Donnerstag, 25. Juni 2015

Lügen, Flunkern und die EU

Geschätzte Leserinnen und Leser, es freut mich, dass Sie wieder dabei sind.

Das ist jetzt eigentlich schon gelogen. Denn ich kenne ja nicht alle meine Leserinnen und Leser mit Namen, wie kann ich da alle schätzen? Vielleicht liest sogar irgendwo ein Mensch meinen Blog, der ein echtes (sit venia verbo) Arschloch ist? Jemand, dem ich nicht mal die Hand schütteln würde, geschweige ihn oder sie schätzen?
Damit sind natürlich und selbstverständlich nicht Sie gemeint.
Und das ist auch schon wieder gelogen, weil ich Sie ja nicht kenne, usw…

Churchill soll gesagt haben, es gebe drei Arten der Lüge: Die gemeine Lüge, die Notlüge und die Statistik. Well, Mister Zigarre, stimmt schon, but there are much more!
Es gibt die Höflichkeit.
Es gibt die Werbung.
Es gibt aber auch das Erfinden, Erzählen, Phantasieren und seine kleine Schwester, das Flunkern.
Und es gibt die EU.

Die Höflichkeit ist eine notwendige Lüge. Ohne die Höflichkeit würden wir uns alle totschlagen. Wenn wir zu einem Fest eingeladen sind, dann bedanken wir uns für die Einladung und loben Ambiente, Tischschmuck und Essen und sagen nicht: „Angesichts dieses hässlichen Saals, der geschmacklosen Dekoration und des versalzenen Bratens weiss ich jetzt, warum ich eigentlich zuhause bleiben wollte.“ Ohne Höflichkeit würde – wie Busch schreibt – überall im Land wieder der Knochenknittel erwachen.

Die Werbung ist ein fiese und eklige Lügerei, aber eine durchschaubare. Alle wissen, dass sie beim Putzen einen Lappen in die Hand nehmen müssen, obwohl die Werbung ihnen suggeriert, die Power-Reinigungs-Produkte täten alles ganz allein. Alle wissen, dass eine KNORR-Sauce eben nicht so wie eine hausgemachte schmeckt, da können die zehnmal behaupten, dass frische Tomaten genauso wie pulverisierte riechen. Und ist nicht jedem Mann klar, dass der Kerl auf dem Plakat nicht wegen seines Labelslips so geil aussieht sondern wegen seines Sixpacks und dass Labelslip auf Fettbauch eben anders ausschaut?

Das Erzählen und Erfinden ist eine uralte und schöne Tradition. Jeder Fabulist, jeder Romancier, jeder Poet tut es ständig. Und das ist gut so. Seien Sie also nicht böse, wenn Sie auf dem Londoner Friedhof das Grab von Holmes nicht finden oder auf dem Zentralfriedhof den Epitaph des Mannes ohne Eigenschaften: Doyle und Musil haben nie behauptet, dass es diese Leute gab.

Das Flunkern ist etwas Nettes, Hübsches, etwas Halbgrinsendes, Augenzwinkerndes, etwas, was auch ich gerne mache. Das Flunkern hat eine klare Eigenschaft: Es tut niemand weh. Wenn ich Ihnen erzähle, ich hätte im CAFÉ CENTRAL einen doppelten Espresso getrunken und eine Punschtorte gegessen, und in Wahrheit war es ein einfacher OHNE eine Backbeigabe, wem macht das Schmerzen? Wenn ich behaupte, ich sein schon in Herculaneum und Pompeij gewesen, war aber nur in Neapel und da hatten die Dinger gerade geschlossen, ist das ein Verbrechen?

Sie können mich jetzt natürlich fragen, warum ich das mache, ich antworte gerne: Es macht manchmal einfach Spass. Grossen Spass. Probieren Sie es aus, es gibt Ihnen ein Gefühl von Verwegenheit und Outlawismus , wenn Sie morgen sagen, Sie hätten heute eine Lauchsuppe gelöffelt und leise in sich hineinkichern, weil es eine Zucchinisuppe war. 

Anders die EU: Ein grosser, schleimiger Bollen aus Halbwahrheiten, Lügen, Tricks und Verschweigen, ein Fels aus Lüge, Notlüge und Statistik.
Hätte man in allen Dingen die Wahrheit gesagt, wäre dem Volk Folgendes vorgelegen:
Wir wollen die EU, ganz egal, was die Völker sagen.
Die von uns gewollten Staaten werden aufgenommen, auch wenn sie die Kriterien nicht erfüllen.
Kommen sie dann in Schwierigkeiten, werden sie um jeden, aber auch jeden Preis gerettet.
Nach Einführung des Euro wird nichts teurer, es wird 1:1 umgerechnet.

Nun kommen findige Leute und sprechen, man habe nicht gelogen, man habe nie explizit gesagt, dass Griechenland die Kriterien erfülle.
OK
Schönes Wort, das: Nie explizit gesagt… Früher nannte man das Verschweigen, aber Verschweigen klingt so hässlich, das klingt so nach Schwarzweissfilmen, in denen Frauen am Fenster von miesen Motels stehen, rauchen (Ehrenwort, sie tun das immer: Aus dem Fenster schauen, die Kippe in der Hand) und „Was verschweigst du mir?“ flüstern.
Nein, man sagt besser:  Nicht explizit so geäussert…
Du gute Güte! Wenn ein Mensch Mitglied einer Schwimmerstaffel wird, geht man nicht davon aus, dass er schwimmen kann auch wenn er es nicht explizit sagt? Geht man nicht davon aus, dass in in einem Thunfischsalat ausreichend Thunfisch ist, auch wenn es nicht explizit gesagt wird? Nicht explizit sagen, heisst verschweigen, auch wenn das so viel schöner klingt.

Es gibt die gemeine Lüge.
Es gibt die Notlüge, die Statistik.
Es gibt Werbung, Erfinden, Höflichkeit und Flunkern.
Und es gibt die EU, wir könnten es auch Junkern nennen. (Hat eben mein Partner eingeworfen.)                        

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