Samstag, 13. Juli 2013

Mannheim, die Fächerstadt oder: Ich schreibe mein Leben neu

Im Zug nach Berlin treffe ich einen US-Touristen. Er heisst John und kommt aus Peacetown, Oregon. Wir kommen ins Gespräch und ich erzähle ihm, dass ich viel in Deutschland unterwegs bin. Unter anderem erwähne ich Mannheim, wo ich neulich Achim Freyers Ring gesehen habe. John ist ein gebildeter Mensch, er hat den Namen Freyer schon einmal gehört und kann mühelos den Walkürenritt, den Waldvogelgesang und Starke Scheite schichtet mir auf singen. Bei der Erwähnung von Mannheim allerdings sagt er: "Aha, die Fächerstadt." Ich erwidere, das sei nicht ganz korrekt, die Fächerstadt sei Karlsruhe. Nein, meint er, Mannheim und Karlsruhe seien barocke Reissbrettplanungen, die erste ein Fächer und die zweite quadratisch. Nun werde ich als gebürtiger Baden-Württemberger doch ein wenig ungeduldig, immerhin war ich im Kinderwagen schon am Wasserturm und bin mit 4 Jahren schon auf die Pyramide geklettert. Ich frage ihn, woher denn seine Informationen stammten. "Stand im Internet."
Aus, vorbei, Kapitulation. Gegen das Internet bist du machtlos. Wenn das irgendwo stand, muss es ja stimmen. Das Internet hat immer recht.
Damit das aber keine Online-Schelte wird, muss man weiter ausholen: Das Gedruckte Wort wurde zu allen Zeiten als wahrer und richtiger angesehen, ja, eigentlich sogar das GESCHRIEBENE Wort. Der grösste Schwachsinn wurde wahr, wenn ihn eine Person aufschrieb.
Tiere nach Hirschart ohne Kniegelenke, die sich zum Schlafen an die Bäume lehnen und gefangen werden, indem man die Bäume fällt? Gallisches Ammenmärchen, bei Cäsar wird es zur Tatsache und Millionen von Pennälern mussten es übersetzen. Tausende von Berühmtheiten haben falsche Geburtsdaten, weil die Dorfpfarrer an einer eklatanten Diskalkulie litten. Jägermeister, Biccini und die Steinlaus waren ja nicht aus den Lexika herauszubringen. Und Autobiografien? Erstunken und erlogen. Und wer nicht selber schreiben konnte, hielt sich einen "Leiblügner", so nannte Karl der Grosse seinen Meister Eckehart.
Und jetzt kommt mir eine Idee: Ich werde eine Homepage schalten und da kommt dann eine Vita hinein, bei der ich sehr frei mit den Fakten umgehen werde.
Ich werde mich einbürgern, werde in Kreuzlingen geboren sein, aus 5 Wochen Arizona werden 5 Jahre San Francisco, später habe ich Frankfurt Musik und Philosophie studiert, ich war Assistent von allen Leuten, mit denen ich schon einmal am Tisch sass oder bei einer Derniere angestossen habe: Michael Tilson Thomas, Dieter Schnebel, Herbert Wernicke und natürlich Cornelius Meister, von dem habe ich sogar die Handynummer.
Ich werde in Holland gelebt und die grössten Chöre und Opernkompanien gegründet haben. Ich werde ein Genie sein und natürlich den Dr. vor dem Namen haben.
Und meine vielen Freunde, die schon mein ganzes Leben mit mir geteilt, die von Kindesbeinen an mit mir gelacht und geweint, die mit mir Nächte durchgesoffen und durchdiskutiert haben, werden immer wieder verzweifeln.
"Der Rolf Herter ist kein Eidgenosse, der ist Stuttgarter, ich ging mit dem doch in die Klasse." "Der ist Kreuzlinger, stand im Internet."
"Der Rolf Herter war ein paar Wochen in der Buena Vista High School kurz vor der Mexikanischen Grenze, ich war ja dabei." "Der war am Golden Gate, stand im Internet."
"Der Rolf Herter hat den Knabenchor bei der Jeanne d´arc gemacht und Meister hat gesamtgeleitet." "Der war Assistent von Meister, stand im Internet."
Gegen Geschriebenes sind Sie machtlos, waren Sie immer schon.
Übrigens war EGINHART der Schreiber Karls, aber jetzt war es halt Meister Eckhart, es steht ja jetzt oben - IM INTERNET.

Diesmal einen Tag zu spät - ich weiss nicht, wie man mit den Daten hier hackmogelt, sonst stünde es auch fa schwarz auf weiss und ...... falsch

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen