Samstag, 10. März 2012

Berliner Bäder

Ich betrete das Hallenbad Sewanstrasse und fühle mich etwas merkwürdig, irgendetwas ist komisch, vertraut, heimelig, bekannt... Dabei war ich in dem Bad noch nie, garantiert nie, da ich versuche, alle Berliner Bäder kennen zu lernen, bin ich mir überaus sicher, ich führe nämlich eine Liste. Sie lernen – nebenbei gesagt – so auch die unmöglichsten Berliner Quartiere kennen, wie im Beispiel Sewanstrasse Friedrichsfelde, geht ja normalerweise auch kein Mensch hin. Ich bezahle meinen Eintritt, ziehe die Schuhe aus, bewege mich in Richtung Umkleide, das Gefühl bleibt. Ich ziehe mich aus und meine Badehose an, und auf dem Weg zur Dusche merke ich es: Déjà-vu! Es ist das gleiche Hallenbad wie gestern! Bis auf die Bekachelungsfarbe – was für ein schönes Wort – sind die Schwimmhallen Holzmarkt und Sewanstrasse identisch. Vom Grundriss der Becken, über die Sanitäranlagen bis zur Glasfront ist hier zweimal das gleiche Bad erbaut worden. Um Zeit zu sparen: Auch die Badeanstalt Anton-Saefkow-Platz sieht genauso aus. Bis auf die grossen Flächen an den Stirnseiten: Blaue Kacheln mit Wellen in Anton-Saefkow-Platz, braune mit Bildern von Schirmchen am Holzmarkt, gelb mit Fischen in der Sewanstrasse.
Am Abend unterhalte ich mich mit Klaus über mein „Déjá-vu“. Klaus ist Architekt und vor ein paar Jahren nach Berlin gezogen, weil er dort hemmungslos an interessanten, innovativen Projekten arbeiten kann, für die es kein Geld gibt. In Süddeutschland war das verpönt, in der Hauptstadt ist das normal, so normal, dass der Anti-Mainstream schon fast wieder Mainstream ist.
„Eigentlich finde ich die Idee gar nicht blöde“, postuliere ich über meinem Insalata, „man spart eine Menge Geld, nur Verrückte wie ich gehen in Schwimmbäder in allen Ortsteilen und der normale Berliner verlässt sein Quartier eh nicht. Er merkt also nicht, dass in Lichtenberg das gleiche Bad steht, und Hallenbäder sind sowieso von ihrem Zweck her architektonisch relativ eingeschränkt.“ „Bist du wahnsinnig?“, Klaus verschüttet fast seinen Chianti, „du huldigst dem Funktionalismus der Siebziger? Ein Bauwerk muss sich ins Stadtbild einfügen, muss die Energie der Umgebung aufsaugen, muss mit den anderen Bauten harmonieren!“
„Klaus“, versuche ich zu schlichten, „warst du schon mal in Friedrichsfelde? Oder in Lichtenberg? Da von Stadtbild, Harmonie und Energie zu quatschen ist doch Schwachsinn. Und in anderen Käffern stehen die Bäder auf der grünen Wiese.“ Klaus seufzt: „Du wohnst doch in der Schweiz, läufst du blind durch die Gegend? Die machen tolle Architektur.“ „Ja, Botta und Herzog und so. Aber die machen Bauten, bei denen der Preis keine Rolle spielt.“ Und dann erzähle ich ihm von Münchenstein und Pratteln, wo zweimal die gleiche Halle steht. Klaus erbleicht: „So etwas hätte ich den Schweizern nicht zugetraut. Die sind ja auch...“ „Pragmatisch!“, ergänze ich ihn. Und um noch eins draufzusetzen: „Ich freue mich schon auf „meine“ Halle morgen in Marzahn.“ Das Spannende wird die Kachelfarbe. Grün? Weiss? Oder so ein frisches Steingrau?


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