Freitag, 23. November 2012

Möven in Kleinhüningen

Neulich, am 22.10. - Sie erinnern sich, das war der heisseste Oktobertag seit 1764 - sass ich auf der Terrasse des Restaurants SCHIFF in Kleinhüningen. Die Sonne knallte von einem tiefblauen Himmel, dreissig Möven tobten über der Wiese (für die Nichtbasler: das ist ein Fluss), vor mir ein leckerer Salat und ein kühler Weisswein, mein weisses T-Shirt und meine blauen Bermudas waren mir fast schon zu warm, aber ich kann ja nicht in der Badehose essen gehn... Da klingelte mein Handy: Es war Horst. "Rat mal, wo ich bin! In Südfrankreich! In Montpellier!" "Und?" "Ich sitze an einem Kanal, und da sind ganz viele Möven, und es ist toootaaal heiss, ich trage T-Shirt uns Shorts, und ich esse gerade einen Salat und trinke einen Weisswein." "Gut, all das habe ich auch gerade, ich bin in Kleinhüningen, selbst die Möven sind ebenfalls da." "Aber ich in Südfrankreich! In Mont-Pel-Lier! Du weisst schon."
Nein, wusste ich nicht. Also bat ich ihn, wieder anzurufen, wenn er irgendetwas Besonderes gesehen hätte. Er legte beleidigt auf.
OK, das war fies von mir. Horst arbeitet als CEO 14 Stunden am Tag, 7 Tage die Woche, 51 Wochen im Jahr, er schrammt die ganze Zeit so knapp an einem Burnout vorbei wie das Lissaboner Tram an den Hauswänden, jetzt nimmt er sich einmal ein paar Tage frei, und natürlich ist dann alles, aber auch wirklich alles neu, interessant und schön. Aber hätte er nicht die Luft, den Himmel, das Licht beschreiben können, die dort unten wirklich ganz eigen sind? Einen Platz, ein Haus, eine Kirche schildern? Oder gleich ans Meer sitzen, das wir ja in der Tat nicht haben?
Erst wenn wir daheim mit wachen Augen durch die Strassen und die Landschaft gehen, können wir doch auf Reisen das Wichtige erkennen. Erst wenn wir wissen, was im Nachbargarten wächst, sehen wir wirklich die Blumenpracht auf Menorca, erst wenn wir unsere Kirchen angeschaut haben, entdecken wir irgendwo an der Ostsee eine Backsteinkirche mit einem backsteingeflochtenen Alphabet an der Fassade, was wir noch nie erblickt haben.
Franz Hohler hat dies das letzte Jahr getan: Er ist in Zürich spazierengegangen. Kleine Touren, bei denen er vieles neu gesehen hat und er schildert diese Miniaturen mit einer wunderbaren Sprache und viel Liebe zum Detail. Spaziergänge heisst diese Büchlein und ist bei Luchterhand erschienen. (nein, ich werde nicht von Luchterhand gesponsort)
Ich weiss auch, wem ich das Bändchen schenken werde: Meinem Kumpel Horst. Obwohl ich weiss, dass er zum Lesen eigentlich auch nie Zeit findet. Aber vielleicht heilen ihn schon ein paar Seiten. Und als Widmung schreibe ich hinein:
Für deine Imbisse an der Wiese, denn
Möven gibt es auch in Kleinhüningen.

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