Nach dem Nacktwandern, dem Nacktputzen, dem Nacktschreiben
(!), nach dem Nacktbaden und Nacktschwimmen, nach dem Joggen, Beachen und Tanzen im
Adamskostüm – warum eigentlich nicht Evakostüm? – nun also das Nackt-Selfie. Es
wurde ja auch Zeit, diese beiden Trends mit einander zu verbinden. Keine Angst,
ich habe zwar schon einen Selfie-Post geschrieben, in dem ich mein Aussehen darstellte,
ich habe einen Post textilfrei in den Laptop gehämmert, aber einen
Nackt-Selfie-Post wird es nicht geben, das kann ich Ihnen, liebe Leserin, das
kann ich Ihnen, lieber Leser nicht zumuten.
Nachdem eine Sekretärin textilfreie Aufnahmen aus dem Bundeshaus
verschickt hatte, ist nun der Badener Stadtammann und Nationalrat ja über so eine
Geschichte gestolpert und bös auf die Schnauze gefallen, das Pikante war, dass
die Nackt-Selfies, die er an eine Frau verschickte, in seinem Büro entstanden
waren.
Der Fall werfe Fragen auf, heisst es. Fragen? Für mich
liefert der Fall eine Fülle an Antworten, Antworten, nach denen ich schon lange
suchte.
Haben Sie sich nie gefragt, warum man auf Ämtern und
Behörden immer im Gang warten muss? Warum man Nummern zieht, aufgerufen wird,
warum man wartet, wartet, wartet, einen Kaffee holt und weiterwartet? Warum man
ausharren muss, bis entweder ein Türspalt aufgeht und eine Stimme sagt: „Herr
Schneider bitte“ oder – manche Ämter sind schon sehr modern – ein grünes
Lämpchen aufleuchtet? Ich habe einmal, ein einziges Mal versucht, in ein
Amtszimmer einfach hineinzugehen. Die Folge war, dass ein
„WAAAAAAAAAAAAAAAARTEEEEEEEEEEEEEEEEN“ erscholl und mehrere Gegenstände von
innen an die Türe flogen. Jetzt ist mir natürlich alles klar, auf dem
Arbeitsamt, dem Sozialamt, der Führerscheinzulassungsstelle, dem
Einwohnermeldeamt und der Baubehörde werden tonnenweise Nackt-Selfies
geschossen und verschickt, da wird – verzeihen Sie mir das Zitat – geknipst und
geguckt, da wird entblösst und nochmal entblösst. Deshalb seien Sie froh, dass
Sie dort immer aufgerufen werden und sonst nicht in die Zimmer dürfen, Sie
wollen gar nicht wissen, wie Ihr Sachbearbeiter oder Ihre Sachbearbeiterin ohne
Hose oder Rock aussieht.
Haben Sie sich nie gefragt, wie die Staatsangestellten und
Beamten zu den Überstunden kommen, von denen sie immer reden? Ein Bekannter von
mir arbeitet bei der Stelle, die für die Nordwestschweiz Angel- und
Fischereischeine ausstellt. Sie können dort eine Wochen-, Monats- oder Jahreserlaubnis
abholen, die Sie berechtigt, eine bestimmte Menge Fisch aus den Gewässern zu
holen, und zwar montags, mittwochs und freitags 10.00 – 12.00 und dienstags und
donnerstags 14.00 – 16.00. Der gute Sachbearbeiter und
Fischereischeinaussteller hat 2013 einhundertfünfzig Überstunden gemacht, die
er sofort im Januar 2014 abfeierte. Wie kamen die zustande? Bei zehn Stunden
Publikumsverkehr pro Woche? Bei einem Metier, bei dem der Andrang im Winter
gleich Null ist? Bei einer Sache, die sich ja auch auf wenige Gewässer und
Regionen beschränkt? Niemand wird für Dezember eine Angelerlaubnis holen und
niemand für Pratteln, wo Sie im Bereich Schweizerhalle die Fischlein aus der
Basler Chemietunke ziehen. Gut, ich weiss nun, was der liebe Herr den lieben
langen Tag gemacht hat. Nein, das ist jetzt fies, vielleicht hat er auch
Computerspiele gemacht oder den früher üblichen Beamtentriathlon:
Gummibaumputzen / Bleistiftspitzen / Ablage. Aber vielleicht hat er doch auch
alle Hüllen fallen lassen und seinen Adoniskörper in die Welt geschickt.
Die dritte Frage, die jetzt auch geklärt ist, ist, warum so
viele Beamten und Staatsangestellte früher in Ruhestand dürfen. Man fragte sich
ja immer schon – und das gilt jetzt vor allem für Deutschland – warum der
Sachbearbeiter beim Arbeitsamt, dessen Lieblingsspruch „Wer mit 60 noch laufen
kann, kann auch arbeiten“ war und der so
viele angebliche Grufties noch in jugendlichen Berufen (Landschaftsgärtner,
Möbelpacker) unterbrachte, selber mit 58 in Pension ging, „aus gesundheitlichen
Gründen“ wie es hiess. Das war eine Strafpensionierung, es bleibt zu hoffen,
mit nicht ganz vollen Leistungen, ich will gar nicht wissen, bei was die den
ertappt haben.
Nein, wir wollen es eigentlich gar nicht so genau wissen,
was da hinter deutschen, Schweizer und österreichischen Amtstüren abgeht, die
Vorstellung, dass auch hochrangige Politiker, die Vorstellung, dass irgendwann
auch Nackt-Selfies von Angie…
Nein, es gibt Dinge, die übersteigen das menschliche
Vorstellungsvermögen.
Nun also der Nackt-Selfie-Boom.
Man ist gespannt, was das 21. Jahrhundert noch so bereithält.
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