Montag, 13. August 2012

Sprache ausmisten


Ferienzeit ist Ausmistzeit! Ich liebe es, aufzuräumen und Dinge zu entsorgen. Wenn ich irgendwo begonnen habe, wenn der Impuls gesetzt ist, gibt es für mich kein Halten mehr. Diesmal war der Startschuss mein Chorarchiv in Münchenstein, es folgten mein gesamtes Klassenzimmer, mein Kleider- und Kühlschrank, usw. Drei Säcke Altkleider kamen zu den TexAid-Containern, zehn Krawatten mussten weichen, Berge von Altpapier verschwanden. Herrlich!
Sie würden das auch gerne tun, es geht aber irgendwie nicht? Sie hängen zu sehr an den Dingen? Sie dürfen getrost sein: Nur ein Germanist muss Bücher im Gestell haben, die er nicht schätzt. Wenn Sie also den Zauberberg zum dritten Mal abgebrochen haben: Ab damit in die Brocki. Die Hosen, die irgendwann einmal wieder passen werden, werden genau das eben nie tun, es sei denn, Sie machen sechs Wochen Nulldiät: Hinein in die Altkleidersammlung. Und die vier Vasen, die Sie aufheben, weil Erbtante Erna sie geschenkt hat und ja an einem schönen Tag in der Wohnung stehen könnte? Erna ist inzwischen 95, fast blind, sie sitzt im Rollstuhl und dieser Rolli steht zu allem Überfluss in Mecklenburg-Vorpommern, die Wahrscheinlichkeit, dass Erna einfach so mal im Zimmer steht, tendiert gegen Null. Also fassen Sie sich ein Herz.
Oder Sie machen erst einmal das, was ich als Krönung des Aufräumens die nächsten Wochen mache:
Sprache ausmisten.
Nein, nein, nein, das gibt keinen Wir hassen Anglizismen-Post, solche Dinge überlassen wir Herren wie Sick, die ja damit ihre Brötchen verdienen, und ganz ehrlich, manche Sachen haben einfach englische Ausdrücke, weil sie aus den USA kommen. Wie andere Wörter aus dem Finnischen oder Arabischen. Sie gehen doch auch nicht in die Schwitzkammer, um hinterher sich eine Braunheissbrühe zu genehmigen. Und was würden die Schweizer sagen, wenn in Deutschland von Schmelzkäsescheiben, Käsetunke, Getreide-Obst-Brei und Bratkartoffelkreis die Rede wäre? Wer hat’s erfunden? Die Eidgenossen, und deshalb heisst es auch Raclette, Fondue, Müesli und Rösti.
Nein, wir entfernen die schlimmsten Wörter der deutschen Sprache:
1.)    Eigentlich
Was soll das heissen, eigentlich, mir oder dir eigen, in Wirklichkeit? Eigentlich bin ich ganz nett, eigentlich bin ich ganz ehrlich, eigentlich… Ich betrat neulich eine Wohnung, die eigentlich ständig aufgeräumt werde, nur eben die letzten Tage, man wisse ja, wie das sei, und auf dem Boden lag eine Zeitung mit der Schlagzeile GUTTENBERG TRITT ZURÜCK. Eigentlich formuliert eine Ausnahme zur nicht überprüfbaren Regel. Daher wurde dem Athleten, der eigentlich ein guter Läufer und Springer war, und neulich auf Rhodos sei er 9 Meter gesprungen, zugerufen: Hic Rhodos, hic salta (hier ist Rhodos, hier springe!)
2.)    Nur
Bei mir müsst ihr zuhause nur zwei Stunden für die Schule arbeiten. Sagt der neue Lehrer. Wir haben uns dieses Mal nur für drei Wochen Nizza entschieden. Sagt die Society-Dame. Sie bekommen nur drei Jahre. Sagt der Richter. Das Wort nur setzt einen Massstab, der verheerend ist, wenn er völlig vom eigenen abweicht. Für viele Schüler ist schon eine Stunde zu viel, Nizza ist für viele Menschen schon nicht bezahlbar und die drei Jahre sind für den Angeklagten der Hammer, wenn der Freispruch fast sicher war. Nur zu verwenden erinnert immer an den Boten, der in den Räubern Moor zusichert, wenn er sich jetzt ergebe, werde der Fürst es grossherzig beim Rade bewenden lassen.(Moor werde nur gerädert ohne vorherige sechsstündige Folter)
3.)    Doch
Auch dieses Wort setzt Sie immer ins Unrecht. Da passiert doch XY heisst immer: Das habe ich schon gesagt, das ist doch ganz klar, du hörst einfach nicht zu, du passt nicht auf, ich kommuniziere alles immer ganz eindeutig, aber du… Probieren Sie es aus, erfinden Sie eine Sache und sagen Sie dann: Da ist doch die Feier bei Herrn Meier.
So, jetzt gehen Sie zu Ihrem DUDEN und streichen die drei Wörter.
GEHT NICHT? SIE HABEN IHN ENTSORGT? WEIL SIE NIE REINSCHAUEN? SO WAR DAS OBEN NICHT GEMEINT! HOLEN SIE BLOSS IHREN DUDEN WIEDER AUS DER PAPIERMÜLLTONNE!

               




Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen