Freitag, 10. August 2012

Ich will mehr bezahlen!


Ich kaufe gerne bei H&M und NEW YORKER. Ich mag die Stile, die Farben, die Hosen machen meine Hüfte schlank und die Shirts schmeicheln meinem Oberkörper, ich trage auch gerne die neueste Mode, ich fühle mich in den Klamotten jung, frech dynamisch und selbstbewusst.
Ich weiss aber, es gibt ein Problem: Die Kleidungsstücke werden alle in Asien für Hungerlöhne gefertigt. Warum ich dann nicht in politisch korrekten Läden kaufe? Weil mir da der Stil nicht gefällt. Ich halte mich nicht fit und dünn, um dann meinen Body in Batikschlabber und Kaftane zu hüllen. Allerdings bin ich auch bereit, für meine Kleidung mehr zu zahlen, wobei das gar nicht nötig wäre, da die Herstellungskosten eh nur wenige Prozent vom Preis ausmachen, über 90% gehen für Transport, Ganzgross-, Gross-, Zwischen- und Endhandel drauf,  eine Verdoppelung der Löhne im Herkunftsland würde den Preis praktisch nicht verändern. Trotzdem starte ich die Aktion „ICH ZAHLE EINEN FRANKEN MEHR.“
Tag 1, H&M:
Vor mir liegen zwei Jeans, ein Kapuzenshirt, drei Hemden, zwei Shorts und zwei Packungen Boxers. Ich zähle zusammen und strahle die Verkäuferin an: „Das sind nach Adam Riese 10 Kleidungsstücke. Ich möchte pro Teil einen Franken mehr zahlen, den sie an die Arbeiter im Herstellerland weiterleiten. Hier, sehen Sie, ich gebe Ihnen einen Zehnfrankenschein.“
„Das geht doch nicht.“ „Warum nicht? Sie nehmen das Geld und leiten es weiter, Sie wissen, das in Bangladesch die Arbeiter das im Monat bekommen, was hier in der Stunde verdient wird.“
Hinter mir schon Murren und Getuschel, der hält den Betrieb auf, was soll der Scheiss…
„Aber wenn ich abends zu viel Geld in der Kasse haben, unterstellt man mir, ich habe etwas bewusst nicht boniert und wollte das Geld mitnehmen.“
Stimmt, habe ich nicht bedacht. Ich zahle unter den Flüchen der Schlange hinter mir den normalen Preis und verlasse den Laden.
Tag 2, NEW YORKER
Andere Verkäufer, andere Klamotten, gleiches Spiel, gleiches Scheitern.
Tag 3 H&M
Ich bin klüger geworden. Diesmal rufe ich gleich den Geschäftsführer. Ich schildere ihm mein Problem, weise auf den Kleiderberg vor mir – ich muss jetzt mal ausmisten, schliesslich kaufe ich jeden Tag zehn neue Teile – und strecke ihm ein Kuvert entgegen. Der Geschäftsführer hört aufmerksam zu, er lobt meine Weitsicht und verspricht, alles in die Wege zu leiten. Er nimmt den Umschlag und steckt ihn ein. Aber in dieser Bewegung, in diesem Einstecken, in der Art, wie er nach der Sache greift, erkenne ich den Betrug. Das Geld wird in eine der vielen schwarzen Kässlein wandern, die in den Büros herumstehen und nie ankommen.
Tag 4 NEW YORKER
Diesmal Geschäftsführerin, andere Klamotten, gleiches Spiel, gleiche Lüge.
Tag 5
So, jetzt maile ich an die Zentralen. Und zwar an beide. Deutlich, klar, eindeutig: Wie kann ich mehr bezahlen?
Tag 6
Antwort der PR-Stellen: Geht nicht, aus buchhalterischen, zollrechtlichen und diversen anderen Gründen. Sie schlagen mir aber vor, das Geld an ein Hilfswerk zu spenden. Verdammt, wie blöde sind die denn eigentlich, ich will doch eben kein Almosen geben, sondern Lohn.
Tag 7
Grübeln: Vielleicht müsste man Tag 3 und 4 wiederholen, aber mit ganz vielen Leuten in verschiedenen Städten, und mit Presse…


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