Donnerstag, 23. August 2012

Pussy Riot II: Mirjam

Der Pussy Riot-Virus greift um sich: Neulich trat in Wladiwostok eine junge Frau vor die Ikonenwand und sang die folgenden Zeilen, a capella und mit samtener Stimme:

Mein Verstand und mein Gefühl preisen Gott.
Er hat meine Chancenlosigkeit als Frau gesehen und sich erbarmt.
Alle zukünftigen Generationen werden sagen, dass ich Glück hatte.

ER schmeisst die Machthaber aus dem Amt und gibt der Unterschicht Macht.
ER weist Eitle und Eingebildete in ihre Schranken und unterstützt Menschen mit sozialem Denken.
ER nimmt den Reichen ihre Kohle weg und gibt die an die Sozialhilfeempfänger.

Die Frau wurde sofort verhaftet, denn die Gemeinde hatte sehr schnell begriffen, wer da aus dem Amt geschmissen werden sollte. Die Befragung erwies sich allerdings als schwierig. Die junge Dame hatte keine Dokumente bei sich, gab als Namen Mirjam, Tochter der Anna, als Geburtsort Nazareth, als Wohnort "über den Wolken" und als Alter 2000 Jahre an. Sie beteuerte, das Lied schon oft gesungen und nie Schwierigkeiten bekommen zu haben, sie hätte nur den Text ein wenig an die heutige Sprache angepasst. Ja, sie verstieg sich sogar zu der Behauptung, ein Arzt namens Lukas habe es aufgeschrieben und es sei in einem kirchlichen Buch zu finden. Diese Behauptung war so absurd, dass schallendes Gelächter ausbrach, Gott sei auf der Seite der Regierungen, ob sie das nicht wisse?
Ihr konnten keine Kontakte zu Pussy Riot nachgewiesen werden. Zu dem Liede der Punkgruppe äusserte Mirjam, sie fände es provokant, aber interessant, allerdings hätte man doch als Adressaten eher Joseph, den Patron der Werktätigen, des Proletariats, nehmen sollen.
Mirjam kam in Untersuchungshaft.
Am nächsten Tag war die Zelle leer. Wie ihr die Flucht gelang, bleibt unklar.

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