet. So bekam der gute Emil nicht,
was er sich so sehnlichst wünschte: Die bedingungslose Liebe Adolf Hitlers.
Nach dem Krieg konnte man dann die Geschichte natürlich
einfach um 180° drehen: Der arme Herr N. wurde zum Entartet-Verfemten, zum
künstlerisch Verfolgten, damit wurde verhindert, dass seine Bilder in die
Keller gekommen wären, wo sie hingehören, und er konnte weiter malen.
Es gab viele, zu viele solche Biografien, 1945 wimmelte es
ja geradezu von Verfemten, Verfolgten, man konnte die Schar der Leute, die
sichtbar oder unsichtbar im Widerstand gewesen waren, gar nicht abzählen. Alle,
alle, alle hatte Hitler nicht gemocht, geliebt, er hatte sie beschimpft und
gemieden, und dass sie selber um seine Liebe gebuhlt hatten, konnte man ja
getrost verschweigen. Ich habe einen abstrusen Fall in der eigenen Verwandtschaft: Ca.
1936 bot sich in der Familie meiner Mutter das folgende Bild: Grosspapi
deutschnationaler Exmilitär, Mutter Teenie, Grossmami glühende Nazi. Als nun
die Oma in die NSDAP eintreten wollte, meinte der Opa, dass er als Beamter drin sein müsse und die
Tochter zwangsweise im BDM, und 2 von 3 sei jetzt wahrlich genug und er würde
es ihr schlicht und einfach verbieten. So trug 1945 die einzige Hitlerianerin der
family eine makelos weisse Weste.
Ich habe mich lange gefragt, angesichts dieser Historien, angesichts
auch des widerlich-permanenten BLAUS, angesichts der Strandkörbe, die mich so
nervten (unser Hotelfenster geht direkt auf den Neptunbrunnen), ich habe mich
gefragt, ob ich mir die Ausstellung antun sollte oder nicht.
Ich hatte Glück, das Wetter war zu schön, und so blieb
zwischen Frühstück und Festspielhaus (Contes d'Hoffmann) bzw. zwischen Zmorge
und Seebühne (Turandot) nur Zeit für die herrlichen Strandbäder, immerhin 30°
im Schatten und einen der schönsten Seen in Schnupperweite, und für Joan
Mitchell.
Mitchell, die übrigens mit der Sängerin Joni Mitchell NICHT
verwandt ist, hat Bilder gemalt, die nun wirklich einen ungezähmten Strom der Farbe zeigen, das ist wunderbar wild und
explosiv und kraftvoll, die Österreicher hätten sich aber ein so saublöden
Titel nie einfallen lassen, denn die Malerin hat jedes auch noch so heftige
Aufknallen des Pinsels klar gesetzt. Überhaupt: Schöne Plakate mit einem Foto
der Künstlerin mit Hund, kein ROT oder BLAU (ich schaudere: Kommt nächstes Jahr
GELB? Oder GRÜN?), keine Scheusslichkeitspötte und keine deplatzierten
Strandkörbe. Manchmal sollte man halt als Oberbayer über die Grenze fahren und
von den doch etwas kultivierteren Nachbarn lernen.
Auf jeden Fall habe ich nun ein Lebensziel: Viel Kohle
machen, alle Noldes aufkaufen und dann kommen sie in den Keller.
P.S. Vielleicht brennt Ihnen nun eine Frage auf der Seele,
die ich unbedingt beantworten will: Ich habe mir keine Badehose gekauft. (s.
Post vom 22.6.2015)
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