Dienstag, 12. November 2024

So viel Gleichzeitigkeit geht gar nicht! Ampel und Trump!


Also Leute, das geht und ging jetzt gar nicht.
Da hatte der Glossator, der Blogger und Satiriker am 5. 11. einen Beitrag zum Thema «faire Wahlen» gemacht, und nun dachte natürlich jeder, dass am Freitag, 7. 11. ein Beitrag zum Thema US-Wahl kommt. War aber nicht geplant, nicht geplant aus zwei Gründen: Es war zu befürchten, dass die Stimmzettel noch gar nicht richtig ausgezählt sind und ich hatte einfach auch keine Zeit. Deshalb hatte der Glossator, der Blogger und Satiriker einen etwas zeitlosen Text zum Thema «Apps» bereitgestellt.
Und nun…
Hatte es am 7. 11. – etwas, das sicher niemand für möglich gehalten hätte – gleich zwei wichtige Punkte, die dann unbehandelt blieben:

Trump stand schon am Mittwoch als Wahlsieger fest.
Die Deutsche Regierung war am Ende.

Also Leute, das geht und ging jetzt gar nicht.
Man kann doch nicht zwei so wichtige und entscheidende Themen einfach so aufeinanderfallen lassen. Das geht doch nicht, da muss man sich doch absprechen. Es gab doch sicherlich Hilferufe aus der Presse- und TV- und Medienwelt, in der sie ausdrücklich bat: Liebe Bundesregierung, zerbrich nicht gerade Anfang November, nicht gerade zur Präsidentenwahl in den USA.
Die Medienschaffenden haben es ja nicht leicht, da passiert oft wochenlang gar nix, alles dümpelt so vor sich hin, nix ist los, man nennt das Saure-Gurken-Zeit, vor allem im Sommer, wenn die Parlamente geschlossen sind und die Staatsoberhäupter am See, und dann könnte man ja eigentlich wieder etwas über Afrika machen, etwas in Erinnerung rufen, die hungern da nämlich immer, die ganze Zeit, aber das will im Sommer aber dann auch keiner sehen und lesen, und so macht man dann eben was über die Sommerfrische des belgischen Königshauses oder die Ferien von GZSZ-Star Soundso, das will zwar auch niemand, aber es gibt – im Gegensatz zur Sahelzone – wenigstens nette Bilder.

Und dann kommt wieder alles auf einmal. Es war – um mal ein Exempel zu nehmen – oft so, dass ganz, ganz, ganz wichtige Menschen zur gleichen Zeit starben. Zum Beispiel zwei Wohltäterinnen der Menschheit: Lady Di und Mutter Theresa. Gerade diese beiden Engel nahmen sich die Schlagzeilen weg. Oder eigentlich nahm Diana der Theresa sie weg, denn ganz ehrlich: Der Teint war bei der Princess schon besser.
Nein, manchmal kommt alles gleichzeitig und dann kommt man ins Schwimmen.

Trump stand schon am Mittwoch als Wahlsieger fest.
Die Deutsche Regierung war am Ende.

Oder – um jetzt einmal ein wenig verschwörungstechnisch unterwegs zu sein – war das alles geplant?
Das wäre doch eine Möglichkeit, das eigene Versagen wunderbar zu kaschieren: Scholz und Habeck und Lindner treffen sich im Sommer und Scholz spricht die entscheidenden Worte: «Ihr wisst, es geht mit der Ampel nicht mehr lange, das ist jedem klar, du Christian wirst uns verlassen oder ich werde dich rausschmeissen, oder du, Robert, wirst uns verlassen oder ich werde dich rausschmeissen, jedenfalls sollten wir uns überlegen, wann es zum grossen Knall kommen sollte.» Und nach einigem Überlegen und Hirnen ruft Habeck plötzlich: «Ich hab es! Um den 5. November. Da ist US-Wahl, da laufen und fliegen wir praktisch unter dem Radar durch.»

So war es wahrscheinlich nicht, und selbst wenn es so war, geklappt hat es auf jeden Fall nicht. Der Zusammenbruch der Regierung in der BRD toppte, sobald er feststand, den Sieg von Donny sofort. Hätte man also den grossen Wumms wirklich so exakt getimt, dann ging das in die Hose.

Und warum das so war, ist auch glasklar: Die Ampel-Geschichte ist die grössere Sensation. Ein Idiot wird Staatsoberhaupt in Übersee? Hundert mal passiert. Ein Idiot wird Präsident der USA? Auch schon ein paar Mal passiert, von Reagan bis Bush. Aber dass der Kanzler seinen Finanzminister rauswirft, dass ein Koalition so heftig, so brutal, so gemein zerbirst, das gab es doch wohl noch nie.

Aber dennoch ging und geht das gar nicht.
Man sollte einen Schutz der Glossatoren, der Satiriker und Blogger erlassen. Und sich um die Kabarettisten und Karikaturisten kümmern. Es müsste einfach verboten sein, dass Ereignisse so fies aufeinanderfallen. Ich schlage die CCC vor, die

Comedy Care Conference

Auf dieser Konferenz einigen sich die Mächtigen der Welt, ihre Termine abzustimmen:
«Ich würde gerne meinen Vize rauswerfen. Am 16. 3.?»
«Geht nicht, da wird bei uns gewählt.»
«Dann am 15. 4.?»
«Da überfallen wir gerade das Nachbarland.»
Dies würde doch die Sache sehr vereinfachen.

Da hatte ich in meiner jugendlichen Unschuld am Freitag, 7. 11. nix Aktuelles geschrieben, und dann war Trump und gleichzeitig geht die Ampel kaputt.
Also – geht gar nicht.



Freitag, 8. November 2024

App gleich Tamagotchi

Lieber Leser, liebe Leserin, wissen Sie eigentlich noch, was ein Tamagotchi ist? Wenn Sie ein Gruftie sind, also über 50, dann wahrscheinlich ja. Für die Jungen, die Generationen Z, Z plus und Z zwei plus, hier noch einmal der Wikipedia-Eintrag:

Das Tamagotchi (Wortschöpfung aus tamago ‚Ei‘ und wottchi zu Englisch watch ‚Uhr‘; in Japan ursprünglich als „Tamagotch“ romanisiert) ist ein aus Japan stammendes Elektronikspielzeug von Bandai, das ab 1997 weltweit populär war
Die Tamagotchi stellen eine Rasse von Ausserirdischen dar, vom weit entfernten Planeten Tama, der angeblich „Millionen Meilen“ von der Erde entfernt ist, um die man sich vom Zeitpunkt des Schlüpfens an wie um ein echtes Haustier kümmern muss. Es hat Bedürfnisse wie Schlafen, Essen, Trinken, Zuneigung und entwickelt auch eine eigene Persönlichkeit. Zu unterschiedlichen Zeitpunkten meldet sich das Tamagotchi und verlangt nach der Zuwendung des Besitzers. Bei Vernachlässigung stirbt es, kann jedoch durch Drücken eines Reset-Schalters zurückgesetzt werden, und das Spiel geht von vorne los. Dies ist in allen Versionen möglich, außer den ersten japanischen, die nur einen einzigen Lebenszyklus hatten und dann entsorgt werden mussten. Es wurden extra dafür auch eigene Friedhöfe und Telefon-Hotlines eingerichtet.

Ich hatte nie ein Tamagotchi. Ich hielt auch alle Typen, die ständig vom Gepiepse gestört wurden, und dann ihr Pseudo-Tier fütterten oder mit ihm kommunizierten, für bescheuert. Für absolut bescheuert.
Nun habe ich aber festgestellt, dass sich auf meinem Smartphone ca. 60 Neo-Tamagotchis tummeln.
Sie nennen sich Apps.

Die meisten meiner Apps sind situationsbezogene Werkzeuge.
So benütze ich den DB-Navigator, wenn ich eine Verbindung in Deutschland brauche, die VVS-App, wenn ich in meiner Heimatstadt unterwegs bin, die BVB-App, wenn ich wissen will, wann in Basel das nächste Tram kommt und für weitere Strecken in der Schweiz die App der SBB. Und für die Niederlande tippe ich auf NS – was nicht Nationalsozialismus, sondern Nationale Spoorwegen heisst.
Ich benütze eine Taschenlampen-App, wenn ich in einem dunklen Treppenhaus unterwegs bin. Ich benütze die Metronom-App, wenn ich das absolut genaue Tempo eines Musikstücks brauche.
Ich benütze die Stimmgabel-App, wenn ich einen bestimmten Ton haben muss (ich habe kein absolutes Gehör).
Ich komme nun aber, wenn ich in einem öffentlichen Bus sitze, nicht auf die Idee: «Hey, ich habe meine Taschenlampen-App schon lange nicht mehr benutz, und meine Metronom-App und meine Stimmgabel-App auch nicht, ich möchte ein bisschen Party machen.» Und dann schalte ich die Lampe an, leuchte meinem Gegenüber ins Gesicht, klimpere auf den Ton C, und das 100x hintereinander und lasse parallel das Metronom auf 150 ticken. (Für Nichtmusiker: Das ist sehr schnell, 150 Schläge pro Minute.)

Es kann also sein, dass ich eine App eine Weile, eine Woche, einen Monat, ja sogar ein Jahr nicht benutze. Das gefällt meinen Apps aber überhaupt nicht!
Wie die Tamagotchis, die gefüttert und liebgehabt werden wollten, melden sich meine Apps mit genau dem Gestus: Rolf, du hast mich einen Monat nicht mehr angeklickt! Rolf, hast du mich überhaupt noch lieb? Rolf, was ist los?
Die Tamagotchi-Masche zerfällt in drei Phasen:

Die Kreis-am-Quadrat-Phase
An dem Quadrat der App erscheint in der rechten oberen Ecke ein Kreis, der sich ein wenig mit dem Viereck überlappt. Bei SMS, WhatsApp und Mail heisst es natürlich, dass etwas angekommen ist, eine Nachricht, ein Dokument usw. Was aber heisst es bei einem Metronom oder bei einer Taschenlampe? Einfach, dass man meine Aufmerksamkeit will. Rolf, bemerke mich!

Die Neue-Funktionen-Phase
Ich erhalte eine Mail, eine SMS, was auch immer, die mir mitteilt, dass «neue Funktionen» zu haben sind. So könnte ich zum Beispiel das Licht der Taschenlampe auch in blau leuchten lassen. Oder die Stimmgabel von 1 bis 100000 Hertz gehen lassen. Völliger Schwachsinn, ich möchte es ja im dunklen Treppenhaus hell haben, und die Hertzzahlen liegen ausserhalb des Hörbereiches, aber darum geht es ja nicht. Es geht um meine Aufmerksamkeit.

Die Deinstallations-Phase
Ich erhalte die Meldung, dass man eine App, die man nicht benutzt, auch deinstallieren kann. Das ist ein bisschen wie die beleidigte Ehefrau in Filmen aus den 50er-Jahren, die «wieder zur ihrer Mutter» fährt.
So sagt die App: Ich kann ja auch gehen, wenn du mich nicht mehr brauchst…

Das Tamagotchi war ein Spielzeug des ausgehenden letzten und beginnenden neuen Jahrhunderts.
Ich hatte nie ein Tamagotchi. Ich hielt auch alle Typen, die ständig vom Gepiepse gestört wurden, und dann ihr Pseudo-Tier fütterten oder mit ihm kommunizierten, für bescheuert. Für absolut bescheuert.
Nun habe ich aber festgestellt, dass sich auf meinem Smartphone ca. 60 Neo-Tamagotchis tummeln.

Sie nennen sich Apps.



 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

   

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Dienstag, 5. November 2024

Wahlen und Unregelmässigkeiten

Bei jeder Wahl und bei jeder Abstimmung kommt es zu «Unregelmässigkeiten» – das ist gar nicht zu vermeiden.

Ein Freund von mir zog vor vielen, vielen Jahren, als die LINKE noch eine wilde und neue Partei war, in ein sehr konservatives und sehr biederes Quartier. In der nächsten Bundestagswahl wählte er die LINKE. Nun gab es in Deutschland die etwas heikle Gepflogenheit, dass die Ergebnisse pro Wahllokal veröffentlicht wurden – ich weiss nicht, ob das heute noch so ist, ist aber doof, wenn man als Neuling in ein Dorf zieht und dann etwas wählt, was noch nie genommen wurde, dann weiss jeder, es war der neue, aber ich schweife ab… Jedenfalls hatte die LINKE in der Aufstellung 0 Stimmen – heisst de facto, man hatte seine Stimme einfach weggeworfen: Zu peinlich für ein biederes und konservatives Quartier, zu schrecklich in einem Wohnviertel, in dem die CDU auf 90% kommt.

Bei jeder Wahl und bei jeder Abstimmung kommt es zu «Unregelmässigkeiten» – das ist gar nicht zu vermeiden.

Im Frühherbst 2016 nahm ich an einer Vereinsversammlung teil, in der sehr delikate Dinge besprochen und entschieden werden sollten. Man konnte hier nicht einfach so erscheinen, man musste seine Mitgliedschaft nachweisen, sprich, man musste auf einer Liste eingetragen sein und erhielt eine Stimmkarte, die man in die Höhe strecken musste. Bei der ersten Abstimmung (Tagesordnung) bemerkten wir, dass der Mann in der Reihe vor uns eine gefälschte Pappkarte in den Raum hielt. Wir nahmen sie ihm weg. Wie er sich hineingeschmuggelt hatte, blieb ein Rätsel…

Bei jeder Abstimmung, bei jeder Wahl kann es zu Dingen kommen, die nicht ganz «korrekt» und ganz «regelmässig» laufen.

Was würden Sie von einem Land halten, das mit -stan endet und bei dem während in dessen Hauptstadt es zu einem totalen Chaos kommt? Was würden Sie von Allistan, Paaristan oder Garnixstan, wenn in Allistan, Paaristan oder Garnixstan nicht einmal in der HAUPTSTADT ordentlich gewählt. Wenn zum Beispiel – um so etwas einmal völlig aus der Luft zu greifen – es zu wenig Wahlzettel hat, die Wahllisten an den falschen Orten sind, und zudem in der ganzen Metropole ein Marathon stattfindet, der einen Transport zusätzlicher Wahlzettel und Listen unmöglich macht? Nun, das ist passiert, aber nicht in Allistan, Paaristan oder Garnixstan, sondern in Berlin.
Gut, ich könnte jetzt, an den letzten Post anknüpfend und fröhlich feixend sagen, in Frankfurt wäre das nicht passiert, mache ich aber jetzt nicht.

Bei jeder Wahl… Sie wissen es.
Man findet also immer, stets und alleweil ein Haar in der Suppe, man findet immer etwas, was nicht läuft, man findet eine Störung.

Welche Auswirkungen hatten nun die Unregelmässigkeiten, die ich beschrieben habe?

Die LINKE kam damals in den Bundestag, und zwar durch drei Direktmandate, es war also völlig wurscht, ob sie 2,9%, 3,4%, ob sie 4,9% oder 5,2% erhält. Dass die Stimme meines Kumpels verschwand, war sehr ärgerlich, hatte aber auf die Zusammensetzung des Bundestages keinen Einfluss.

Welchen Einfluss hatte die gefälschte Stimmkarte? Vielleicht waren es sogar noch mehr, man weiss es ja nicht, wer da alles noch zurechtgeschnittene Pappkarten in die Luft hielt. Fest steht, «unsere» Seite hatte, das zeigte die erste Abstimmung über die Tagesordnung schon ganz klar, eine satte Mehrheit von circa 30 Stimmen, da konnte man noch so viele Kärtchen in die Luft halten.

Und was war in Berlin? Man schämte sich. Man schämte sich noch mehr. Man schämte sich bis zum Äussersten – und liess dann nachwählen. Ja, die Wahl wurde in einigen Berliner Wahlkreisen wiederholt, und sie änderte an der Zusammensetzung des Bundestages nix. Gar nix.

Bei jeder Wahl wird man nun etwas finden, was nicht lief, aber in 99,9% der Fälle ist das ein kleines, kleines, kleines Haar in der Suppe, das am Ausgang der Wahl nichts ändert.

Folgende Dinge müssen aber noch gesagt werden:

Wenn in Allistan, Paaristan oder Garnixstan ein Ergebnis von 54% zugunsten des seit 40 Jahren autoritär regierenden Präsidenten herauskommt, sind wir sehr schnell dabei, mit der Opposition «Wahlbetrug!» zu rufen. Wir kommen gar nicht auf die Idee, dass die Menschen ihren Präsidenten wiedergewählt haben. Und zwar aus einem Grund: Es geht ihnen wirtschaftlich gut. Seit 40 Jahren. Also macht man keine Experimente. Mal ganz ehrlich, sagt sich der Bauer in den Weiten von Allistan, Paaristan oder Garnixstan, soll ich weniger Fleisch und Konfitüre auf dem Teller haben, nur weil ein paar Schwule sich unterdrückt fühlen? Oder weil meine Leserbriefe zensiert werden? Schwule hat es nur in der Hauptstadt, und schreiben tue ich eh nicht (das letzte Mal in der Schule).
Man kann es auch so sagen:
ERST KOMMT DAS FRESSEN, DANN KOMMT DIE MORAL.

In den USA ist es schwieriger.
Das absolut kafkaeske Wahlsystem begünstigt die Fälle, in denen eine ganz kleine Gruppe entscheidet. Wenn es hart auf hart kommt, hängt es an EINEM County. Das war – Achtung, bitte! – 2020 nicht der Fall.
Eher der Fall war es 2004, als die Sache nur an Florida hing. Und hier kam nun der Vorwurf des Wahlbetruges von linker Seite.
Ja.
Ja.
Ja, lieber von mir sonst so verehrter Herr Michael Moore, mit der Idee, die Wahl 2004 sei «gestohlen» und mit deiner Weigerung Bush «President» zu nennen, hast du uns einen Bärendienst erwiesen. Die Idee von gestohlenen Wahlen überhaupt in die Welt zu setzen, war verkehrt.

Bei jeder Wahl und bei jeder Abstimmung kommt es zu «Unregelmässigkeiten» – das ist gar nicht zu vermeiden.
So wünsche ich den USA ein EINDEUTIGES Ergebnis, ein Ergebnis, bei dem man das eine Foto, auf dem ein Wahlhelfer einen Stimmzettel zerreisst, getrost weglassen kann…





 

Freitag, 1. November 2024

Herbstreise (4): Frankfurt wäre DIE Hauptstadt!

Zum Abschluss der Herbstreise-Posts möchte ich nochmal einen Seufzer tun, den ich schon ein paar Mal getan habe:

Es ist jammerschade, dass Frankfurt nach der Wende nicht Hauptstadt geworden ist.

Mit der Wende, mit dem Mauerfall war es ja klar, dass für Bonn die Endzeit eingeläutet wurde. Es war zu klein, es war zu schnuckelig, es war zu sehr Mini-Stadt, es hatte zu wenig Wohnraum, zu wenig Anbindung, zu wenig Bekanntheitsgrad und zu wenig…
Nachtleben.
Ja, es ging sogar der Spruch von der B(undeshauptstadt) O(hne) N(ennenswertes) N(achtleben). Denn einerseits braucht man für ausländische Gäste, für Präsidenten und Diktatoren Cabarets, Strip-Schuppen und Bars, anderseits brauchen die (männlichen) Abgeordneten, die ja fern von ihren Gattinnen leben, schlicht und einfach genügend Prostitution. So simpel ist das. Und so verlogen ist die Diskussion zurzeit, die man – wieder einmal! wieder einmal! wieder einmal! – über die Prostitution führt. Man möchte hier jedem Redner übers Maul fahren, denn warum sind die werten Herren nach Berlin gezogen? Um genügend Nutten zu haben.
Bonn war also out – und Berlin war in.

Dabei wäre es so schön gewesen, Frankfurt am Main zur Hauptstadt zu küren.
Es ist jammerschade, dass Frankfurt nach der Wende nicht Hauptstadt geworden ist.

Schon allein die Verkehrsfrage hätte hier den Ausschlag geben müssen. Wir haben das erlebt, Frankfurt war als perfekter Knotenpunkt Ausgangsbasis für Ausflüge nach Mainz (Neue Synagoge und Chagall-Fenster), Wiesbaden (Museum Reinhard Ernst – ein absoluter Tipp!), Darmstadt (Mathildenhöhe – UNESCO-Erbe) und Bad Nauheim (Sprudelhoftherme, ein wenig Relaxen muss ja auch sein…).
Und vom Fliegen will ich gar nicht reden. Vom Fliegen will ich gar nicht reden. Man wundert sich ja stets am Main über die Massen von Asiaten, die in der Stadt herumschlurfen. Man wundert sich solange, bis man begreift, dass sie natürlich nicht da rumschlurfen, um FRANKFURT anzusehen, sondern weil sie schlicht und einfach dort landen, weil sie ihren Deutschlandtrip (ganze BRD in 5 Tagen) eben am Rhein-Main-Flughafen beginnen und auch dort beenden.
Gut. Berlin hat inzwischen (nach gefühlten 50 Jahren) auch seinen Airport, aber FRA ist halt auf der Liste (nach Passagieren) auf Platz 6 in Europa, und BER ist sonstwo. Punkt.

Es ist schade, dass Frankfurt am Main nicht Hauptstadt ist.
Sehr schade.

Frankfurt wäre selbstverständlich auch noch aus einem anderen Grunde prädestiniert:
Geld.
Money.
Dass Geld die Welt regiert, dass Money makes the World go around, dass zum Golde alles drängt und am Golde alles hängt, dass die Banker und Broker die wahren Könige sind, das ist ja eine Binsenwahrheit. Und das Geld sitzt halt in Frankfurt, man muss ja nur auf die Skyline schauen, die der Stadt den Spitznamen «Mainhatten» verliehen haben, da ragen die Zentralen der Deutschen Bank, der Commerzbank, der Sparkassen, der Allianz und der IHK in den Himmel, und ein bisschen verschämt abseits finden wir dann auch noch die Deutsche Bundesbank und die Europäische Zentralbank mit ihrer manchmal inkompetenten, aber immer, immer, immer und stets und alleweil exzellent gekleideten Chefin.
Und wenn man in die Oper geht, dann blickt man die ganze Pause aus dem Fenster auf ein überlebensgrosses Euro-Denkmal, das einem die Rangordnung schon klar macht.
By the way: Die Aufführung, die wir besuchten (Händels «Hercules», Cummings/Kosky) war derart fantastisch, dass man sagen muss, dass die Oper Frankfurt jedes der drei Berliner Häuser in die Tasche steckt.

Dass Frankfurt nach dem Mauerfall nicht Hauptstadt wurde, ist eine üble Sache.
Frankfurt am Main wäre eine tolle Kapitole geworden.

Aber neben den Themen genügend Verkehrsanbindung, genügend Geld, genügend Kultur, (genügend Nutten…), wäre doch das Entscheidende gewesen, dass Frankfurt noch ein anderes Signal gewesen wäre:
1848 traf sich in der Paulskirche das erste gewählte Parlament Deutschlands. Frankfurt hätte also bedeutet, man knüpft an eine gute, alte, schöne demokratische Tradition an und lässt Berlin mit seinen monarchistischen und autoritären Zeiten hinter sich. Paulskirche statt Reichstag! Natürlich wäre das Gebäude für das jetzige Parlament viel zu klein. Aber die Grösse des Bundestages ist ja eh ein Thema, die BRD leistet sich eine der riesigsten Versammlungen der Welt, wäre ganz nett, wenn man genügend Geld hätte, aber genau das hat man ja gerade nicht…

So. Das war mein Gejammer für heute.
Und das waren meine Gedanken, die durch die Herbstreise inspiriert waren.
Inzwischen stecke ich schon längst wieder in der täglichen Arbeit und auch der Blog wird sich wieder dem «Tagesgeschäft» zuwenden.