Dienstag, 5. August 2014

Die schönsten Verleser

Ich erhebe Legasthenie zur Kunstform schreibt Sten Nadolny in seinem Erstling Netzkarte.
Immer wieder verliest er sich dort auf höchst amüsante Weise, allerdings ist das alles Fiktion.
Axel Hacke hat in seiner Trilogie des Weissen Neger Wumbaba Verhörer gesammelt, und zwar wirklich passierte. (Der Titel kommt von einem falsch gehörten Weissen Nebel wunderbar aus Der Mond ist aufgegangen)
Auch ich verhöre und verlese mich ständig und zwar nicht nur auf Reisen (ich bin wieder einmal, passend zu Nadolny mit einer Netzkarte durch die BuRePu unterwegs), sondern auch im Alltag.

Hier kommen meine schönsten Verleser:

MESSIESTADT
lese ich in Halle, und sofort stelle ich mir diese Situation vor, also nicht nur eine Stadt voller Messies, in der niemand eine Wohnung findet, weil alle Zimmer vollgemüllt sind, sondern auch eine Kommune, die alles aufhebt, in riesigen Hallen stapeln sich ausrangierte Ampeln der 60er, Plakate, die auf die Stadtfeste der Jahre 2001, 2002, 2003 hinweisen, alte Polizeiautos und Polizeiwaffen, sowie 1000 gesamte Aktensätze der Vorwendezeit. Ob es hier überhaupt einen Recyclinghof gibt??
Da merke ich den Fehler: Halle ist eine MESSESTADT

DREAMKUCHEN
lese ich in Allschwil. Da soll noch einer mal sagen, die Schweiz sei nicht tolerant. Scheinbar fertigt hier eine Grossbäckerei herrliche Kuchen und Torten, die nicht nur lecker schmecken, sondern einen auch sehr entspannen. Eine Firma für Spacecakes! Ich bin gerade dabei, mir die Mailadresse zu notieren, um für meinen Fünfzigsten eine Schokotorte und eine Zitronentorte zu bestellen, mit der Aufschrift Fifty Years Rolfing Stone, da entdecke ich, dass die Firma Herde, Kühlschränke und Arbeitsflächen herstellt und einbaut:
DREAMKÜCHEN

IRISCHE POMMES FRITES
lese ich am Frankfurter HBF und versuche mir auszumalen, was die Irischen Pommes von deutschen, holländischen und englischen unterscheidet. Es ist ja meist die Sauce. Während die Oranier Erdnusssauce draufkippen und in Liverpool Essig reingeschüttet wird, das Ganze zu Fisch dazu, gibt es bei den Teutonen Majo und Ketschup, Pommes Schranke. Was verwenden nun die Kelten? Die Flüssigkeiten, in deren Konsum sie den Weltrekord halten? Tee oder Whiskey? Gerade die Verbindung von Kartoffel und Hochprozent stelle ich mir sehr nett vor.
Alles Quatsch, es sind FRISCHE POMMES FRITES.

KEBAB SÄCKE
lese ich in Solothurn. Scheinbar ist der Kebab zu einem solchen Massenphänomen geworden, dass er auch massenweise abgegeben wird. Ähnlich der „Schläggsäggli“, in denen tonnenweise Süsskram wie Bonbons, Fruchtgummi und Schoggi gefüllt wird und die man teilen oder alles allein aufessen kann, Letzteres mit Bauchschmerzgarantie, füllt man hier also riesige Säcke mit Döner Kebab. Auch hier kann man teilen oder die 15 Kebab alleine essen, auch hier mit Bauchschmerzgarantie. Während ich mich noch frage, ob da dann nicht im Sack alles durcheinanderfällt und man eigentlich einen Matsch aus Fleisch, Gurken, Tomaten und Brot kauft, mit Alles und mit Scharf, merke ich, dass es Säcke der KEhrichtBeseitigungsAG

MIT HEIDNISCHEN ZUTATEN GEBRAUT
lese ich in Freiburg. Nun weiss ich, warum ich kein GANTER mag. Die kippen da allerlei Hexenkraut, Teufelszeug und Odinsmilch rein. Wahrscheinlich treffen sich die Braumeister alltäglich um Mitternacht um die Hefe und das Malz mit Blut und Schwefel zu verrühren und unter Absingen von Gesängen, die die Gottheiten der Kelten und der Germanen preisen, das Pils und das Export zum Aufwallen, Überkochen und Überschwappen bringen. Nun weiss ich warum ich kein GANTER mag.
Ein zweiter Blick belehrt mich des Besseren:
Das Bier in Freiburg wird mit HEIMISCHEN Zutaten gemacht.

SCHUSSSIGNAL
lese ich in Lindau am Bahnhof. Finde ich schön, dass jetzt in Deutschland die Abfahrt und Ankunft der Züge mit einem kräftigen Böllerschuss angezeigt wird, da kein Zug pünktlich an- oder abfährt, ist hier doch Abhilfe geboten. Oder werden nun doch - wie schon angekündigt - die Raucher abgeschossen, wenn sie den Smokersbereich verlassen? Da sehe ich: Es ist das Schusssignal der ÖBB. Wieso dürfen jetzt die Aussies in der BRD rumschiessen?
Alles falsch, es ist ein SCHLUSSSIGNAL

PIAZZA BRA
lese ich in Verona. Ein Platz in der Form eines BHs, eines Büstenhalters, oder eine Piazza, auf der man besonders schöne und wohlgefüllte BHs sieht?
Nein, ich habe mich gar nicht verlesen: Ein Schild klärt mich auf: Bra kommt von einem alten norditalienischem Wort und das Ganze heisst so viel wie: Grosser Platz. An diesem Ort steht übrigens auch die weltberühmte Arena.


In diesem Sinne: Allen eine frohe restliche Reisezeit.
Und:
Mögen Sie sich oft verlesen.
Es macht viel Spass.
 

   

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