Freitag, 8. Mai 2020

Was mache ich mit den "ranzigen" Vor-Corona-Posts?


Beim Aufräumen findet man ja immer so Dinge, Dinge, die man irgendwann gekauft hat, Dinge, die nun so herumgammeln, so herumfahren, Dinge, die Staub und Jahre angesetzt haben, Sachen, die man nun in die Hand nimmt und beurteilen muss: Sind sie noch gut oder wegwerfen?

Manche haben ein Ablaufdatum, und das Ablaufdatum sollte man schon auch beachten. Lebensmittel zum Beispiel. Da gibt es zwar Leute, die verkünden: Datum ist Schall und Rauch, man kann ja öffnen und daran riechen, daran schmecken, man hat ja eine Nase und die muss entscheiden. Ich persönlich fühle da ein wenig anders, mein Magen dreht sich bei Lebensmitteln, die quasi aus meiner Jugend stammen, der Magen um: Die Konfitüre, die mir meine Patentante zum 13. Geburtstag schenkte, die ich neulich fand, und die nicht einmal schlecht roch, ich habe sie weggeworfen. Die Nudeln, die ich in meinem ersten Studiensemester erwarb und die aus irgendwelchen Gründen nie gekocht wurden und auch alle Umzüge mitmachten, sie kamen in den Müll. Das Glas Kapern, das das Schild des Tüberberg-Lädele trug und das keinen Schimmel zeigte, ich schmiss es fort. (Das Tüberberg-Lädele existierte bis 1982). Ich KANN einfach keine so alten Sachen essen, mir steigt es in die Speiseröhre, wenn ich nur an einen Verzehr denke.

Klar wegwerfen kann man nicht benutzte Gutscheine, Fahrkarten, Abonnements, kann man Billette und Tickets und Bons und Rabattkarten, die nie gebraucht wurden und deren Gültigkeit im letzten Jahrtausend endete:
*  Die Karte 10 Kaffee zahlen / 12 bekommen aus Hamburg aus dem Jahr 2001
*  Die beiden Kinokarten für einen Bergmann-Film im arthouse-Kino vom 3.5.1999 (Ich erinnere mich: Ich bekam damals Fieber und wir gingen wieder heim.) 
* Die Zugfahrkarte Guggingen – Bleiberg vom Mai 2003, da ich inzwischen ein GA habe, muss ich mich nicht mehr darum kümmern.
usw.
usw.

Ganz, ganz, ganz anders, fundamental anders, diametral entgegengesetzt, geradezu antagonistisch verhält es sich mit Kleidung.
Die nie getragene kackbraune Kniehose, der nie getragene blaue Hut, der aussieht wie ein Nachttopf, das gelb-schwarz gestreifte Gilet, die Schuhe mit Hühnerfedern, nie, niemals, zu keiner Zeit, in keinem Moment sollte man sie fortschiessen, denn es kann ja immer sein, dass das einmal wieder Mode wird. Hat man nicht auf den letzten Schauen kackbraune Kniehosen gesehen? Ist nicht auf der aktuellen Homepage von St. Laurent ein nachttopfartiger Blauhut zu sehen? Sah man nicht im Herbst beim Prêt-à-porter gelbschwarze Gilets und Schuhe mit Hühnerfedern?
Also: Aufbewahren!
Genauso mit Büchern, fast noch schöner, es ist wunderbar, wundervoll, es ist herrlich und erregend, Bücher zu finden, die man vergass und die nun auf einmal interessant und frisch einem in die Hände fallen: Man weiss nicht mehr, wer einem das schenkte, wann man es kaufte, man weiss nicht mehr, warum man das tolle Werk, den Superroman nicht sofort las, aber nun wird man direkt ans Schmökern, an die Lektüre gehen.

Was aber tut man mit alten (also nicht veröffentlichten) Posts?
Was?
Ja was?

Ach so, Ihnen ist das Problem nicht ganz klar: Das Problem ist, dass ich viele Texte im Voraus schreibe, im Voraus verfasse, dass mich manchmal die Muse küsst und ich mich an den PC setze und tippe, und tippe, und tippe. Ja, und dann kann es passieren, dass sich das Thema irgendwie erledigt. Ich habe einmal über die Länge der Koalitionsverhandlungen geschrieben, und just einen Tag vor der Veröffentlichung des Posts hat sich Angie mit der SPD geeinigt.
Damals schrieb ich (es war am 1.8.2018):

Auch Posts haben ihre Geschichte, ihre Chronologie, die oft eine bemitleidenswerte und jammervolle Geschichte, die oft eine bemitleidenswerte und jammervolle Chronologie ist. Da hat sich ein Thema überholt, ist inaktuell geworden, da hat man über einen Affen gelästert und dann stirbt dieser Affe und über Tote sagt man ja nichts Schlechtes. Da hat sich eine Situation, eine Sache total verändert, da hat sich etwas zum Guten oder Bösen gewendet und dann passt dieser Post nicht mehr. Hier kommt die bemitleidenswerte und jammervolle Story, die Vita eines Post.

Sie können eines daraus sehen:
Ich werfe einen Post nicht weg. Auch wenn er ein wenig ranzig ist, auch ein wenig Schimmel auf ihm ist, auch wenn er schon ein bisschen riecht.
So werde ich Ihnen die nächsten drei Male Posts servieren, die vor oder ganz am Anfang der Coronakrise entstanden sind:
Einen über Trump, der sich über «sozialistische Ideen» wie die AHV lustig macht.
Einen über Fairtrade und Oeko.
Einen über die «Krise als Chance» aus dem Mund von Professoren.

Und vielleicht entdeckt man dann wieder ganz aktuelle Sachen in diesen Texten, denn:
Die Dummheit Trumps hat sich ja bei Corona klar gezeigt.
Fairtrade ist ja nun, z.B. durch die Arbeitsausfälle in Bangladesh, immer ein Thema.
Und Krise/Chance bleibt auch.

Freuen Sie sich also ab dem 12.5. auf drei «ranzige» Posts. 

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