Dienstag, 25. November 2014

Türme

In seinem unvergleichlichen Theaterstück Wir sind noch einmal davongekommen lässt Thornton Wilder das aufmüpfige Dienstmädchen sagen: "Mrs. Antrobus, ich sage es nicht gerne: Aber Sie sind keine schöne Frau.“ Analog dazu begrüsse ich jeden Morgen den Roche-Turm mit: "Roche-Tower, ich sage es nicht gerne: Aber Sie sind kein schönes Gebäude." Der Rocheturm ist von einer Hässlichkeit, die nur durch grosse Anstrengung erreicht werden kann, ja, da hat ein Architekt lange studieren und Praktika machen müssen, da hat lange gelernt und geübt werden müssen, um diese Geballtheit, diese Ballung von Geschmacklosigkeit zu erreichen, von nichts kommt nichts. Besonders hässlich wirkt der Turm, wenn er aus einem solchen Blickwinkel wahrgenommen wird, dass er mit dem Münsterturm zusammen ein Ensemble bildet, nein, das kann man jetzt so nicht sagen, sie bilden eben kein Ensemble, sondern der eine zerstört und kaputtisiert die Schönheit des anderen.

Dass die Chefetage der Firma das Machwerk toll findet, erstaunet nicht: Sie müssen es ja auch nicht anschauen, wenn sie drin hocken und wohnen tun sie eh in einem Bungalow im Jura, weit, weit weg.
Da fällt mir der Witz ein, der in Lörrach gemacht wurde: Wer hat den schönsten Arbeitsplatz? OB Heute-Bluhm, sie muss das Rathaus nicht sehen…

Ja, die beiden Schwarzungetüme sind auch so ein Thema, man hatte ja gedacht, nach der Errichtung der widerlichen Halbwolkenkratzer Messeturm (Basel) und Rathaus (Lörrach) hätte man die Pläne, das schöne Basel zu einem zweiten Frankfurt zu machen aufgegeben. Die beiden Türme erinnern ja sehr an die zwei Türme aus Herr der Ringe, die die Inkarnation des Bösen sind: In Mordor sitzt der Urböse Sauron, in Isengard sitzt sein Vasall Saruman. Wer nun wer in der Dreiländereckgeschichte ist, bleibt fraglich.
Aber ist nicht auch die Babylonische Sprachverwirrung in Basel eine Frucht des Turmbaus? Früher redeten alle Baseldytsch, und die Wiesentäler auf der anderen, der alemannischen Seite redeten quasi gleich.
Es hatte aber alle Welt eine Zunge und Sprache.
Dann baute man die zwei schwarzen Böser-Geist-Türme und die Dialekte drifteten auseinander, je mehr Türme man plante, umso mehr hörte man Balkansprachen, Chinesisch, Englisch, Italienisch und (ganz schlimm) Schriftdeutsch. Inzwischen kann es ja passieren, dass am Barfüsserplatz ein Albaner einen Japaner auf Französisch anspricht, dieser auf Portugiesisch antwortet, der Albaner Lateinisch probiert, der Japaner Chinesisch versucht, usw. bis man sich auf Niederländisch einigt, weil beide schon in Amsterdam gearbeitet haben.

Nein, nein, der Roche-Turm ist hässlich und zu meinem grossen Schrecken wird er noch viele Freunde bekommen: Den Claraturm, den Messeparkhausturm und eine zweite Scheusslichkeit auf dem Roche-Gelände. Alle von einer Schrecklichkeit, die alles überbietet, was man an grausamen Dingen gesehen hat.
Ach, Blasius! Du hast über die Wolkenkratzer der Chemie gedichtet:
Da dachtest du an fünfstöckige Häuser und nicht an ein Rheinhattan.

Ich würde ja milde auf die wüsten Gebäude blicken, wenn es in ihnen das gäbe, was wir brauchen, nämlich bezahlbaren Wohnraum. Gerade das gibt es aber eben nicht. Natürlich werden die Luxusappartements im Claraturm mit ihren grossen Fenstern, Parkettboden, Whirlpool und goldener Küche bezahlbar sein - von denen, die im Roche-Turm arbeiten, von Otto Normalverbraucher nicht.

In seinem unvergleichlichen Theaterstück Wir sind noch einmal davongekommen lässt Thornton Wilder das aufmüpfige Dienstmädchen sagen: "Mrs. Antrobus, ich sage es nicht gerne: Aber Sie sind keine schöne Frau.“ Analog dazu begrüsse ich jeden Morgen den Roche-Turm mit: "Roche-Tower, ich sage es nicht gerne: Aber Sie sind kein schönes Gebäude."

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