Freitag, 9. Februar 2024

Der Chip im Hirn

Es gibt Dinge, die ich – und hier will ich mich einmal als völlig Gestriger outen – immer noch von Hand schreibe. Ich weiss, dass das kein Mensch und niemand mehr macht, aber es gibt stets eine Menge Situationen, in denen ich gerne einen Stift zur Hand nehme:
Ich löse jeden Tag ein Kreuzworträtsel, wenn ich mit dem Zug unterwegs bin, in der Wurfzeitschrift 20 Minuten, sonst auch mal eines online. Und hier ist es tatsächlich so, dass ich von Hand etwa dreimal so schnell bin. Ich habe für «Fluss durch Zürich» mit sechs Buchstaben längst «Limmat» hingekritzelt, und nebenbei beim ersten Buchstaben noch das «leger» für «salopp» mit fünf Buchstaben hingeschmiert und beim zweiten noch das «Iowa» für «Staat der USA» mit vier Buchstaben gesudelt, bis ich beim Online-Rätsel auch nur mit dem Cursor beim ersten Buchstaben der Limmat bin.
Auch Einkaufszettel schreibe ich immer noch von Hand, obwohl es dort total superschöne Apps gibt («Bring!», «Die Einkaufsliste», «Listonic», «Family Wall» usw.), aber ich schnappe mir immer noch wie in alten Zeiten ein altes Kuvert und schreibe Sachen wie Brot, Käse, Äpfel oder Salami drauf.
Und: Ich schreibe Daten in eine Agenda aus Papier. Auch dies old-fashioned, auch dies altmodisch, auch dies veraltet, aber nur so kann ich mir Dinge wirklich merken. Ja, es ist gar nicht wichtig, dass es dort steht, sondern es ist wichtig, dass ich es selbst von Hand geschrieben habe. Mein Partner legte mir neulich einen Zettel mit «9.30» auf den Schreibtisch, dass ich ihm am nächsten Tag den Wecker stellen sollte, bevor ich aus dem Haus ginge. Ich vergass es, denn – ich hatte den Zettel nicht selber geschrieben, sonst hätte es funktioniert.

Natürlich schreibe ich trotzdem viel, viel, viel, sehr viel mit der Tastatur. Auch diesen Post schreibe ich gerade auf einer solchen. Und zwar auf der meines Laptops, der daheim in meinem Arbeitszimmer in unserer Wohnung steht; ein weiteres Gerät ist das in meinem Schulzimmer und (natürlich) gibt es dann noch ein Tablet für die Zugfahrten…Und hier bin ich natürlich sehr froh um die Speicherung auf Clouds. Denn in den «alten» Zeiten musste man ja immer schauen, dass man die richtige Version hat, immer auf USB speichern, immer, und dann selbstverständlich den USB immer dabei haben…
Ich schreibe also viel auf der Tastatur, dabei ist das Spannende, dass ich immer noch Fehler mache, die mir mit der Hand eben nicht passieren würden. Ich habe mit meinen Fingern und einem Stift zum Beispiel noch nie «udn» geschrieben. Und auch noch nie «imemr». Hier hilft mir das Word-Korrektur-Programm. Es hilft mir nach dem Heirats-Motto. Das Heirats-Motto lautet: «Eine Ehe heisst, dass man gemeinsam Probleme lösen kann (die man alleine nicht hätte).» Und entsprechend: «Das Word-Korrektur-Programm hilft dir, Rechtschreibfehler zu erkennen und zu korrigieren (die du ohne WORD nicht hättest).»

Wirklich fortschrittliche Menschen schreiben aber gar nicht mehr, sie benutzen die Diktier-Funktion ihres Schreibprogramms. Eigentlich eine tolle Sache, bei mir gibt es aber das Problem, dass ich beim Schreiben sehr häufig Radio höre.
Und dann steht da auf einmal auf meinem Bildschirm:
Ich möchte Sie daher bitten, mir Sie hörten das betreffende Schreiben das dritte Klavierkonzert noch einmal zukommen lassen von Ludwig van Beethoven.
Oder mein Partner telefoniert mit einer Bekannten und ich habe Fetzen daraus in meinem Text. Oder etwas klappt nicht, und dann habe ich ständig hässliche Wörter in meinen Zeilen, weil ich fluche.
Nein.
Nein, mit der Diktierfunktion habe ich mich noch nicht angefreundet.

Die allerneueste Erfindung wird aber der Chip sein. Und hier hat eine erstaunliche Sache fast unbemerkt stattgefunden: Hinter der Deckung von Ukraine und Gaza und Huthi und Klima hat Elon Musk einen Chip in ein Gehirn implantiert. Also, natürlich nicht er selbst, ein Team seiner Firma Neuralink®. Der Patient erhole sich gut, heisst es.
Wird das jetzt die Zukunft sein?
Nicht mehr von Hand schreiben.
Nicht mehr eine Tastatur benutzen.
Nicht mehr diktieren.
Nein.
Einen Text denken.

Aber gibt das nicht ein furchtbares Durcheinander? Stellen Sie sich vor, da schreibt ein Programm alles mit, was Sie denken. Das wäre doch ziemlich schrecklich, man denkt ja nicht nur einen Text, man wird ja auch ständig abgelenkt durch Gedanken an den nächsten Einkauf, einen Vogel vor dem Fenster – oder an Sex. Die Literaturwissenschaft kennt dieses Phänomen als «Stream of Consciousness» oder «Bewusstseinsstrom», wir finden solches ungefiltertes Gedanken-Gewusel bei Joyce oder Schnitzler.

Und stellen Sie sich dann noch vor, Sie würden gehackt!
Da wäre es dann vorbei mit

Die Gedanken sind frei, wer kann sie erraten?
Sie fliehen vorbei wie nächtliche Schatten
Kein Mensch kann sie Wissen, kein Jäger erschiessen
Es bleibet dabei: die Gedanken sind frei
Es bleibet dabei: die Gedanken sind frei

Nein. Ein Horrorvorstellung.
So ist auch dieser Text am PC entstanden. Und danach löse ich noch ein Kreuzworträtsel. Von Hand. Und vielleicht übe ich auch noch ein wenig mit der Diktier-Funktion.

Aber an meine Gedanken lasse ich niemand ran.
Und erst recht nicht Elon Musk.





 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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