Montag, 19. März 2012

Deutsche Utopien III/4

Der Neubau des Berliner Stadtschlosses hat Begehrlichkeiten geweckt. So neu, so radikal ist der Gedanke, ein absolut verschwundenes Gebäude wieder zu errichten, Stein auf blosser Erde, Mauern auf Gräben, dass auch andere Städte diesen Wunsch verspüren. Nun forscht man in Trier, in Köln und in der Landeshauptstadt am Neckar: Gab es nicht eine Therme, eine romanische Kirche und stand nicht im Schlosspark ein Lustschloss? Die Historiker wälzen Pläne, die Quellen werden befragt, ja, die Therme stand am Hauptplatz, St. Gerontius könnte wieder erstehen und die Pläne des Lustschlosses liegen bereit. Für Therme, Kirche und das Renaissanceschloss würden Scheusslichkeiten der Nachkriegsjahre weichen, Glas und Beton abgerissen und die Quadratkästen geschleift. Die Innenstädte bekämen neue Gesichter, und Römerbau statt Versicherungspalast, Kathedrale statt Hochhaus wäre ein Gewinn für jede Stadt.
Nur kosten Therme, Kirche und Lustschloss Geld, teuer ist der römische Stein, teuer der rheinische und die Verzierungen des Palastes kaum zu bezahlen. Wieder befragt man die Gelehrten, die aber keine Verbilligung sehen, keine einfachen Ideen, stattdessen noch ein neues Projekt, der ganze Limes soll neu erstehen, Stein auf Erde, Mauer auf Graben und die Holzzäune auf ganzer Länge.
In letzter Not, die Erbauer von Thermen, Kirche und Schloss stehen schon in den Vorzimmern, während die Limesleute die Telefone nicht still stehen lassen, stoppt man das Ganze: Das Stadtschloss wird nicht gebaut, allerdings auch nicht der Palast der Republik, es wird ein Park, in dem Elemente beider Gebäude Platz finden werden. So wird man auch in Trier, Stuttgart und der Domstadt verfahren, während die Limesruinen vom Wald überwuchert werden.



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