Montag, 28. Oktober 2013

Glankowski ist treu


An der Rezeption des Kurhotels „Schneckenburg“ in Bad Schleichenhahn checkt ein Paar ein, er so um die 50, spiessiger Mantel, Bäuchlein und die Haare, die noch da sind, leicht ergraut, sie deutlich jünger und solariumsgebräunt, mit einem – wie meine Mutter jetzt gesagt hätte – Stich ins ordinäre.
Die Frau am Tresen kontrolliert das Formular und überreicht die Schlüssel: „Schönen Aufenthalt bei uns, Herr Glankowski, schönen Aufenthalt, Frau Fradtmann.“ „Ich heisse Biesebeck!“, zischt die Dame zurück, „ich habe doch eben den Zettel abgegeben! Ich möchte nicht mit meiner Vorgängerin verwechselt werden!“ Ihr Abgang zum Lift hin ist filmreif, der Mann schlurft achselzuckend hinterher.
„Ist aber auch wirklich kompliziert mit dem seinen Frauen“, seufzt die Rezeptionistin, die übrigens Lore Langsam heisst und die Inhaberin ist. Da ich etwas Zeit habe, erzählt sie mir die ganze Story:
Herr Glankowski reist seit 20 Jahren nach Bad Schleichenhahn, immer im Juni und immer mit einer neuen Frau.
Er wohnt immer in der Schneckenburg, immer im Zimmer 16, nach hinten raus und mit Balkon und immer mit einer neuen Frau.
Er frühstückt stets ein weiches Ei, 2 Brötchen, Marmelade und koffeinfreien Kaffee.
Immer mit einer neuen Frau.
Er geht vormittags wandern, nachmittags in die Kurtherme, abends in der Schildkröte oder in der Kutsche essen, meistens Hackbraten oder Würstchen, immer mit einer neuen Frau.
„Stellen Sie sich das vor“, so Lore Langsam, „ein Gast, bei dem ich alles voraussehen kann, ich weiss, welche Handtuchfarbe er mag und wann er zum Frühstück erscheint, aber nicht den Namen seiner Partnerin! Jetzt hatte ich mich an Fradtmann gewöhnt, da kann es doch mal passieren, dass ich den falschen Namen sage, da muss diese Biesebeck doch nicht so schreien.“ Ich pflichte der Inhaberin bei. Und ich frage sie, was mir eigentlich eh schon klar ist: Ob der werte Herr Fussballfan sei, und wie lange für welchen Verein? Borussia-Fan, seit seiner Kindheit. Ob er schon länger bei seinem Arbeitgeber sei? Stadtverwaltung Dortmund, letztes Jahr 30jähriges Dienstjubiläum.
Glankowski ist ein treuer Mensch. Er ist seiner Dienststelle, seinem Vermieter, seiner Tageszeitung, seiner Stammkneipe und seinen Gewohnheiten treu. Er hält seiner Schrebergartenkolonie, seinem Taubenzüchterverein und seiner Currywurstbude die Treue.
Nur nicht seinen Frauen.
Und das hat einen klaren Grund: Die Weiber wollen Veränderung! Suse Fradtmann zum Beispiel kam doch letzten Winter mit Nordsee-Prospekten. Die wollte ans Meer! Ging natürlich gar nicht. Oder Marianne Pubilski wollte, dass er zu ihr zieht. Fünf Strassen weiter, fast in einem anderen Quartier. Oder die Imke, die wollte, dass er sich beruflich verändert, weiterbildet, etwas anderes macht. „Alle 2 Jahre ein Formular in einer neuen Farbe, das ist Abwechslung genug.“ Meinte er und schmiss sie raus. Ja, und dann waren da noch die Weiber, die ihm einen neuen Kleidungsstil aufschwatzen wollten. Das haben wir  noch nicht erwähnt, aber es dürfte sicher klar sein: Glankowski trägt seit Jahrzehnten die gleichen Schnitte und die gleichen Farben.
Und weil er nun allen seinen Dingen treu ist, wechselt er lieber die Frauen, als dass er irgendetwas verändert.
Aber gibt es nicht Frauen, die das mitmachen würden, nur um noch einen Kerl abzubekommen? Natürlich, aber unser Held bevorzugt jüngere Damen, auch darin ist er sich treu, und solange eine Frau noch nicht wirklich Torschlusspanik hat, wird sie sich auf so einen Kerl nicht einlassen. Einen Kerl, bei dem sie nicht einmal ein neues Bild in der Wohnung aufhängen darf.
Als ich nach dem Auspacken an der Rezeption vorbeikomme, hängt dort an der Pinwand ein grosser Zettel:
ACHTUNG! DIE PARTNERIN VON HERRN GLANKOWSKI HEISST BIESEBECK!
Hoffentlich verspricht sich keiner der Angestellten in den nächsten Wochen, und hoffentlich vergessen auch alle den Namen dann wieder ganz schnell.


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