Montag, 7. Juli 2014

Suárez lehrt uns beissen

Der Rezensent der Popeldorfer Allgemeinen ist mit der Carmen-Premiere nicht zufrieden, die Musik habe keinen Schwung, die Regie keinen Einfall und die Carmencita eine zu brave Stimme. Er titelt im Feuilleton:
BIZET OHNE BISS.
Regula Blümli, die Chefin der GUHAMAG ist unzufrieden mit einem ihrem Mitarbeiter, wenn eine Sache gerade Schwierigkeiten macht, dann lässt er sie liegen, oder er wird krank oder er sucht einen Dummen, der es erledigt. Beim Quartalsgespräch macht die Chefin klar, dass das nächste Projekt von ihm jetzt komplett durchgezogen werden müsse:
DA MUSST DU DICH JETZT DURCHBEISSEN.
Die Ortsgruppe Mallstädt der Freiheitlich-Sozial-Ökologischen Partei (FSÖP) beschliesst auf ihrer Juni-Konferenz, bei den Gemeinderatswahlen 30% anzustreben:
WIR WERDEN ZÄHNE ZEIGEN.

Überall ist von Biss, von Beissen, von Zähnezeigen die Rede, überall soll durchgebissen, zugebissen, soll geschnappt, gekaut werden. Überall werden intakte Schneidezähne, Backenzähne, Hauer, Beisser, überall werden Stift-, Mahl- und Eckzähne gefordert.
Und jetzt tut es mal einer, dann ist es auch nicht recht. 

Suárez spielt Fussball mit Biss, er beisst sich durch, er zeigt Zähne, na und? Wieso ist es völlig legitim, beim Fussball dem Gegner ein Bein zu stellen, ihm in die Eier zu treten, wieso ist es OK, den Anderen zu boxen, zu knuffen und ihm den Arm zu verdrehen, aber nicht ihn zu beissen? Die engen Trikots, die seit dieser WM sämtliche Sixpacks der Spieler zeigen, haben ja nicht die Funktion, eben diese herrlichen Bauchmuskeln zu präsentieren, sondern das Am-Shirt-Packen zu verhindern. Das heisst, man geht schon davon aus, dass Fussballspieler die anderen ständig am Leibchen rupfen. 

Wahrscheinlich ist die Beisserei des Herrn  Suárez auch gar keine Aggression, sondern ein Akt von Liebe und zärtlicher Hingabe, der einfach missverstanden wird. Das Beissen, Knabbern und Kauen ist traumsymbolisch ja stellvertretend für Sexualität – daher kommen Redensarten wie Ich habe dich zum Fressen gern und ich möchte dich vernaschen. In Sartres Geschlossene Gesellschaft wird der Kellner am Anfang nach einer Zahnbürste gefragt, die es in der Hölle natürlich nicht gibt, was das Fehlen jeglicher Lust und Leidenschaft darstellt. Jedenfalls,  Suárez will eventuell eigentlich seine Liebe, seine Hingabe, seine Zärtlichkeit demonstrieren und wird permanent missverstanden. 
Was wird er, der ja nun gesperrt ist, in nächster Zeit machen? Wird er wirklich in den Kosovo gehen, der von der FIFA nicht anerkannt ist und wo auch beissende Fussballspieler spielen (und beissen) dürfen?

Er muss keine Angst haben. Sind die Fussballverbände auch relativ borniert und langweilig, was Kommunikation mit dem Kieferapparat anbelangt,  Suárez wird eine Position finden. Sei es in der Wirtschaft, wo man nicht so zimperlich ist, sei es in der Politik, wo es eh hart zugeht. Was sind da nicht schon Diplomaten die Treppe heruntergeschleudert oder aus dem Fenster geworfen worden, was hat man da nicht schon an den Ohren gezogen, mit Fäusten geschlagen oder auf das Pult gehauen. (Wer erinnert sich nicht an Chrustschow,  der dazu seinen Schuh auszog und ihn benutzte.)
Vielleicht geht unser Beisser auch in die Werbung und macht Reklame für Haftcreme oder Zahnpasta, das wäre doch ein herrliches Bild: Seine Zähne und darunter der Spruch (die Grufties erinnern sich)
DAMIT SIE AUCH MORGEN NOCH KRAFTVOLL ZUBEISSEN KÖNNEN.

Das Beste wäre,  Suárez macht eine Beissschule auf, in diesem Institut können dann alle die trainieren, die Probleme mit dem Beissen haben, das SUAREZ-BITING-INSTITUTE®
So werden dann die Popeldorfer Theaterleute dort geschult, auf dass beim nächsten Wozzeck die Marie richtig schön totgebissen werden und der Rezensent BERG MIT BISS schreiben kann. (Dass der Held dann eigentlich seine Zähne verlieren und diese statt des Messers im Wasser suchen müsste, ist ein kleineres Problem.)
Am SUAREZ-BITING-INSTITUTE® lernen auch die GUHAMAG-Mitarbeiter sich durchzubeissen, so fest, dass man in Zukunft die PC-Kabel extra sichern muss. Und die Mallstädter FSÖP erzielt ungeahnte Erfolge, ihre Mitgliederzahlen explodieren, dank einer beissfreudigen Werbestrategie:

UND WILLST DU NICHT GENOSSE SEIN
SO BEISS ICH DICH INS LINKE BEIN.

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