Donnerstag, 4. Juli 2013

Ich werde ausspioniert

Ich hatte immer den Eindruck, dass etwas nicht stimmt:
Meine Post ging zu leicht auf, als ob die Briefe schon einmal offen waren, beim Telefonieren hatte ich so einen komischen Hall in der Leitung. Ich halte - die mich kennen, wissen das - peinliche Ordnung, insofern fielen mir Akten auf, die nicht mehr parallel zum Schreibtischrand lagen, Stühle, die nicht mehr exakt unter dem Tisch standen, Bücher, die einen Millimeter aus den anderen herausragten. Mails und SMS verschwanden auf merkwürdige Weise, obwohl der Absender mir zeigen konnte, dass er oder sie sie abgeschickt hatte, waren sie nie angekommen.
Nun war ich neulich auf einen Trick verfallen: Ich ging aus dem Haus, lief zum Barfüsserplatz, stieg in die Linie 14, wechselte aber schon am Bankverein das Tram, schlug ein paar Haken, wechselte nochmals, und ich kehrte eine halbe Stunde später zurück und schlich mich via Hintereingang in ein Café in der Nähe meines Hauses.
Um 11.00 machte sich ein dürrer junger Mann an meinem Briefkasten zu schaffen. Ich stürzte aus dem Bistro und zwang ihn mit einem Schweizerarmeemesser bewaffnet in meine Wohnung. Da er eigentlich eher einen schüchternen und zagen Eindruck machte, steckte ich die Mordwaffe bald weg und bot ihm einen Cognac an. Unter Tränen gestand Vic, so hiess der CIA-Agent, dass er seit einem halben Jahr schon hinter mir her sei, und das, obwohl es gar keinen Grund gebe.
"Es ist einfach alles so simpel geworden", schluchzte Vic, "weisst du, früher konnten wir uns tagelang damit beschäftigen, das Leben eines Beobachteten zu dokumentieren: XY geht aus dem Haus, XY kauft Zigaretten (Parisienne rot, 2 Packungen), XY geht einen Espresso im MOULIN trinken, XY kauft eine Zeitung (BAZ), XY geht nach Hause. Heute schreiben die Leute das alles selber auf, sie posten, sie twittern, sie bloggen, sie facebooken, heute kann ich den gesamten Tag eines Menschen im Internet nachlesen: Hey Leute, hab grad Zigaretten gekauft und trinke jetzt geilen Espresso im MOULIN, dann gehe ich nach Hause (+Bild vom Kaffee).  Ja, manchmal bieten mir Leute, die ich ausspionieren sollte, sogar selber eine Online-Freundschaft an. Und weil ich eigentlich nichts zu tun habe, spioniere ich halt so in der Gegend umeinander. Bei dir macht das wenigstens noch Spass mit den staatsfeindlichen Texten, die ich in deinem PC finde." (Ich verschwieg ihm, weil er so glücklich war, dass er jeden Text auch 5 Tage später online finden könne.)
"Seid ihr deshalb inzwischen hinter Verbündeten und neutralen Staaten her?"
Vic weinte heftiger: "Was sollen wir denn machen? Wir sind einfach zu viele. Allein die CIA hat 20.000 Agenten und wir sind nur ein Geheimdienst von vielen."
"Hast du nichts anderes gelernt?" "Nein, ich habe nur Spionausbildung."
Vic hatte sich nach 14 Cognacs einigermassen beruhigt und legte sich auf mein Sofa zum Schlafen.
Ich aber kam ins Nachdenken: Wanzen in Berlin, Bern, Wien und Paris, nur, weil so viele US-Agenten nichts zu tun haben? Irgendwie blöd. Kann man die ganzen Geheimdienste nicht einfach abschaffen? Und was macht jetzt der aufgeflogene Vic??
Also Leute:
Habt ihr eine Stelle für jemand mit diesen Fähigkeiten:
* Vic rennt wie der Teufel, kann 5 Minuten unter Wasser bleiben und hat eine Kondition wie ein Bär.
* Vic spricht 20 Sprachen akzentfrei (und hat auch die entsprechenden Pässe)
* Vic hat ein fotografisches Gedächtnis, er weiss sofort, welche und wie viele Personen sich in einem Raum befinden und kennt nach 30 Sekunden alle Nummernschilder eines Parkplatzes
*Vic ist extrem gut organisiert

P.S. Und wenn jetzt jemand sagt, ich hätte zu viel BOURNE-Trilogie geschaut: Ja, natürlich.
Aber ich glaube, dass die BOURNE-Filme relativ realistisch sind, es gibt sicher viele Geheimprojekte innerhalb eines Geheimprojektes innerhalb eines Geheimdienstes.

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