Donnerstag, 17. Juli 2014

Die Schwimmbad-Rumsteher

Wie Sie wissen, oder vielleicht wissen, bin Schwimmer. Ich schaue, dass ich jeden Tag meine 500m abarbeite und ich bin ständig auf der Suche nach neuen Schwimmbädern, Baggerseen, Waldseen, Küstenstreifen, Badestellen und Ufern. Einige gehören allerdings zu meinen uralten Bekannten wie zum Beispiel das Rüsselsheimer Waldschwimmbad, ein kiefernwaldumsäumter See mit herrlichem Sandstrand und glasklarem Wasser. Nun müsste man eigentlich denken, dass an einem Sonntag im Sommer so ein Bad rappel-, knülle- und stopfvoll ist. Ist es aber nicht. Am 6.7. betrug der Abstand zum nächsten Badetuch ca. 30 Meter.
Ging man dann ein wenig umher, entdeckte man Familien, mittlere und ältere Ehepaare, Mädelsgruppen und Singles um die 50. Wer komplett fehlte, waren junge Männer zwischen 17 und 25. Ein Blick in den Spielplan: Nein, am Sonntag um 13.00 wurde kein Spiel übertragen, es fand auch keines statt. Wo war diese Generation? Hier half nun ein weiterer Blick auf die Landschaft, die ich Ihnen kurz beschreiben muss: Der Waldsee ist an 2/3 seines Ufers von dichtem Schilf bewuchert, an dem restlichen Drittel führt Sand direkt ins Wasser. Hinter dem Schilf liegen Leute auf leicht schrägem Grund, der dahinter von einem Weg und dem Kieferwald begrenzt wird.
Keine Möglichkeit also, das zu tun was junge Männer im Schwimmbad normalerweise machen:
Rumstehen.
Rumstehen und sich zeigen.
Platz wechseln.
Rumstehen.
Rumstehen und sich zeigen.
Sie glauben mir nicht? Gehen Sie doch mal ins Gartenbad St.Jakob! Die Herren schwimmen nicht, sie liegen nicht in der Sonne, sie trinken keinen Kaffee, sie rutschen nicht, sie spielen keinen Fussball oder beachen.
Sie stehen rum.
Sie stehen rum und zeigen sich.
Sie wechseln den Platz.
Und stehen wieder rum.
Stehen rum und zeigen sich.
Wo sollen diese jungen Kerle in einem Etablissement wie dem Waldschwimmbad stehen? Im Schilf? Im Wald? Im Wasser? Auf dem Waldweg? Nein, sie brauchen eine weite Liegewiese oder einen klar abgegrenzten Beckenrand.
Wo sie rumstehen können.
Und deshalb sind die in Rüsselsheimer Freibad, das sicher – ich war noch nie dort – ein stinknormales Gartenbad mit Chlorbecken und Pommesbude ist.
Nun muss man für diese Herren auch ein wenig Verständnis aufbringen. Sie haben den ganzen Winter im Studio geschuftet, haben Gewichte gestemmt und Seile gezogen, sie haben ihren Nacken, ihre Arme und ihre Beine trainiert, haben Bi-, Tri- und Quadrizepse angehäuft, sie haben ihren Bauch definiert, Six-, Eight- und Tenpacks produziert und geschaut, dass das Nabelloch flach genug wird. Sie haben so viel Zeit, so viel Mühe, so viel Blut, Schweiss und Tränen investiert, dass man das Ergebnis doch einfach zeigen muss und sich an den bewundernden und neidischen Blicken mitlifegekrister Geschlechtsgenossen (mich eingeschlossen, mich eingeschlossen, gebe ich ehrlich zu) aufgeilt.
Das Dumme ist, dass das Zeigen des Adonisleibes alles verbietet, was im Bad Spass macht:
Schwimmen – unter Wasser sieht man nix.
Ballspielen – die Felder sind viel zu abgelegen.
Kaffeetrinken – der Tisch verdeckt Six-, Eight- und Tenpack, und ausserdem gibt die Flüssigkeit im Bauch wieder eine hässliche Wölbung.
In der Sonne liegen – Im Liegen sieht jeder einigermassen Schlanke passabel aus, sogar ich, und man will ja den Unterschied zu 50jährigen Grufties zeigen, solchen die nicht ins Studio gehen, oder höchstens zu KIESER®, aber das ist ja für einen richtigen Workouter, einen Workoutoholic ja kein Studio, sondern eine Reha-Klinik.
So stehen die jungen Herren rum.
Und zeigen sich.
Und wechseln den Platz.
Und stehen rum.
Und zeigen sich.
Gut, mir sind die Schwimmbadrumsteher immer noch lieber als die Lebenden Statuen in den Fussgängerzonen, wenn ich die sehe, bedauere ich immer, dass ich Uwe Klings Känguru nicht bei mir habe, das schmeisst die immer vom Sockel und jagt sie. Ich brauche keine Polizisten und keine Sicherheitsleute, die rumstehen, ich brauche keine Ehrendamen und Ehrenknaben und sonstige Verschönerinnen und Verschönerer. Ich brauche nicht mal einen Eckensteher, obwohl der ja in Berlin zur Kultfigur wurde.
Denn ein Gutes haben die Adonisse des Gartenbades: Sie lassen mir meine Bahnen frei, meinen Liegeplatz, meine Cafeteria, mein Volleyballfeld.
Sie stehen ja rum.
Und zeigen sich.
Wenn sie also über 40 sind und ihr Körper nicht mehr ALLEN gezeigt werden muss, wenn sie bei KIESER® waren und nicht in der SUPER-GYM®, wenn sie ein deutliches Nabelloch haben und nur ein Two- oder gar ein Zeropack, dann empfehle ich Ihnen das Rüsselsheimer Waldschwimmbad: Es ist eines der schönsten Bäder, die ich kenne.

 

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