Montag, 8. Juli 2013

Perfekter Tag oder: Lass das Haar mal in der Suppe


„Der letzte Freitag war ein perfekter Tag. Schulabschluss in Solothurn, tränenreicher Abschied von meinen Rabauken, die wir in die Berufswelt entlassen, Apéro im Kollegenkreis, dann nach Basel, auspacken und umziehen. Am Abend in Avenches. Fahrt mit Luxuscar, Wein und Sandwiches, die Landschaft des Seelandes zieht vor dem Fenster vorbei. Schon beim Einsteigen hatte mich ein ehemaliger Kollege begrüsst und uns seine neue Partnerin vorgestellt. Sie entpuppte sich als absolute Opernkennerin, Kulturreisende, eine charmante und unterhaltsame Frau. Nichts lag also näher, als zusammenzubleiben, Bummel durch die herrliche Altstadt, Abendessen zu viert im La Couronne, Vorspeisen und Entrecote, Rosé aus der Gegend. Und dann ein Nabucco unter dem Sternenhimmel, musikalisch perfekt und eindrücklich inszeniert.“
Als ich Luft hole, meint mein Gegenüber: „Du bist einfach ein Glückspilz, ich würde gerne auch einmal einen so perfekten Tag erleben.“
Nun kann ich mich nicht beherrschen: „Das würdest du ständig, wenn du nicht ein solcher Motzkübel wärest.“
„Das stimmt doch überhaupt nicht!“
„Oooo doch. Dir wäre schon der ganze 5.7.zu heiss gewesen, im Car allerdings hätte dich die Klimaanlage verrückt gemacht. Der Weisswein wäre dir zu süss erschienen und dann hättest du vielleicht nur ein Käse- statt eines Schinkensandwich bekommen. In Avenches hätte dich der Rummel gestört, vom Essen will ich gar nicht reden, da du ein notorischer Kellnerquäler bist, hättest du an Vor- und Hauptspeise etwas auszusetzen gehabt. In der Arena wären die Bänke zu hart gewesen und die Treppen zu steil, ausserdem hättest du das Vibrato der Abigail, das Timbre des Ismaele und die Mittellage des Nabucco scheusslich gefunden. Und die Inszenierung? Seien wir ehrlich, die letzte Inszenierung, die dir gefallen hat, war der Räuber Hotzenplotz des Stadttheaters Liestal, da warst du vier.“
„Du stellst mich als total negativen Menschen dar.“
„Da muss ich gar nichts darstellen, du BIST ein total negativer Mensch. Du findest immer etwas zu mäkeln, schimpfen, motzen, kritisieren, du findest immer die wunde Stelle, den Fleck, den Makel. Wenn man dir einen Obstkorb schenkt, drehst du jede Frucht so lange um, bis du eine wurmstichige findest, schenkt man dir ein Buch, findest du einen Kommafehler, scheint die Sonne, ist es zu drückend, weht der Wind, ist es dir zu stürmisch und bei Regen bist du eh kurz vor dem Amoklauf.“
„Ok, stopp, was willst du mir jetzt damit sagen?“
„Dass auch du einen perfekten Tag erleben kannst, zum Beispiel nächsten Samstag. Fahre an den Sempachersee, gehe schwimmen, esse in Sursee in der wunderschönen Altstadt, aber mache es dir nicht selber kaputt.“
„Der Sempachersee hat Algen und die Badi ist extrem überlaufen und in Sursee gibt nun wirklich kein einziges vernünftiges Restaurant.“
Ich beende das Gespräch, denn hier ist Hopfen und Malz verloren. Schade, denn ich erlebe so viele perfekte Tage, die ich anderen auch gönnen würde. Aber wer nach dem Haar in der Suppe sucht, der findet es auch. Inga und Wolf haben in den Siebzigern gesungen:

Lass das Haar mal in der Suppe
Vielleicht fühlt es sich da wohl
Es gibt Blumen für die Schönheit
Für den Hunger Blumenkohl

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