Dienstag, 11. November 2014

Herbstmesse - ein Statussymbol für Superreiche?

Ich hatte am letzten Sonntag einen wunderschönen Tag, und das für wenig Geld. Ich war – jetzt werden Sie staunen – im Festspielhaus Baden-Baden, und zwar in einem Konzert des SWR-Sinfonieorchesters. Ich hatte mir auch noch überlegt, ob ich auf die Herbstmesse gehen sollte, aber die Finanzen entschieden dagegen: Ich konnte mir einen Messebesuch schlicht und einfach nicht leisten.
Sie glauben mir nicht? Lassen Sie mich die Rechnung aufmachen:

Eintrittskarte                                     35.-
Fahrt Nahverkehr (Bahncard)        30.-
Döner zum Z’nacht                             5.-
Pausengetränk                                    4.-

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  Gesamt                                             74.- Euro

Man fragt sich natürlich, warum das Ticket so günstig war, es war halt nur das SWR-Orchester und nicht die Wiener, Berliner oder Amsterdamer, nicht Rattle oder Barenboim oder Thielemann, sondern nur Franz Xavier Roth, der ganz unprofessionell ohne Stab dirigierte. Dennoch spielten die Musiker wundervoll (Klassiker der Moderne und ein neueres Stück von Haas) und man darf sich darauf freuen, wie wundervoller das noch wird, wenn dieses Orchester mit dem Stuttgarter fusioniert ist, denn – wir kennen das von vielen Firmen – eine Fusion ist per se das Gelbe vom Ei des Kolumbus, der Jackpot, die Königslösung, weil die Besten der einen Gruppe mit den Besten der anderen Gruppe ein noch besseres, noch effizienteres, noch grandioseres, noch leistungsstärkeres Team bilden, kommen Sie mir jetzt nicht mit unwichtigen Gegenbeispielen wie die CIBA-Sandoz-Fusion, Ausnahmen bestätigen die Regel.

Ich erlebte einen wunderschönen Tag, und das für wenig Geld. Ich hatte mich zum Glück gegen die Herbstmesse entschieden, einen Messebesuch hätte ich mir schlicht und einfach nicht leisten können. Ein Kollege von mir war auf der Messe und hat an einem Nachmittag sein Wochenbudget aufgebraucht.
Als er ankam, trank er erst einmal ein Cüpli und stellte dann fest, dass er schon keine Scheine mehr im Portemonnaie hatte, also danach zum Geldautomaten und etwas Knete ziehen. Einmal Fliegender Teppich und einmal Freier Fall – wir sprechen hier von Vergnügungszeiten von unter 5 Minuten – liessen seinen Geldvorrat schon wieder so schrumpfen, dass ein weiterer Weg zum Self-Service-Banking unumgänglich war. Danach brauchte er ein Bier und eine Wurst. Von den Preisen her hatte man das Gefühl, das Bier wäre in einem achtjährigen Spezialverfahren von *****-Brauern mit Goldkellen in Teakholzfässer geschöpft worden und die Wurst sei eine vom Kobe-Rind, serviert auf Premium-Dijon-Senf-Bett mit handgedrechseltem Sauerteigbrötchen. War aber nur Feldschlösschen und Chlöpfer vom Grosshandel. Ein drittes Mal also Geld holen, denn nun wollte er auch noch ein bisschen Spass haben, drei Taeuber-Arp und zwei Giacometti lagen in seiner Börse, als er sich auf den Weg zu Kettenkarussell, Boxautos, Krake, Hula-Hoop und Wirbelwind machte, ein paar Münzen lagen drin, nachdem er nach dem Höhen-, Tiefen- und Geschwindigkeitsrausch nochmal ein Bier getrunken und einen Luftballon für sein Enkelkind gekauft hatte (17.-Sfr, das ist jetzt kein Witz!). Es reichte dem guten Mann gerade noch für die Parkgebühren.

Reden wir also nicht von Kultur für reiche Leute – am Stadttheater Basel bekommen Sie die Tickets auch bald nachgeworfen, damit überhaupt noch jemand in den Reihen sitzt.
Ich hatte am letzten Sonntag einen wunderschönen Tag für wenig Geld, aber werde ich das mit Festspielhaus Baden-Baden und SWR-Sinfonieorchester jedes Mal so halten können?
Muss ich mir nicht überlegen, im nächsten Herbst auf die Messe zu gehen, damit es nicht heisst: Bei ihm sprechen die Finanzen dagegen, er kann sich einen Messebesuch schlicht und einfach nicht leisten?
Die Herbstmesse Basel ist zum wahren Statussymbol geworden.
Ich werde ab Sommer auf meinen Messesonntag sparen müssen, ich will ja nicht immer der Hungerleider sein, der ins Festspielhaus fährt.

 

 

 

 

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