Montag, 26. März 2012

Geschmacksache Lyrik

Na so was! Einigen Leuten hat mein Gedicht nicht gefallen. Einige Leute mögen überhaupt keine Lyrik und haben mir sehr böse Mails geschrieben. Ich kann die hässlichen Wörter hier gar nicht wiederholen, "verquast" war noch das mildeste.
Von den ganz blöden Argumenten gegen Gedichte möchte ich hier nur die drei dümmsten widerholen und wiederlegen (oder war das umgekehrt mit i und ie?)
1.) Bei Lyrik bekommt man nichts fürs Geld, weil so viel Platz frei ist
Ach du liebe Zeit! Wer so rechnet, der sollte sich wirklich fragen, warum er Bücher kauft. Natürlich ist bei einem Gedichtband viel unbedruckte Fläche (Zeilenende, neue Seite für jeden Text), aber Literatur ist doch kein Thekenprodukt ("Darf es ein Satz mehr sein?") Es geht doch um Qualität. Eine einzige Seite von Elfriede Jelinek ist kostbarer und damit wert-voller als ein ganzer Schinken jener Autorin, bei der der Titel so frech emanzipiert daher kommt ("Männer sind doch wirklich doof"), das Cover mit Mann in Badehose und makellosem Sixpack diesen Sinn aber Lügen straft. (Man will schon einen Mann, aber einen besseren als die Kollegin.) Das Schlimme ist - dieser Exkurs sei mir gestattet - dass solche Personen in Landtagen sitzen und Präsidenten wählen. Früher sassen Leute wie Wilhelm Hauff in der Paulskirche, sic transit Gloria mundi. Zurück zum Thema: Ein 40-Zeilen-Text von Bernhard, von Röggla, von Genazino, da habe ich VIEL für mein Geld, bei Bastei habe ich NICHTS.
2.) Lyrik bekommt keine wichtigen Preise.
Gute Güte! Denken Sie immer noch, Preise werden für künstlerische Qualität vergeben? Der Nobelpreis muss berücksichtigen, dass jeder Kontinent, jede Sprache, jedes Land einmal drankommt, leben muss er oder sie auch noch, und dann brüllen die Verlage und Händler dazwischen: Verkaufbar! Verkäuflich! Absetzbar! Marktgerecht! Wie soll man da irgendeine vernünftige Entscheidung treffen?
Wenn man einen baskischen Dramatiker sucht, weil Baskisch und Drama gerade dran ist, der aber auch noch Komödien schreiben soll, weil die mehr Geld einbringen?
Beweis ist doch, dass die beiden grössten Dramatiker des 20. Jahrhunderts den Nobelpreis nicht bekommen haben: Dürrenmatt und Brecht. (Nee, das war nicht weil der Ossie war, der war Össi, stimmt wirklich)
3.) Niemand braucht Lyrik
Gut, aber Romane braucht auch niemand und Theater auch nicht. Sie kommen mit einem Minimum an geistiger Anregung aus, damit ihr Hirn durchblutet bleibt. (Aus dem Fenster schauen, Heino hören und BILD lesen) Langt völlig, aber reicht es aus?
Also gut, nennen Sie Lyrik blöd, lesen Sie keine Gedichte, aber wenn Sie das nächste Mal mit gespreizten Händen dastehen, der schwarze Haufen schon seit Minuten auf dem Handrücken und es fällt Ihnen partout kein Schnupfspruch ein: Kommen Sie nicht zu mir, ich habe Sie gewarnt, dass Sie mal ein Gedicht brauchen.
Und wer nicht schnupft: Was will der Nikolaus? Richtig, ein Gedicht.

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