Donnerstag, 11. Juni 2015

Bärtige Bräute oder: Homos sollen nicht heiraten

Letzte Nacht hatte ich einen merkwürdigen Traum, einen verrückten, schrägen Traum, einen der mich beschäftigt und belastet, einen bedrückenden und verstörenden, man könnte ihn also durchaus als Alptraum bezeichnen. (Ich schreibe immer noch Alptraum, obwohl hier die etymologische Herleitung der neuen Rechtschreibung stimmt, es kommt ja von Alben/Elben/Elfen, ich denke aber immer an die Alpen, die mir nachts im Bett auf der Brust liegen.)

Item.
Der Traum also ging so:
Ich sass in einer Kirche und es war irgendwie klar, dass eine Hochzeit bevorstand. Vielleicht wegen der hellen Nachmittagssonne, die durch die Kirchenfenster fiel, vielleicht wegen des üppigen Blumenschmucks, vielleicht wegen der sehr aufgebrezzelten (sic) Leute oder überhaupt aus dem Grund, dass so viele da waren - die Kirche war voll - und nicht weinten, sonst wäre es eine Trauerfeier gewesen.
Irgendwann begann die Orgel zu spielen. Da ich Mendelssohn (daa dam da didamdada daa daadada da), Wagner (daa dam da daa.. ) oder das Trumpet Voluntary, das Charles und Diana unglücklich gemacht hat, erwartet hatte, war ich sehr erstaunt auf einmal We are family aus Ein Käfig voller Narren zu hören. Etwas war komisch. Der skurrile Ersteindruck verstärkte sich durch die optische Tatsache, dass zwölf Blumenbüblein eintraten und pinkfarbene Blüten verstreuten, gefolgt von sechs Brautjungfern. Als ich diese anblickte, blieb mir das fast das Herz stehen: Sie trugen lange, geschlitzte Kleider und Bart! Ich wollte auf der Bankreihe raus und fliehen, meine Nachbarn aber hielten mich fest, ich zappelte und kämpfte, aber je mehr ich mich anstrengte umso fester wurde der Griff der beiden, die der Statur und der Handbehaarung sichtlich zur Fitnessbären-Fraktion gehörten.
Nun trat das Brautpaar ein, er im nachtblauen Smoking, Fliege und Zylinder, sie (oder er?) im duftigen, zarten, schneeweissen Brautkleid. Unter ihrem (oder seinem?) Schleier prangte aber auch hier ein wilder, dunkler Vollbart.
Wieder ein Fluchtversuch. Wieder der Schraubstockgriff der Bären. Ich versuchte zu schreien, man möge mich gehen lassen, ich wolle doch nur an die frische Luft, aber es kam kein Ton.

Schweissgebadet wachte ich auf.

Ich beschloss, die Nacht zu beenden, es war 6.30, und setzte mich mit einem Kaffee auf meinen Balkon. Und während ich so auf die Morgendämmerung starrte, dachte ich:
Wie grauenhaft.
Bart und Kleid, das ist einfach eine grauenhafte Kombi, und das sage ich trotz der Wurst, um die es ja beim ESC schon wieder ging, die Wurst sieht bescheuert aus, konstatiere ich jetzt mal ganz wurschtig gegen den Wurst-Hype, die Wurst ist mir hier Wurst und – ehrlich gesagt – die Wurst ist Käse.
Nein.
Nein und nochmals nein.

Aber ich gehe noch einen Schritt weiter: Schwule sollen nicht heiraten. Auch nicht, wenn sie Mendelssohn , Wagner oder Trumpet Voluntary spielen, auch nicht, wenn sie Blumenbüblein und Bartjungfern weglassen, auch nicht wenn beide im Anzug kommen. Ich will richtige Hochzeiten, blütenberegnet und weissbekleidet, duftig und maienanmutig, Hochzeiten wie im Amerikanischen Film.

Werden uns jetzt solche Alpträume (sic, s.o.) blühen? Jetzt, wo eine der festesten Bastionen homophober Gesinnung umgefallen ist? Ausgerechnet Irland erlaubt die Homoehe. Das ist doch für liberalere Länder fast schon ein Muss, da jetzt nachzuziehen.

Ich meine, die Schwulen könnten doch nun endlich mal zufrieden sein: Sie haben erreicht, dass ihr naturwidriges Tun nicht mehr strafbar ist, Homosexualität wurde von der Liste der Geisteskrankheiten gestrichen, sie haben Bereiche erobert, die inzwischen fest in Gay-Hand sind, das Theater, die Kosmetik, die Mode, die Kunst, sie dringen immer mehr in Areale vor, wo sie nun echt nix zu suchen haben, ins Militär, in den Fussball, in die Politik.
Nein.
Irgendwann einmal muss gut sein.

Ich möchte die kommende Nacht einen schönen Traum haben. Ich möchte von einer schönen Hochzeit träumen, mit Mendelssohn (oder Wagner), mit jungen, femininen Brautjungfern und einer prächtigen, seidenweiss umhüllten Braut mit langem Schleier. Die Mütter sollen weinen und die Herren fein lächeln und der Pfarrer soll sagen: „Sie dürfen die Braut jetzt küssen.“

Und wenn Sie mir sagen, dass das völlig out ist, dass man inzwischen – egal ob homo, hetero, trans oder sonstwie – gar nicht mehr so heiratet. Dass heutzutage auf Motorrädern, unter Wasser, auf 5000m Höhe, dass im Tiergehege, in der Werkstatt oder im SM-Schuppen das Jawort gegeben wird: Es ist nicht mein Ding. Und wenn die klassische 4-Weddings-and-1-Funeral-Trauung total out ist, wenn sie niemand mehr veranstaltet, ist sie da nicht wieder sehr originell? Kann man da nicht sagen: „Wir heiraten ganz extravagant: In der Kapelle, in Weiss.“

Auf jeden Fall freue ich mich auf meinen Traum.  

    

 

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