Montag, 10. Februar 2014

Über den Rhein - und dann weiter?

Worte wie "drüben", "die andere Seite", "das andere Ufer", "jenseits" bezeichneten in der Menschheitsgeschichte schon die verschiedensten Dinge. Waren in der Antike und im Mittelalter die Sphäre gemeint, die ein Verstorbener - von Charon ans andere Ufer gebracht - erreichte, meinte man im 19. Jahrhundert Amerika, in das so viele auswanderten. Im 20. Jahrhundert kippte die Konnotation zugunsten von des Deutschlandteiles jenseits der Mauer, "Geh doch nach drüben!", dieser Satz klingt vielen Altlinken immer noch im Ohr. Das andere Ufer, von dem so mancher Mann und so manche Frau kommt, muss ich wohl nicht erwähnen. ICH WUSSTE NICHTS VON DEINENNNN UFFERRRRNNNN! so Nina Hagen in "Der Spinner".
Eine weitere Bedeutung kursiert in allen Städten, die eine richtige und eine falsche Seite ihres Flusses haben. Die richtige ist dabei eben die richtige und wird nicht extra genannt, die andere bekommt eine Bezeichnung. "Jenseits Kochens" sagen die Schwäbisch Haller, so als ob der Kocher ein Ort wäre."Wenigenjena" heisst es an der Saale und "Trastevere" am Tiber. In Basel heisst die falsche Seite Kleinbasel, exakter Glaibasel, und dorthin werde ich am 19.2. umziehen, ich werde ans andere Ufer gehen, nach drüben, ins Jenseits, in eine neue Welt. Ich habe lange überlegt, ob man eine Wohnung mitten im Kuchen aufgeben sollte, aber 30qm mehr, 2 Zimmer, Balkon zum gleichen Preis waren schlagende Argumente.
Seit Sonntag aber plagt mich ein quälender Gedanke: Soll ich die Kisten einfach zu lassen, die Gestelle nicht einräumen, die Zelte nicht aufschlagen, die Wohnung nicht in Beschlag nehmen und einfach weiterziehen? Bin ich noch willkommen in diesem schönen Land?
Aber wohin sollte ich gehen?
Vielleicht dahin, wo man die Deutschen mag, aber leider aus den falschen Gründen. Als mich ein Bulgare einmal als Waffenbruder titulierte (die waren nämlich im WK II auf unserer Seite) lief es mir kalt über den Rücken.
Nach Deutschland zurück?
In die BRD, wo mir ständig die falschen Vokabeln unterlaufen, wo ich "Coiffeur" statt "Frisör" sage, "Zugsmitte" statt "Zugmitte" und "Dossier" statt "Aktenordner" ? Wo ich ständig mit meinen Vergleichen anecke und zu hören bekomme: "Du bist hier nicht in der Schweiz"? In das Land, das ich so als Reise-, Opern-, Konzert- und Kulturland schätze, aber nicht als Wohnland? In das Land, das mir so vertraut ist und so fremd geworden ist?
Nein, ich werde ausharren am anderen Ufer, im Jenseits, drüben, ich werde bleiben,
so schnell wird mich die Schweiz nicht los.
Auch wenn der rote Pass eventuell in die Ferne rückt, denn es kann ja gut sein, dass nach dem Einwanderungs- auch der Einbürgerungsstopp kommt, so viel Rückenwind wie die SVP jetzt hat. Auch wenn ich wieder einmal als "Schwob" tituliert werde, was ich ja auch wirklich bin - im Gegensatz zum Hamburger, "Schwabe" ist der grösste Ehrentitel, man denke nur an Schiller und Hegel - und Daimler.
Auch wenn sich manches ändern wird: Ich bleibe.
Drüben.
Auf der anderen Seite des Flusses.

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