Dienstag, 6. August 2013

Ihr gerietet in meine Schusseligkeit

Als ich den Blog startete, versprach ich Ihnen, über meine zahlreichen Tolpatschigkeiten, meine Pleiten, Pech und Pannen zu schreiben.
Aber irgendwie sind diese in letzter Zeit weniger geworden. Ja, die lustigen Dinge scheinen immer anderen Leuten  zu passieren.
Wenn im ICE nach Leipzig drei Chinesinnen den Zugschaffner bestürmen, mit der Abfahrt noch ein wenig zu warten, sie müssten aussteigen, aber eine Tasche hinge fest, wenn dann Li, Lu und Lo das Problem lösen, indem sie den Riemen der Tasche einfach durchschneiden, dann möchte ich rufen: "Wieso ihr? Das ist doch meine Rolle!"
Wenn mein Kumpel sein Bierglas nicht einfach umwirft, sondern es in tausend Einzelteile zerlegt und das Bier nicht nur schwappt, sondern einen Meter hoch in meiner Sporttasche steht, und ich am nächsten Tag nicht nur eine neue Tasche, sondern auch ein neues Portemonnaie kaufe, weil alles nach Gerstensaft stinkt, dann möchte ich rufen:
"Wieso du? Das ist doch meine Rolle!"
Wenn meine Freundin auf der Carreise nach Lyon Rotwein ausschenkt und nicht kontrolliert, ob in den Gläserhaltern auch Gläser sind und der Vino durch das Loch in den Klapptischen auf den Boden fliesst, möchte ich schreien:
"Ich bin das, ich bin der, der die Sauce in das Salatsieb kippt und sich wundert, dass alles tropft, nicht du!"
Woher kommt das, dass ich so seriös geworden bin und das Ungeschick den anderen passiert?
Gut, vielleicht hindert der Gedanke an eine Verpostung das Missgeschick, weil ich mich mehr konzentriere. Wenn ich mit einem vollen Tablett in den Ferien vom Buffet zur Terrasse laufe und denke: "Wenn du jetzt alles fallen liessest, gäbe es einen schönen Post.", dann geschieht eben nichts, weil ich an die mögliche Panne denke. Wenn ich auf eine offene Türe zulaufe und denke: "Wenn das jetzt nicht offen ist, sondern eine Glasscheibe, das gibt einen schönen Post, dann passe ich eben auf und es passiert gar nix.
Aber was ist mit den anderen Leuten?
"Ihr gerietet in mein Sterben", sagt der alternde Künstler in Dürrenmatts Meteor, der sich zum Abscheiden in eine Dachkammer zurückgezogen hat, denn alle, die ihn besuchen, verunglücken irgendwie, er selbst aber darf nicht gehen. Wie ein Meteor scheint er die Menschen um ihn herum ins Verderben zu ziehen.
"Ihr gerietet in meine Schusseligkeit", müsste ich vielleicht auch sagen, wenn um mich herum die Pannen passieren. Also halten Sie Abstand, wenn Sie mich in der Stadt sehen. Sie werden sonst stolpern und ziemlich zerbrechliche Sachen herunterschmeissen.
Neulich - und deshalb erzähle ich die Story - ist mir doch wieder einmal eine schöne Sache gelungen. Bei einer Aufführung der Turandot auf den Domstufen in Erfurt ging ich in der Pause zwei Weisswein holen. Das Gastrozelt war noch schön leer, ich bestellte und sofort standen die Gläser vor mir. Als ich allerdings einen 20 Euro-Schein zückte, wurde die schillernde Flüssigkeit alsobald zurückgezogen und ich darauf hingewiesen, dass ich mich auf einer Privateinladung befände. Also stellte ich mich am normalen Ausschank in die Schlange. "Waren Sie da drin?", fragte der Mann hinter mir. "Ja", sagte ich, "ich hatte sogar schon meinen Wein." "Wow, die schicken sonst jeden sofort raus, das ist das VIP-Zelt der HELABA, der Hessischen Landesbank." Und ich war da einfach reingelatscht, allerdings in sehr gepflegter Kleidung, weisses Sakko, neues Hemd mit passender Krawatte, und in sehr aufrechter Haltung. (Kleider machen Leute! Meine Mutter hat das immer gesagt.) Nur das mit dem Geldschein hätte nicht passieren dürfen. Wenn ich schlagfertig gewesen wäre, hätte ich gesagt: "Ist für Sie." Der Wein hätte dann zwar das doppelte gekostet, aber darum geht es ja dann gar nicht. Oder doch? Jedenfalls sollte man in VIP-Zelten, Lounges Staff only, Privatbereichen, Promieinladungen nicht mit Geldscheinen umeinanderwedeln.
"Daran müssen Sie noch arbeiten", meinte die Dame vor mir, "wenn Sie es wirklich zum Profi-Schnorrer bringen wollen."
Werde ich.
Werde ich.












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