Wie Sie vielleicht wissen – oder vielleicht wissen Sie es
auch nicht, dann sage ich es Ihnen jetzt – habe ich im Gartenbad St. Jakob ein
Kästchen, einen Schrank, einen Locker, wie auch immer man es nennen mag, für
die ganze Saison gemiete; also eigentlich mietet man ein Vorhängeschloss und
sucht sich dann ein Kästchen, einen Schrank, einen Locker, wie auch immer, aus.
(Man könnte natürlich auch ein Vorhängedings von Zuhause mitbringen, das muss
aber dann bei Badeschluss entfernt werden.) Wenn ich also schwimmen gehe,
brauche ich nur meinen Vorhängeschlüssel, alles andere ist im Locker,
Schränkchen, Kästchen:
3 Badehosen (man will ja nicht immer gleich aussehen)
2 Tücher (Handtuch/Badetuch)
3 Bücher mit Kurzgeschichten (falls mir mal die Lektüre ausgehen
sollte)
1 Schwimmbrille
dazu:
1xSonnencreme (Drogerie MÜLLER), 1xDuschgel (Adidas im
Angebot bei Coop), 1xHaargel (DENNER) und 1xBodylotion (Migros), also alles,
was der Mensch zum Schwimmen, Sonnen, Nicht-Austrocknen und zum Afterstyling so
braucht.
Als ich dann neulich wieder einmal vor meinem Kästchen,
Schränkchen, Locker stand und dieses (oder dieser) offen stand, bemerkte ich
auf einmal einen jungen Mann neben mir, er war geschätzte 23, konnte ohne Neid
oder Übertreibung als Adonis bezeichnet werden und hatte einen tiefbraunen, glänzenden
Teint. Er schaute mitleidig in meinen Vorrat und schüttelte dann resigniert,
aber auch ein wenig genervt den Kopf.
„Hallo, erstens: Was glotzt du in meinen Schrank? Und
zweitens: Was passt dir nicht?“, blaffte ich Adonis an. Er wandte den Kopf zu
mir: „Komm mal mit.“ Wir tappten zu seinem Schrank, Locker, Kästchen, wie auch
immer, und er sperrte die Türe auf. Er
hatte in den Locker ein kleines Regal
mit drei Flächen gestellt, sodass er viel mehr Platzierungsmöglichkeiten
hatte. Auf der untersten Ebene befanden sich Badeshort, Schwimmbrille und
Handtuch, auf der zweiten seine Lektüre, MEN’S HEALTH und FIT FOR FUN, auf der
dritten Ebene zwanzig Tuben und Fläschchen. Er deutete auf seine
Kosmetik-Armada, seine Öl und Creme-Flotte, seine Pflege-Armee und begann zu
dozieren:
„Wir sprechen von fünf Bräunungsstufen: Non(N), little(L),
half(H), almost(A) und full(F). Für jede Stufe gibt es eigene Pflegeprodukte,
um die Haut optimal zu unterstützen. Ich habe hier Sonnensprays von PELLE
PERFETTO®, das ist eine kleine Klitsche in Valle di Corziano bei Mailand. Für N
Lichtschutzfaktor 90 mit Plaumenextrakt, für L Faktor 70 mit
Erdbeerextrakt, für H 50 mit Nuss, A hat
20 (Mango) und schlussendlich kommt F mit Faktor 10 und pflegender Orange.“
Meine Frage, warum denn jede Stufe irgendwelche komischen
und andere Extrakte habe und ob das nicht einfach Werbequatsch sei, wischte er
vom nicht vorhandenen Tisch, die hätten da in der Lombardei mehrere
Dermatologen, einer davon sogar promoviert, die wüssten genau, was sie machen;
auch meinen Einwand, dass F ja voll ausgebräunte Haut bedeute und dass da ein
LSF von 10 relativ unnötig sei, überging er.
„Das nächste sind die Nachsonnenlotionen, da nimmt man nicht
einfach irgendeine Feuchtigskeitschmiere wie du oder gar – ich bringe das Wort
kaum über die Lippen – NIVEA , hier wird natürlich auch wieder auf die fünf
Stufen abgestimmt. Ich finde bei Aprés Sun jetzt die Mailänder nicht so gut,
hier lasse ich mir eine Superpflegeserie aus LA kommen, von SKIN PERFEKT®, auch
wieder jedes Öl mit abgestimmten, speziell unterstützenden Extrakten:
Aftersun N mit Biberhaarextrakt, Aftersun L mit
Ochsenschwanzextrakt, H mit gemahlenen Hasenzähnen, A mit Fischtran und F mit
pulverisierten Stubenfliegen.“
Bevor ich irgendeinen Einwand an den Mann bringen konnte,
fuhr er fort:
„Es muss ja wohl nun kaum noch gesagt werden, dass auch das
Duschgel je nach Bräunungsstufe gewählt werden muss, und auch hier sind ausser
reinigenden auch pflegende Wirkstoffe zu berücksichtigen, hier leiste ich mir
ein japanisches Produkt, die Gels je mit Lotos, Ginkgo, Sushi, Mohnblüte und
Balsa.“
„Und die Haargels gehen auch nach Bräunungsstufe?“ Ich
konnte mir ein heftiges, körperschüttelndes Kichern nicht verkneifen.
„Natürlich nicht“, herrschte er mich an, „das geht nach
Wetterlage. Die Firma PROHAAR® in Düsseldorf bietet Spray und Gel für Sonne,
Regen, Hagel, Nebel und Smog.
Ultrastark, ultrahaltend und ultrapflegend, mit den Extrakten aus…“
Ich hörte gar nicht mehr hin.
War es nicht auch eine deutsche Firma, die mal damit
geworben hatte, ihr Haarspray passe auf jedes Wetter, oder zumindest auf drei
davon? Und wer braucht Stylingprodukte für Hagel? Ich meine, da verhagelt es
dir die aufgestellten Haare doch eh? Und eigentlich bleibt man auch zu Hause,
wenn das
Eis vom Himmel kommt. Übrigens auch bei Smog.
Ich nahm die Flasche Sonnenspray von PELLE PERFETTO®, die
mit Pflaumenextrakt, in die Hand und schaute mal auf den Preis: EU 59,90.-
Der Adonis hatte also rund dreizehnhundert Franken in seinem
Locker, Kästlein, Schrank herumstehen. Gut, seine Hülle WAR perfetto, parfait,
perfekt, aber er war schliesslich auch erst Mitte Zwanzig, er hätte gut als
mein Sohn durchgehen können, da hätte es Mango-, Gingko- und Biberextrakte nämlich
gar nicht gebraucht.
Ich schlappte zurück zu meinen Sachen um endlich meine
Badehose anzuziehen. Die immerhin aus Oberbayern stammt.
Ein bisschen internationales Flair muss ja schon sein.
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