Donnerstag, 5. Dezember 2013

Krupp-Bauknecht (ein Gedicht für den Nikolaus)

Liebe Eltern, liebe Kinder, ihr sucht noch ein wirklich schönes Gedicht für den Nikolaus? Hier habe ich eines für euch. Und zwar die Urform jenes Poems, das wir in der biedermeierverkitschten Fassung von Theodor Storm kennen und das im Original nicht Knecht Ruprecht sondern Krupp-Bauknecht heisst. Geschrieben wurde es vom deutschen Lyriker Emanuel Friedrich Duddel (1820-1848), der zu den von der Literaturwissenschaft sträflich vernachlässigten Grössen des Vormärz gehört. Er wurde am 24.12.1820 in Bonn geboren und starb am 6.12.1848 während eines Barrikadenkampfes in Berlin.

Von City-downtown komm ich her
Ich muss euch sagen, es weihnachtet sehr.
Allüberall auf den Kaufhausspitzen
Sah ich Leuchtreklame blitzen.
Und droben aus dem Himmelstor
Sah die Göttin Eukonomia hervor.
Und wie ich so fuhr mit der Strassenbahn
Rief sie mit lauter Stimme mich an:
„Krupp-Bauknecht“, rief sie, „mein CEO,
starte dein Auto und mache mich froh.
Alte und junge, wie sie auch leben,
Wollen nun wieder Geld ausgeben.
Die Werbung fängt zu leuchten an,
Das Girokonto ist aufgetan,
Und bald schwebe ich hinab auf Erden
Denn es soll wieder Weihnachten werden.“
Ich sprach: „O Göttin der Bilanzen,
Ich bin am Umeinandertanzen!
Ich muss nur noch in diese Stadt,
Wo’s viel solvente Leute hat.“
„Hast denn die Skonti auch bei dir?“
Ich sprach: „Die Skonti, die sind hier.
Denn auch ein Dreck verkauft sich glatt,
Gibt man den Leuten fett Rabatt.“
„Hast auch die Mahnungen bei dir?“
Ich sprach: „Die Mahnungen, die sind hier.
Wer stundet bis Sankt Stephanus,
Für den bleibt nur der Gnadenschuss.“
Eukonomia sprach: „So sei’s!
Krupp-Bauknecht, eine gute Reis‘!“
Von City-downtown komm‘ ich her
Ich muss euch sagen, es weihnachtet sehr.
Nun sprecht, wie ist’s hier bei euch, Leute?
Seid ihr solvent?
Oder gar

Pleite?

 

 

 

 

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