Freitag, 27. Dezember 2013

Kann ich das umtauschen?


„Wie, du fährst am 26.12. in Ferien?“, fragt mich ein Kollege, „und bis 2.1.? Und wann gehst du umtauschen?“ Meine Antwort ist kurz und bündig: „Gar nicht. Ich muss nichts umtauschen.“ Der junge Mann seufzt: „Du Glücklicher. Ich brauche immer einen ganzen Tag, ich habe mir den 3.1. noch als Brücke dafür reserviert.“

Umtauschen. Der Volkssport Nr.1 zwischen den Jahren. Horden von Männern und Frauen, Teenies und Omas, Ehemännern und Ehefrauen, quer durch alle sozialen Schichten und Berufsgruppen stürmen mit wildem Geheul die Kaufhäuser, zücken Originalverpackungen und Quittungen, werfen sie auf die Theken und schreien die magischen 4 Worte durch den Laden:

„Können Sie das umtauschen?“

Dabei lassen sie alle Wut, allen Zorn, alle Enttäuschung über die verunglückten Geschenke, die sie ja eigentlich an den Schenkern oder den Beschenkten auslassen müssten, an den Detailhändlern aus, die mit stoischer Ruhe Originalverpackungen und Quittungen entgegennehmen und die passende Neuware suchen. Aber wehe, Originalkarton und Beleg fehlen, dann dürfen nämlich auch die Händler endlich einmal ihre Wut, ihren Zorn, ihre Enttäuschung über die dämliche Kundschaft an dieser auslassen und brüllen ihre 6 magischen Worte durch den Laden:

„So kann ich das nicht umtauschen!“

Und so tobt im Einzelhandel zwischen Stephans- und Dreikönigstag ein Krieg, denn nun ist ja auch das Fest der Liebe und des Friedens vorbei. Musste man zu ekligen Kunden VOR Weihnachten noch süsslich und lieb sein, darf man NACH Weihnachten endlich wieder muffig (wenn Verpackung und Beleg vorhanden) oder richtig böse sein. (wenn Hülle und Quittung fehlen)

Warum nun wird so viel umgetauscht?
Weil falsch geschenkt wurde?
Mitnichten.
OK, manchmal schon. Manchmal hat Oma nicht kapiert, dass es bei Elektronikzubehör auf jedes Zeichen ankommt und dass der TZR5656 und der DZR5656 nicht kompatibel sind. Manchmal kam einer auf die glorreiche Idee, einem fanatischen Jelinekianer das neue Buch von Elfriede zu kaufen, das jener natürlich seit Wochen im Regal hat, weil er es in Subskription bezieht. Manchmal hat auch jemand nicht gecheckt, dass Menschen ab- oder zunehmen und die oder der Beschenkte auf einmal in Grösse S passen oder in M eben nicht mehr hineinkommen. (Meistens sind die Veränderungen übrigens schon vor Jahren eingetreten, man hat sie nur ignoriert.)

Der wahre Grund liegt aber ganz woanders:
Das Tauschen ist ein menschlicher Urinstinkt.

 Die Menschen rennen seit Jahrtausenden durch die Lande und versuchen irgendwelche materiellen oder immateriellen Güter gegen andere einzuwechseln, immer in der Hoffnung, etwas Besseres, etwas Saftigeres, etwas Schöneres, Geileres zu erhalten, etwas, das mehr glänzt, schneller rollt oder besser tötet. Sagen, Märchen und Mythen, Epen und religiöse Schriften berichten davon. Da tauscht Adam Erkenntnis gegen paradiesisches Leben, da gibt Esau sein Erstgeburtsrecht gegen einen Teller Linsensuppe, da legt Wotan den Riesen den Ring in die Pranken um seine Schwägerin wieder zu bekommen. Hans im Glück tauscht das ganze Märchen hindurch, am Anfang hat er einen Goldklumpen und am Ende nix und in 1001 Nacht läuft ein Zauberer herum, der neue Lampen gegen alte tauscht, in der Hoffnung eine von den alten möge die Wunderlampe Aladins sein. Dazu kommen noch die unzähligen Frauen, die ihre unsterbliche Seele gegen die Liebe des Märchenprinzen herschenken: Undine (auch Rusalka genannt), die kleine Meerjungfrau alias Arielle, la Sylphide, Giselle und Arwen. Schaut man da aber mal genau hin, merkt man, dass viele einen miesen Tausch machen: Wie gut muss eine Linsensuppe sein, damit dieses Geschäft lohnt? Welcher einigermassen vernünftig denkende Mann gibt etwas her um seine Schwägerin wieder in die Arme zu schliessen, die meisten wollen sie doch los sein? Hans im Glück trägt seinen Titel ironischerweise: Er verschlechtert sich von Tausch zu Tausch, und die Märchenprinzen lohnen absolut nicht die Aufgabe der ewigen Seele.

Rein rechnerisch ist das auch klar. Bei Nichtgleichwertigkeit der Tauschobjekte machen 50% der Leute ein schlechtes Geschäft, einen miesen Tausch, den Fall, dass Milo auf dem Dachboden eine Geige und ein Mundstück und Malo eine Oboe und einen Bogen findet, die gibt es wirklich nur im Märchen.
Trotzdem wird getauscht, trotzdem gehört das Ich-gebe-dir-X-und-du-gibst-mir-Y zu den ältesten Ritualen der Erde.
Dennoch rennt die Menschheit durch die Welt und brüllt: „Wer tauscht…?“ Immer auf der Suche nach dem Schöneren, Besseren, Weiseren, immer bereit etwas für das angebliche Superobjekt herzugeben. Und deshalb stürmen auch dieses Jahr die brüllenden Horden die Kaufhäuser, Originalverpackung und Quittung in der Hand.

Aber ich behalte mein Erstgeburtsrecht, meinen Ring, meinen Goldklumpen und meine Seele und mache zwischen den Jahren lieber Ferien als mich in den Krieg zu stürzen.

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