Freitag, 16. Februar 2024

Frühlingsreise (1): Von Bahnschaltern und Salzquellen

Die Verfrühung in Dortmund

Sie wollen natürlich gerne wissen, was jetzt in Dortmund passiert ist. Ich hatte ja neulich geschrieben, dass die DB mir per Mail mitgeteilt hatte, dass der Zug in Dortmund drei Minuten früher ankommt – und ich hatte mich ein wenig darüber lustig gemacht. Wir hatten neulich überlegt, dass es drei Optionen gäbe:

Der Zug kommt WIRKLICH 180 Sekunden früher in Dortmund HBF an, um 14.19
Der Zug kommt um 14.22 an, also zur alten Zeit.
Der Zug kommt 30 bis 130 Minuten später an, was ja einem normalen Alltag bei der DB entspricht.

Wie ging es jetzt aus?
Wir fuhren auf die Sekunde pünktlich in Basel Badischer Bahnhof ab. Genauso pünktlich in Freiburg. Ebenso exakt in Offenburg und genauso genau in Karlsruhe. Auch in Mannheim konnte die planmässige Pause von 10 Minuten eingehalten werden – ein Paradies für die Raucher – und die Abfahrt erfolgte pünktlich. Genauso in Frankfurt und Köln, wo die aussteigenden Jecken mit einem Karnevalslied über Lautsprecher verabschiedet wurden, es war ja schliesslich Faschingssamstag.
Und dann…
Und dann…
Und dann holte sich der ICE auf der nächsten Strecke eine Verspätung von drei Minuten ein und erreichte Dortmund HBF um 14.22 – also die frühere Zeit.

Und man wäre pünktlich in Bad Salzuflen gewesen, wenn nicht der Zug nach Herford zwanzig Minuten später abgefahren wäre und den Anschluss in Herford um 240 Sekunden verpasst hätte, das ist eben Deutsche Bahn.
Sänk ju for trävelling.

Die nicht existierenden Bahnschalter

Bei der Fahrt merkten wir, dass eine Bahncard abgelaufen war. Und zwar die, bei der keine Email-Adresse hinterlegt war, und die neue Anschrift hatten wir vergessen zu melden. Die Briefe mit Karte und Rechnung waren natürlich zurückgegangen. Das Kärtlein lag also irgendwo beim BC-Service, war intakt, aber nicht gültig, weil nicht bezahlt. Bis Dortmund fuhren wir auf Kulanz, bis Herford kam zum Glück niemand. Ab Herford war dann eh das Deutschlandticket dran – noch einmal grosser Jubel, grosser Jubel, und bitte, bitte, bitte, bitte, lieber Herr Wissing, nicht abschaffen! – das heisst, wir brauchten am Montag ab Osnabrück wieder eine BC, und bis dahin einen Bahnschalter.

Ja. Einen Bahnschalter.
Einen Schalter mit einem Menschen, der einem weiterhilft.
In Herford: Fehlanzeige, das Reisezentrum dort schliesst am Freitag um 17.00 und öffnet Montag wieder um 9.00. Am Wochenende kann man Herford Bahnhof Kaffee trinken, Zeitungen kaufen, man kann sitzen und lesen, Bahnprobleme lösen kann man nicht…
Und in Salzuflen?
Dort kann man 24 / 7 / 365 weder sitzen noch Kaffee trinken, es gibt keinen Kiosk und kein Lokal, und natürlich auch keinen Fahrkartenschalter. Für eine Kurstadt mit knapp 60000 Einwohner eine Blamage.

Also am Rosenmontag eine Stunde früher nach Osnabrück, wo alle unsere Probleme gelöst wurden.

Kein Schutz für alte Häuser

Bad Salzuflen hat – wie andere Salzstädte auch – einen doppelten Niedergang erlebt. Im Mittelalter war Salz wie Gold; man brauchte es nicht nur zum Würzen, sondern vor allem zum Konservieren, Pökelfleisch, Salzhering, Soleier, usw. Und der Bedarf an Salz für Pökelfleisch, Salzhering und Soleier machte Städte mit einer Salzquelle stinkereich. Dann kam das 19. Jahrhundert und bescherte uns Methoden der Haltbarmachung – und den Salzstädten den Ruin. Der Name Pasteur wurde dort nicht gerne gehört. (Das ist jetzt alles natürlich sehr vereinfacht ausgedrückt…)

Das 19. Jahrhundert bescherte nun aber ausser den chemischen Verfahren noch eine andere Sache: Das ausgiebige Kuren quer durch Europa. Bad X und Bad Y und Bad Z wurden in der Gründerzeit zu mondänen Treffpunkten. Bis in die 70er Jahre bekam in Deutschland jeder Mensch alle zwei Jahre eine Kur. Und statt mit dem Salz Fleisch und Fisch zu pökeln, wurde jetzt in Sole gebadet, sie eingeatmet und so weiter.

Aber mit dem Abschaffen des Kurens in der alten Form begann der zweite Niedergang Salzuflens und nun stehen viele Gründerzeit- und Jugendstilhäuser leer. Und vergammeln. Und vergammeln. Und werden irgendwann abgerissen und durch profitable scheussliche Neubauten ersetzt. Wenn man durch den Ort geht, könnte man nur heulen. Permanent.

Die Frage ist, warum diese Bauten nicht geschützt sind, aber die Gegend scheint es mit Schutz nicht so zu haben. Das Beispiel Gütersloh – und das ist gar nicht so weit weg – hat gezeigt, dass hier weder Arbeiter noch Schweine noch Bauten irgendwie geschützt werden.
Dabei wäre es nicht nur optisch viel schöner, sondern auch viel ökologischer, die Villen und Kurkliniken zu erhalten, das ist längst bekannt.

So viel für heute, Dienstag geht es dann weiter nach Hamburg und Cuxhaven.

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