Nach meinem letzten Post gab es etliche Reaktionen, die mir schrieben, dass junge Talente nichts besonders seien, und Hochbegabungen auch, das habe es immer gegeben, und man solle nur an Mozart und Gauß denken. Solle man.
Nun kommen Sie mir nicht mit Mozart.
Mozart, der angeblich schon mit drei Jahren die ersten Noten schrieb, Geigenstimmungen auf einen Sechzehntelton erkannte und kopiergeschützte Messen aus dem Gehör wiederholte. Mozart. Vieles ist wahrscheinlich vom karrieregeilen Vater dazugedichtet worden, aber geschenkt.
Mozart war natürlich ein Wunderkind.
Kommen Sie mir auch nicht mit Gauß. Wir alle kennen die Story. Ach, Sie nicht? Dann hier noch einmal in Kürze: Die Siebtklässler sollten die Zahlen von 1 bis 100 aufschreiben, damit sie unendlich lange beschäftigt wären und der Lehrer die Achtklässler mit einem Diktat quälen konnte, während die Fünftklässler lasen und die Sechstklässler Pause hatten (so war das früher in Dorfschulen…). Der junge Johann Carl Friedrich stand schon nach 5 Minuten mit dem richtigen Ergebnis da, brachte also den Plan gründlich durcheinander. Er hatte
1 plus 100 = 101
2 plus 99 = 101
3 plus 98 = 101
gerechnet, kam also auf 50 solche Gruppen und auf eine Summe von 5050. Und wurde aufgrund dieser Gedankenleistung aufs Gymnasium geschickt.
Soweit die Legende, wir wissen hier auch nicht, ob Johann Carl Friedrich die Geschichte nicht selber erfunden hat…
Nach meinem letzten Post gab es etliche Reaktionen, die mir schrieben, dass junge Talente nichts besonders seien, und Hochbegabungen auch, das habe es immer gegeben, und man solle nur an Mozart und Gauß denken. Solle man.
Nun möchte ich zwei Dinge noch dazu sagen.
Das eine ist, dass ja gerade die Schwemme von musizierenden, malenden, schreibenden, dirigierenden Babys, die Schwemme von zeichnenden, mimenden und von singenden Kleinkindern das Wunderkinder-Symptom unmöglich macht.
Mozart war eben der einzige in seinem Umfeld, der mit 4 schon Noten schrieb, die Gassenkinder und die Kinder seiner Amme taten das nicht. Gauß war eben DER in der Klasse, der auf den 101-Trick kam und die anderen Klassenkollegen eben nicht.
Wo bleiben denn die Wunderkinder in der Schwemme von Schwemme von musizierenden, malenden, schreibenden, dirigierenden Babys, in der Schwemme von zeichnenden, mimenden und von singenden Kleinkindern?
Wenn alle mit 10 schon die Neunte dirigieren, dann kann ich den, der es wirklich kann, nicht erkennen.
Wenn alle mit 15 schon den Master und den Doktor mit 18 machen, ist der Hochbegabte nicht mehr sichtbar.
Das Zweite:
Man weiss ja gar nicht, wie es weitergeht mit den Jungtalenten.
Nehmen wir mal eine junge Schriftstellerin. Wir nennen sie – damit man sie nicht erkennt – Katrin Vude. Katrin hat 1999 (also Jubiläum!) ihren ersten Roman veröffentlich. Der «Schneeroman» war ein Sensationserfolg. Eines der besten Bücher, das ich kenne.
So weit so gut.
Allerdings hat Katrin Vude seitdem nichts geschreibselt, was an die Qualität ihres Debüts heranreicht. Und das ist schon traurig.
Anne-Sophie Mutter war auch so ein Wunderkind, ein ewiges Wunderkind, bis ein tiefer Schicksalsschlag sie traf und ihr in einer harten Zeit die nötige Reife schuf: Der frühe Tod ihres Mannes und ihre Situation als «doppelte» Mutter, Mutter zweier Kinder. Sie selber sagt das übrigens so in dem wunderbaren Dokumentarfilm über sie, in dem sie mit der Journalistin und ihrem Hund wandert.
Nun können wir den Kindern aus der Schwemme von musizierenden, malenden, schreibenden, dirigierenden Babys, aus der Schwemme von zeichnenden, mimenden und von singenden Kleinkindern ja nicht alle die schlimmsten Schicksale wünschen, um zu reifen. Das wäre nun wirklich zynisch.
Nach meinem letzten Post gab es etliche Reaktionen, die mir schrieben, dass junge Talente nichts besonders seien, und Hochbegabungen auch, das habe es immer gegeben, und man solle nur an Mozart und Gauß denken. Solle man.
Nun kommen Sie mir nicht mit Mozart.
Kommen Sie mir auch nicht mit Gauß.
Übrigens hat Anton Bruckner erst mit 40 angefangen zu komponieren. Würde heutzutage wahrscheinlich nicht mehr gehen.
Dienstag, 26. November 2024
Wunderkinder?
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