„Ich habe gehört, Sie seien neulich in die
SPD eingetreten?“
„Ja, aber nur aus geschäftlichen Gründen.“
„Wie das?“
„Wissen Sie, in einer Partei ergeben sich
viele Kontakte, da lernt man Leute kennen und redet mit ihnen, da trifft man
viele Menschen, und das ist fürs Geschäft nützlich.“
„Sie sind aber doch eigentlich eher
konservativ?“
„Ja, das führt zu endlosen Debatten und
Streitereien auf den Versammlungen.“
„Und wie gehen dann die Geschäfte?“
„Entsprechend mies.“
Diesen entzückenden Dialog fand ich in
einem uralten MAD-Heft.
Tja, Partei und Parteimitgliedschaft sind
so eine Sache. Oft ist man in der verkehrten Partei, oder man ist in der
richtigen – nach eigener Ansicht – nur will die Partei nicht begreifen, dass
MEINE Linie eigentlich die richtige Parteilinie wäre; dann kommt es aber auch
vor, dass man als Schwarzes Schaf, als Enfant terrible, als Querdenker,
Querredner, dass man als Querulant und Rebell der Partei irgendwo nützt und
Stimmen bringt. Und dann gibt es noch den Fall, dass die Partei selbst
zerstritten ist und der eine Teil einen vergöttert und der andere einen lieber
loswerden will…
Tja, tja, tja, und manchmal bräuchte es da
halt einen Rauswurf. Und das ist komischerweise gar nicht so einfach. Manche
Partei beisst sich an den Querdenkern, Querulanten, an den Enfants terribles,
den Schwarzen Schafen, an den Rebellen und Revoluzzern die Zähne aus. So ist
der verhasste Thilo Sarrazin offiziell immer noch SPD-Mitglied, das Verfahren
ist immer noch hängig und der Ausschluss nichts rechtskräftig.
Die BW-GRÜNEN haben es richtig gemacht:
Einstimmiger Beschluss, den ungeliebten Boris Palmer, den
Obsthändler-Oberbürgermeister von Tübingen zum Austritt aufzufordern. Er geht
zwar nicht, aber die Partei hat ihre Meinung klar gesagt: Du gehörst mit deinen
blöden Sprüchen nicht mehr zu uns, aber wenn du unbedingt bleiben möchtest,
dann bleib halt. Sei so wie ein Partygast, der nicht gehen will, obwohl es
schon 1.00 ist und die Gastgeberin schon ihre Feuchtigskeitsmaske draufhat, bleib, ohne
Getränk und ohne Häppchen, ohne Gesprächspartner und ohne Unterhaltung.
Die AfD hat es falsch gemacht: Mit 7 zu 5
Stimmen jemand auszuschliessen, jemand, der in seinem Landesverband extreme
Rückendeckung hat, und dann sich auf einen Zettel berufen, den man gar nicht
mehr in den Fingern hat, das ist sehr, sehr, sehr, sehr dumm…
Vorbild kann hier der Genosse Stalin sein.
Der gute Josef Wissarionowitsch hat hier ein System entwickelt um allen
Querdenkern, Quersagern, allen Rebellen und Nörglern, um allen Enfants Noirs
und Furchtbaren Schafen, allen Unliebsamen, Ungeliebten und Nurgeduldeten zu
zeigen, wo der Barthel den Most holt. Wie der Hase läuft. Wie die Sache geht.
Ein für alle Mal.
Stalin praktizierte in zwei Schritten:
Erstens: Die Liquidierung.
Zweitens: Die Damnatio Memoriae.
Die betreffende Person wurde also nicht
einfach aus der Partei ausgeschlossen, sie wurde auch daran gehindert, wieder
neu einzutreten – Tote tragen nicht nur keine Karos, sie können auch keinen
Aufnahmeantrag stellen. Wenn nun ein Aus-Schuss über den Genossen verhandelte
und der Aus-Schuss einen Aus-Sch(l)uss besch(l)oss, dann war man ja schon
ziemlich nahe am Schiessen; und so konnten viele Kinder und Witwen, viele Verwandte,
Anhänger und Freunde sagen: „Vor vier Jahren wurde mein Vater/Mann/Bruder/Onkel/Genosse/Freund/Mentor/Kollege
aus der KPDSU aus-geschossen.“
Nein.
Halt.
Stopp.
Konnten Sie eben nicht. Denn den Vater/Mann/Bruder/Onkel/Genossen/Freund/Mentor/Kollegen
hatte es nie gegeben. Seine Geburtsurkunde unauffindbar. Aus Listen gelöscht.
Auf Fotos nicht mehr drauf – und nur Lupen hätten hier Kratzspuren erkennen
können, Josef Wissarionowitsch hatte die besten Retuschierer der Welt, und bei
Filmdokumenten kam witzigerweise immer so ein blöder Wachsoldat vor die Kamera,
wenn man den Vater oder Mann oder Vetter oder Paten oder Genossen oder
Kameraden oder Kollegen hätte sehen können…
So muss man es machen. Tötet Boris Palmer,
liebe BW-GRÜNEN. Tötet Andreas Kalbitz, liebe AfD. Und dann delete, löschen, in
den Papierkorb, so dass, wenn in zwei Jahren jemand den Namen erwähnt, man einfach
sagen kann: „Einen Menschen mit diesem Namen gab es nie bei uns.“
Aber nochmal stopp. Halt.
Ich glaube, eine richtige Damnatio Memoriae
ist in unseren globalisierten und vernetzten Zeiten, in Zeiten von Google und
Facebook, in der Epoche des Internets gar nicht mehr möglich. Die Spuren eines
Politikers haben sich so weit verzweigt, dass die Existenz nicht mehr zu
leugnen ist.
Übrigens eigentlich – trotz allem
Datenklau und aller Überwachung – eine beruhigende Idee: Meine Existenz kann
niemand ernsthaft leugnen, es finden sich Spuren, Bilder, Filme, es finden sich
Dokumente und Dateien, die zeigen: Diesen Rolf Herter hat es doch gegeben. Das
ist die angenehme Kehrseite einer sehr hässlichen Medaille.
„Sie sind aber doch eigentlich eher
konservativ?“
„Ja, das führt zu endlosen Debatten und
Streitereien auf den Versammlungen.“
Was aber nun machen mit solchen Streitern
und Debattierern?
Lassen.
Denn Ausschlussverfahren ist
mega-kompliziert.
Liquidieren geht zwar, ist aber in
Mitteleuropa – das vergass ich oben zu erwähnen – dummerweise strafbar.
Und eine vernünftige Damnatio Memoriae ist
nicht zu schaffen.
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