Die permanente Streiterei brachte eine Sache mit sich: Ständig mussten Boten und Kuriere zwischen Hoogstijn und Niedern hin und her reiten, um Drohungen, Erwiderungen und Beleidigungen zu überbringen, aber auch um Ort und Zeit für die nächste Prügelei mitzuteilen. Nachdem die eigenen Knappen und Diener irgendwann keine Lust mehr auf diesen Dienst hatten, bot Markus v. Sysshygel, ein Mann des niederen Adels, an, die Botensache für Faziolus und Bukerius zu organisieren. Er schlug vor, einen Dienst aufzubauen, bei dem jedem der beiden Rittersleut Tag und Nacht ein wartender Kurier zu Verfügung stünde, seine einzige Bedingung sei ein 3-Jahres-Vertrag und 3000 Goldstücke pro Jahr. Dankbar nahmen die beiden Ritter an.
Sysshygel stellte für seinen Faziolus-Bukerius-Dienst, den
er bald abkürzte, etliche Leute ein, kaufte Pferde und
Ställe und Futter. Ein Jahr trabten die Kuriere Sysshygels zwischen Hoogstijn
und Niedern, im Gepäck Depeschen wie
Finker weck van meyner
Gnaasquelle, du Sau!und
Morgen befor Sunnenufgank am Galkenpaum mit jeh 4 Kämpern
dann allerdings geschah das Unglaubliche: Faziolus und Bukerius schlossen Frieden. Kein Historiograph oder Historiologe hat bisher herausgefunden, warum sie das taten, fest steht, dass Anno Domini 1222 ein Friedensvertrag unterzeichnet wurde, der alle Wegerechte, alle Fluss- und Quellrechte, der das Eigentum an Dorf, Hain, Busch und Baum regelte und der heute noch im Stadtmuseum Aachen (Printenstrasse 7, täglich ausser MO 10.00-17.00) zu sehen ist.
Nun brauchte man natürlich die Dienste des Markus Sysshygel
nicht mehr. Der aber bestand auf seinem Vertrag, er werde weiter Kuriere
schicken, diese seien zu bezahlen und basta. Selbst die findigsten Advokaten
der beiden Ritter fanden keine Lösung: Der Vertrag war einzuhalten. Zwei Wochen
sassen nun die Boten in den Burghöfen herum, langweilten sich, gingen müssig,
taten das, was Müssiggänger tun, sie tranken zu viel des Burgweins, pöbelten Knappen
an und langten den Mägden an Brust und Po (je nach Vorliebe umgekehrt). Nach 14 Tagen war es Faziolus zu
viel und er schickte einen Kurier mit einer Botschaft:
Wi scheen der Fryde
seien tut. Entelik eynmal wider in Ruh Morgemahl. Es gab geryrte Eyer.und der andere antwortete:
Wi rächt du habben tust. Bey mir gespygelte Eyer.
So begann ein reger Depeschenwechsel über ihr tägliches Leben, über Morgen-, Mittag- und Abendmahlzeiten, über die Probleme der baufälligen Burgen und gesundheitliche Sorgen. Die beiden stellten sogar Maler an, die die Blumen im Burggarten, die Magnolien, Rosen und Stiefmütterchen abzeichneten, diese Aquarelle und Zeichnungen wurden dann den Briefen beigelegt.
Nach einem Jahr stand dann auf einmal ein unbekannter Kurier
im Hof von Niedern. Er überbrachte folgendes schreiben:
Werther Riter BukeriusHabben geherrt von eyrem lyben Depeschweksel mit Riter Faziolus. Dyrfte ik mik darann beteyligen? Trag nadyrlik die Kossten.
Amandus
Byschoff von Trier
Bukerius nahm die Anfrage an und Sysshygel erweiterte seine
Routen.
Um das Jahr 1232 ritten dann ca. 20 000 Boten und Kuriere,
Reiter und Depeschenbringer in Sysshygels Diensten quer durch das Heilige
Römische Reich Deutscher Nation und überbrachten Botschaften, deren informativer Wert gleich
Null ging, den beteiligten Rittern, Fürsten und Bischöfen aber einen perversen
Spass machte.
Irgendwann kam die Sache dem Kaiser zu Ohren: Er war ausser
sich. Hatten seine Adligen nichts mehr zu tun? Waren sie völlig hobbylos? Es
war unwürdig für einen Grafen oder Ritter, Briefchen mit Blümchen oder
Kochrezepten durch Kuriere auf Pferden von der Nordsee zu den Alpen und von der
Memel zum Kanal zu schicken.
Er reagierte prompt: Er sandte seinerseits Boten an alle
Herrscher des Reiches, die auf den Burgen und Schlössern verkündigten: Der
Kaiser habe den Mongolen den Krieg erklärt und alle Fürsten haben sich mit
allen Getreuen in Bamberg einzufinden.Das Briefescheiben erlosch sofort, alle Ritter zogen in den Kampf und Sysshygel setzte sich, inzwischen 300 Millionen Goldstücke reich, endlich zur Ruhe.
Es bleibt zu hoffen, dass diese 10 Jahre, die als „decem anni stupidarum epistularum" (die Zehn Jahre der dummen Briefe) in die Historiographie eingingen, sich nie wiederholen
werden.
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