Donnerstag, 2. August 2012

Hummelflug in Olympia


Das IOC gab gestern in einer viel beachteten Pressekonferenz  bekannt, dass eine neue Olympische Disziplin in den Kanon aufgenommen wurde. In der Vorrede wurde noch einmal betont, wie schwierig es sei, den Reigen der Sportarten zu erweitern. Einerseits muss eine klare Konkurrenz stattfinden und das Ergebnis messbar sein, deshalb haben es die New Games mit ihrem heiteren Wir haben alle Spass nicht geschafft, andererseits muss die Disziplin medienträchtig und publikumswirksam sein. So kämpft der Weltschachbund seit Jahren vergeblich, Schach ist einfach zu langweilig zum Anschauen, auch das Brockianische Ultrakricket, das ja hinter Mauern gespielt wird, wird es nie unter das Olympische Feuer schaffen. Ein dritter wichtiger Punkt ist die Verbreitung in allen Ländern, so flogen schon Sportarten wieder raus, weil immer das gleiche Land gewann. Daher schafft es auch der OL nicht, es wäre zu öde, wenn man sich nur fragen würde, ob dieses Mal Schweden Gold und die Schweiz Silber bekäme, oder das Ganze umgedreht.
Dann holte das IOC Atem und verkündete: Ab London 2012 gibt es Instrumentales Schnellspiel als Olympische Disziplin. Ein Sturm der Entrüstung brach los, das sei jetzt wirklich der totale Schwachsinn, eine unglaubliche Schnapsidee, dafür gebe es ja schliesslich Musikwettweberbe.
Ich gebe dem IOC Recht: Instrumentales Schnellspiel (IS) ist klar und messbar. Jeder Violinist kann Ihnen sagen, wie rasant er den Hummelflug schon gespielt hat, und wie seine Bestzeit sich zu Haifez (1‘6‘‘), Menuhin (1‘7‘‘) und Oistrach (59‘‘) verhält, auch wenn er behauptet, es käme ihm auf Klang und Ausdruck an. Jede Pianistin, auch wenn sie noch so sehr beteuert, der Minutenwalzer sei ein schwungvolles und heiteres, aber kein Tempostück, wird probieren, ihn wirklich in einer Minute zu spielen. Ob Oktavsprünge, Läufe oder Arpeggien: In der Musik gilt schneller, höher, weiter.
IS ist medienträchtig und publikumswirksam, und da es auch in der Klassik längst auch aufs Aussehen ankommt – warum ist Lang Lang so viel erfolgreicher als der hundertmal bessere Sokolow? – wäre es dann auch reizvoll, die Athleten, denn IS ist nichts für Künstler, in hautenge Trikots und kurze Leibchen zu stecken, damit sie ihre durchtrainierten und muskelbepackten Körper nicht mehr in Abendkleid und Frack verstecken müssen.
IS wird auf der ganzen Welt betrieben, auch wenn Korea zurzeit klar die Führung innehat. Ob in New York, Berlin oder Moskau, überall auf dem Globus schrauben die jungen Leute ihre Metronomgewichte Stück für Stück hinunter und fragen sich: Schaffe ich heute Chopin op.10/4 in 3 Minuten? Daher ist das Argument der Gegner auch Quatsch, es gebe doch Musikwettbewerbe. Im Gegenteil, wenn IS endlich in Olympia ist, können sich Tschaikowski-und Chopinwettbewerb wieder der Musik widmen. Dann kann man die grossartige Leistung eines jungen Pianisten würdigen, der ein bisschen langsamer, aber ausdrucksvoll spielt, nennen wir doch das heikle Wort: Mit Seele. Musik braucht Seele, Geist, Herzblut, und das alles ist nicht messbar.
IS wird übrigens zunächst in den Kategorien Streichinstrument und Klavier angeboten, wobei die Bratscher ausgeschlossen sind. Instrumentales Schnellspiel auf einer Viola wäre nun wirklich eine absurde Sache.




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