Dienstag, 12. Mai 2015

Der Fernbus ist unhöflich



Wegen eines Erdrutsches bei Schallstadt hält der ICE heute in Denzlingen lese ich am Freiburger HBF. Jetzt übertreiben sie, denke ich, jetzt übertreiben sie masslos, schlimm genug, dass die Lokführer streiken, aber dass sie auch noch die Gleisanlagen kaputtmachen, das ist zu viel. Natürlich könnte der Rutsch auch vom Platzregen am Samstagabend herrühren, aber die GDL hatte da sicher ihre Hände im Spiel. Nein, jetzt übertreiben sie, denke ich, und als zweites: Wie komme ich nun in Richtung Schweiz, denn ich habe keine Lust erst einmal 15 Kilometer Richtung Norden zu fahren.

Fernbus, gut, fahren wir halt einmal Fernbus, diese Erfahrung muss man ja auch einmal machen, MEINFERNBUS® fährt zwar nur nach Lörrach, aber von dort komme ich irgendwie weiter.
Die Tickets gibt es am Kiosk auf der Stadtbahnbrücke, die Fahrt nach Lörrach kostet 8,50.- , der nächste MEINFERNBUS® geht in 15 Minuten, ich gebe meinen Namen an und erhalte einen Wisch mit Buchung und diesem Scangemälde, über das der Fahrer dann sein Handy halten kann.
So weit, so gut.

Ich trabe zum ZOB und suche den Bus, der Richtung Süden ziehen wird, es stehen nämlich noch Busse nach Flensburg (Flensburg? Wer um aller Himmels Willen will denn nach Flensburg?), Aachen und Bitterfeld (auch hier die gleiche Frage). Ich stelle mich an, der Fahrer gemäldescant bzw. behandyt  den Code und ich steige ein. Nein, ich versuche einzusteigen, denn nun trifft mich ein Tasche bitte in den Kofferraum wie ein Keulenschlag. In unfreundlichstem Ton wird mir mitgeteilt, dass für meine prall gefüllte Riesensporttasche im Bus kein Platz ist. Woher soll ich denn das wissen? Ich fahre ja zum ersten Male Fernbus. Gut, mit ein wenig logischem Denken hätte man vielleicht draufkommen können, dass meine Tasche weder unter den Sitz noch in die Hutablage passt, aber man kann das doch freundlich sagen. Die muffelige Art geht gerade so weiter: Als wir abfahren, bekommen wir in wirschestem Ton um die Ohren gehauen, dass wir uns anschnallen müssen und dass Männer auf der Bordtoilette im Sitzen pinkeln müssen. (Redundant, man kann in dem 1x1x1-Meter-Kabuff eh nicht stehen.)

Ich lehne mich zurück und sehne mich nach der Freundlichkeit der Deutschen Bahn.
Nach Durchsagen wie: Wir begrüssen nun die in Wanne-Eickel neu hinzugestiegenen Fahrgäste und wünschen ihnen eine angenehme Reise. Unser Zug hat zurzeit eine Verspätung von 62 Minuten. Wegen Ihrer Anschlüsse in Castrop-Rauxel werden wir sie rechtzeitig informieren.
Ich meine, das hat doch Stil, das hat Charme, hier wird man höflich begrüsst und rechtzeitig informiert. Hier wird sogar das hässliche Eine Stunde Verspätung in das viel lieblichere 62 Minuten geändert. Überaus charmant sind auch die Einladungen in das Bordrestaurant, der berühmte Hinweis auf unseren Gastronomischen Service, der auch heiter-süsslich mit dem Hinweis verknüpft wird, dass es bedauerlicherweise heute im Restaurant wegen technischer und Lieferschwierigkeiten nur kalte Würstchen, Tomatensalat und Kirschsaft gibt, sowie einige Nussmischungen.
Ja, und kommt dann Castrop-Rauxel, entschuldigt man sich tausende, Millionen Male, dass die Anschlüsse, leider, ja wirklich leider, bedauerlicherweise nicht erreicht werden konnten und gibt die nächsten Verbindungen bekannt. Ihre nächsten Anschlüsse nach Essen HBF: Um 15.32 von Gleis 3, sowie nach Bottrop um 15.34 von Gleis 6. Netterweise wird die effektive Wartezeit hier verschwiegen, das wäre sonst ja hammerhart, wenn man gleich wüsste, dass man zwei Stunden in Castrop-Rauxel sitzt, was macht man zwei Stunden in Castrop-Rauxel? (Das Gleiche wie in Flensburg oder Bitterfeld?)

Nein, ich vermisse bei den Fernbussen die erlesene Höflichkeit, den Charme und die Süsse der DB. Bei allen anderen Vorteilen: Der Bus kostet weniger als die Bahnfahrt, es ist ruhig im Bus, als er sich auf der A5 nach Lörrach schiebt, wir erreichen das Wiesental früher als geplant und ich habe auf der Reise gut geschlafen. Aber die Höflichkeit…

Ich bekomme in Lörrach sogar noch sofort eine S-Bahn nach Basel Badischer Bahnhof, weil die nämlich eine Viertelstunde Verspätung hat.
Ohne Erdrutsch.
Ohne Streik.
Einfach so.
Siehste, werden Sie sagen.
Die Strecken Basel-Lörrach-Schopfheim und Weil am Rhein-Lörrach werden allerdings von den sonst absolut perfekten Schweizer Bundesbahnen, den SBB, betrieben.

Aber wie es so schön heisst:
Nobody is perfect.

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